2008

USA-Redakteursprogramm 2008
26. Oktober — 1. November 2008

Einwöchiges Programm aus Anlass der U.S.-Präsidentschaftswahlen für erfahrene (mid-career) Rundfunkjournalisten in Washington, D.C.

Die Gruppe von 12 deutschen Radio- und Fernsehredakteuren besuchte für eine Woche Washington, DC, mit Gesprächsterminen in Politik, Wirtschaft, Medien, Kultur, Soziales. Den Teilnehmern wurden Gesprächsrunden mit verschiedenen Think Tanks, Lobby Groups und U.S.-Regierungsstellen geboten. Das auf diese Weise erworbene Hintergrundwissen kurz vor dem U.S.-Wahltermin am 4. November 2008 sollte deutschen Rundfunkredakteuren dabei unterstützen, aktuelle Meldungen aus den Vereinigten Staaten in ihrer redaktionellen Tätigkeit besser einordnen und verstehen zu können.


  


TEILNEHMERBERICHTE

Bernd Großheim, Norddeutscher Rundfunk, Hamburg

Am 5. November 2008 abends stehe ich mit etwa 30 Menschen im riesigen Wohnzimmer einer Arztfamilie in Missoula, Montana. Wir halten Champagnergläser in der Hand, und Miriam, die Dame des Hauses, eine energische Endvierzigerin, trommelt auch die Kinder heran. „Jeder der älteren Erwachsenen,“ ruft sie, an die Kinder gewandt, „jeder weiß noch genau, wo er war und was er gemacht hat, als Präsident Kennedy erschossen wurde. Jeder weiß noch genau, wo er war, als er von den Anschlägen am 11. September 2001 hörte.“

Die Erwachsenen nicken, schauen sich um, einander an. Die Gastgeberin deklamiert weiter: „Und jeder von Euch, liebe Kinder, wird später wissen, wo er war, als Barack Obama zum Präsidenten der Vereinigten Staaten von Amerika gewählt wurde. Und so erheben wir das Glas… “ Den Rest des Abends erlebe ich wie in Trance. Ich habe die vierte Zeitumstellung in zwei Wochen hinter mir, bin müde. Die Tochter des Hauses versucht sich gerade an einer Sarah-Palin-Imitation.

Zehn Tage zuvor sitze ich im Meeting Room des Club Quarters Hotel in Washington DC. „To be in Washington now is thrilling,“ sage ich in der Vorstellungsrunde des Programms. „To get away from your news desk is an adventure already, but Washington — in these days — is absolutely thrilling.“ Vor uns liegt eine Woche, in der wir hinter die Kulissen der U.S.-Politik blicken sollen. Jon Ebinger hat ein Programm mit vielen Höhepunkten zusammengestellt. Wann spricht man schon mit den Kollegen von CNN oder BBC, die kurz vor dem Finale einer zweijährigen Wahlshow stehen? Spannend auch, den republikanischen Vertreter sich winden zu sehen, Zweckoptimismus versprühend; natürlich werde John McCain der neue Präsident der USA. Ein früherer Pressesprecher der Republikaner zeichnet ein anderes Bild. Die Partei müsse sich im Prinzip neu erfinden, McCain habe bei dieser Wahl nicht den Hauch einer Chance, aber psst! nicht weitersagen. Soviel Ehrlichkeit begeistert. Da steht einer, der sich keine Illusionen macht. Dann der beeindruckende Auftritt von CBS-Urgestein Bob Schieffer, ein Kollege, der schon über die Ermordung JFKs berichtet hat. Da in dem Stuhl habe Barack Obama gesessen, sagt er.

Das Fernsehstudio erstaunlich klein und eng. Schieffer sitzt da, als würde seine Show gleich beginnen. Kontrastprogramm beim Treffen mit zwei Internetspezialisten. Wie nutzen die Kandidaten das Web? Wie nutzt das Web die Kandidaten? Alan Rosenblatt und Mike Turk, der eine Demokrat mit Pferdeschwanz, der andere Republikaner ohne Pferdeschwanz, führen uns in die Geheimnisse des WWW-Wahlkampfes ein. Kommt das alles auch auf uns zu, frage ich mich. Müssen wir uns auf Merkel-Mega-Blogs und Steinmeier-Massen-Mails einstellen? Ziemlich wahrscheinlich… Eher unwahrscheinlich, dass die Kandidaten eine halbe Stunde gute Fernsehzeit kaufen, um einen Wahlwerbefilm auszustrahlen. Obama did it. Yes, he can. Wir treffen den Regisseur des Streifens. Mit dunklen Rändern unter den Augen steht er vor uns und versprüht dennoch eine wahnsinnige Energie, zeigt uns alte Werbespots und Kampagnen, die er begleitet hat. Dann ist eine Woche auch schon vorbei. Obama gewinnt sowieso, dachte ich noch im Flugzeug auf dem Weg nach Washington. In der Woche war das alles nicht mehr so klar. Immer wieder tauchte der Begriff „Bradley-Effekt“ auf. Was ist, wenn die tollen Umfragen gar nicht so gut sind? Was ist, wenn die Leute in den Umfragen das eine sagen und an der Wahlurne das andere machen? Die Spannung steigt und steigt, und dann erleben wir am 4. November Geschichte mit. Der eine in Washington, der andere zu Hause bei seinem Sender.

Am Tag darauf stehe ich abends in dem riesigen Wohnzimmer in Montana, der Kamin knistert, und eine Zwölfjährige imitiert Sarah Palin. Ich halte ein Glas Champagner in der Hand, Miriam, die Dame des Hauses ist außer sich vor Freude, und ich weiß, ich werde ihn nicht vergessen, den Tag, an dem Barack Obama zum Präsidenten der Vereinigten Staaten von Amerika gewählt wurde. Mein Dank gilt der RIAS-Kommission, weil sie unermüdlich Journalisten nach Amerika schickt, die mit Eindrücken fürs Leben zurückkommen können.

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Ansgar Hocke, Rundfunk Berlin-Brandenburg, Berlin

Für meine Teilnahme am diesjährigen Redakteursprogramm in Washington möchte ich mich recht herzlich bedanken. Hinter uns liegt eine spannende, erfahrungsreiche Woche — so dicht vor den Wahlen, am Ende der Amtszeit des 43. Präsidenten der USA. Es war ein offener, mediengerechter und zum Schluss auch ansatzweise inhaltsvoller Wahlkampf, allen Vorurteilen zum Trotz.

So hat uns am ersten Tag Bill Beaman — Herausgeber Politics Magazine — gleich zu Begin Grundsätze der Wahlkampsstrategie beider Parteien anschaulich geschildert: Wer hat ein eigenständiges und effektives Markenzeichen entwickelt, mit welchen Slogans positionieren sich Republikaner und Demokraten, mit welchen Werthaltungen treten bei Parteien und ihre Kandidaten an. Es ging auch um den enormen Einfluss von Ratgebern, Consultants im politischen Washington. Es war aber auch ein Einblick in die erfolgreiche Mobilisierung der Wähler durch das Internet bei den Demokraten, vor allem der jungen Wähler.

Erweitert wurde dieser Überblick durch den breiten Wissenshintergrund von Curtis Gans, Center for the Study of the American Electorate. Egal ob es um die Auszählung der Stimmen, die soziologische Zusammensetzung der Wählerschaft, die Registrierung, die Auszählung der Stimmen ging, es war eine fundierte- ruhige Analyse über die American elections — anders ausgedrückt- ein Statement über „the seriousness of the voting act“ in der Unitetd States. Mark Preston von CNN, the Senior Politcal Editor, verkörpert der Macher. „ Voll unter Dampf“ berichtete er uns über das zunehmende Interesse der Zuschaue am Präsidentenwahlkampf und über die mediengerechte Aufarbeitung im eigenen Programm von CNN (magic map) auch über den Kampf der Einschaltquoten sowie über die Vorbereitungen zur bevorstehenden Wahlnacht. Im Gegensatz zu Mike Collins, der als Anhänger der Republikaner, selbstkritisch eine scharfe Analyse seiner Partei hinlegte — ironisch, witzig, voller historischer Rückblenden, gelang es Dave Avell — ebenfalls Republikaner, von der parteinahen GOPAC, von außen seine Partei zu betrachten und die schlechten Meinungsumfragen für Mc Cain fundiert zu deuten. Trotzdem spiegelten seine Äußerungen Grundansichten eines Republikaners im laufenden Wahlkampf wieder.

Abseits vom laufenden Wahlkampf zwei Besuche

  1. Zu Gast bei Bruce Josten vom United States Chamber of Commerce:
    Die offene Selbstdarstellung der Lobbyarbeit dieser Organisation und die Unterstutzung einzelner U.S.-Parlamentarier im Wahlkampf aufgrund einer eigens entwickelten Umfragesystems war interessant und verblüffend zugleich. Die klare Zustandsbeschreibung des U.S.-Bildungssystems, der U.S.-Infrastrukur und der wirtschaftliche Situation, sowie die Haltung zu den Gewerkschaften, also insgesamt seine Schilderung der Positionen der U.S.-Wirtschaft, die handelspolitische Erbschaft der Bush Regierung und die Erwartungen an die kommende Obama Adminstration von Seiten der Industrie und Wirtschaft, dies weckte eine vertiefende Diskussion innerhalb der Senior Editors.
  2. Zu Gast bei den National Academies of Science:
    Die Fakten über die Erwärmung der Erde, die Klimakatastrophe wurde kompakt und schnörkellos vorgetragen. Eine gute Zusammenfassung. Die Diskussion über die Konsequenzen für die U.S.-Politik (Kyoto Prozess) konnte nur im Ansatz geführt werden. Ein wenig hilflos wirkten der Versuch, die vorgetragenen Fakten zur Klimaerwärmung, die notwendigen Maßnahmen zum Erhalt der Umwelt mit den fehlenden Einsichten und Verhaltensenderungen der U.S.-Bürger und der konkreten U.S.-Politik unter einen Hut zu bekommen.

Keine Frage — das Treffen mit dem „old hero“ der U.S.-Polittalkshows Bob Schieffer von CBS News war beeindruckend. In der Studiokulisse seiner sonntäglichen Sendung „Face the nation“ war das ein solides, hintergründiges Gespräch über die laufende Kampagne und über alle Kandidaten. (president, vicepresident). Der Besuch bei der Kojo Nnamdi Show von WAMU AM radio verschaffte uns gute Einsichten über die Arbeitsbedingungen und die Erfolge einer lokalen „Public Radio Station“.

Die große U.S.-Politik wurde fokussiert auf die Probleme Washingtons und auf die Probleme der Bürger vor Ort. Beeindruckend das Engagement der Macher für diese werbefreie politische Berichterstattung.

Zum Abschluss dann ein Kennenlernen mit Mark Putnam, Democratic Media Strategist, der gerade als Produzent, Ideengeber und Realisator des 30 minütigen Obama Commercials für Furore innerhalb des U.S.-Mediengeschäftes sorgte. Seine Ziele für diesen Film, seine Arbeit mit Obama und seine Rückschlüsse auf das politische Werbegeschäft sowie über die mangelnde Glaubwürdigkeit der Politik und die Auswirkungen auf die TV Werbung — all dies fundierte Äußerungen eines Profis Mark Putnam berichtete zudem über seine vergangene Arbeit, Wahlspots für Senatoren und Gouverneure zu produzieren.
Dank gebührt Jon Ebinger, der uns zielorientiert durch die Termine und Tage schleuste.

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Maximilian Hofmann, Deutsche Welle, Berlin

Dazu kann er nichts sagen, will er auch nicht. Keine Spekulationen, nur Fakten. Fast hat man den Eindruck als sei Curtis Gans sauer wegen der deutschen Journalistenfrage. Dabei ist es die gleiche, die auch die amerikanischen Kollegen jeden Tag bei CNN oder Fox News im Minutentakt wälzen und dabei wird jeder Aspekt — sei er noch so abwegig — wieder und wieder beleuchtet. Seit Wochen. Die Frage lautet: wer wird der nächste Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika?

Curtis Gans ist ein Zahlenmann, „Director of the Center for the Study of the American Electorate“. Er weiß wer in den Wahlbüros tatsächlich auftaucht, um ein Kreuzchen zu machen oder den Knopf an der Maschine zu drücken. Das müsste eigentlich ausreichen, um einen belastbaren Tipp abzugeben. Aber bei dieser Wahl ist nichts wie es war und deshalb traut sich auch keiner der Referenten in dieser Woche ganz klar zu sagen: Barack Obama wird der nächste Präsident der USA. Trotz fast zweistelligem Vorsprung in den Umfragen, trotz der schlimmsten Finanzkrise seit den 30er Jahren, trotz eines Kontrahenten, der in der gleichen Partei ist wie der unbeliebteste Präsident seit die Bürger Amerikas gefragt werden, was sie von ihren Präsidenten halten. Warum also will sich niemand aus dem Fenster lehnen? Two words: African-American.

Wolf Blitzer ist wieder im „Situation Room“. Da ist er ziemlich häufig, so heißt die Sendung, die er nachmittags auf CNN moderiert. In den vergangenen Wochen und in den kommenden Tagen gibt es dort nur eine Situation, die wirklich zählt, die der „Magic Map“. Dort schiebt sein Kollege die Prognosen und Stimmen für Demokraten und Republikaner zusammen. Was ist wenn Virginia an Obama geht? Wo muss McCain gewinnen, wenn er Ohio nicht schafft? Wer bekommt Florida? Die U.S.-Networks sind atemlos seit Wochen. Die Korrelation Heimspiel des Football-Teams „Washington Redskins“ am Vorabend der Wahl und Ausgang der Wahl wird stundenlang diskutiert. Es gibt auf der Welt nur Amerika. Mark Preston, dem Senior Political Editor bei CNN quillt die Atemlosigkeit der U.S.-Networks aus jeder Pore. Bei CNN wollen sie die Besten sein, seien sie ja ohnehin schon, aber eben noch besser, Magic Map, Hologramme im Studio, Reporter in jeder Stadt, Geld spielt keine Rolle. Nur beim sogenannten „Callen“ von Staaten, also eine belastbare Prognose am Wahlabend abzugeben, welcher der Kandidaten einen Staat mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit gewinnen wird, wollen sie vorsichtiger sein als in den vergangenen Jahren. Es gibt nichts Peinlicheres als zu „callen“ und dann später revidieren zu müssen. Wer wird der nächste Präsident? „Obama, wahrscheinlich, nicht sicher, anything can happen.“

Die Republikaner haben viele Gesichter und wir sehen sie alle in dieser Woche. Dave Avella verkörpert das Gesicht, wie es in Europa gepflegt wird. Stur, unkooperativ, Law and Order. Er versucht neue Kandidaten zu finden für die Grand Old Party, nicht auf dem höchsten Level, sondern in den Communities. Dort wo es auch mal wehtut, wo die Leute nicht unbedingt selbst auf die Idee kommen ihre Schritte auf den politischen Karrierepfad zu lenken. Viel ist aus Dave Avella nicht herauszubekommen. Fehler der republikanischen Partei in den letzten Jahren? Sarah Palin geeignete Kandidatin? Barack Obama nächster Präsident? Nicht verwertbares von Avella, Teflon. Aber allein schon wie er vor der Gruppe steht und herumdruckst spricht Bände und zeigt wie schwierig es die Republikaner zur Zeit haben.

Mike Collins hat kein Problem das offen zuzugeben, alles „on the record“. Er ist Republikaner durch und durch. Einer der alten Schule, keiner von den Neocons oder den Hardlinern. So einer wie damals Reagan oder Bush senior, Präsidenten, die auch außerhalb ihres Landes Sympathien gewinnen konnten. Der ehemalige Kommunikationsdirektor des Republican National Committees ist verärgert über die Menschen, die seine Partei in diese Lage manövriert haben. Der sonst joviale Mann regt sich richtig auf, tigert vor der Gruppe auf und ab, sagt, die Republikaner seien krank und müssten sich am Wahltag übergeben, damit sie danach wieder gesund werden könnten. Die GOP müsste wieder die Partei der Menschen sein, die ihr Leben in Ruhe leben wollen, ohne ständig den Staat im Nacken zu spüren. Obama? „Hoffe nicht, glaube aber schon.“

Zahlen, Zusammenhänge, Zukunftsszenarien. Wer sich mit Bruce Josten anlegen will, muss sich gut vorbereiten. Er ist ein hohes Tier in der U.S.-Handelskammer und es scheint als kenne er alles und jeden in Washington, eine wandelnde Enzyklopädie. Und er ist streitbar. Mit seinen kohleschwarzen Augen schaut er düster in die Runde, nur manchmal zwingt er ein ledernes Lächeln auf sein Gesicht. Unangenehme Fragen werden geblockt. Aber wer ihm zuhört bekommt einen Eindruck davon, welchen interessensgeleiteten Stürmen der nächste Präsident standhalten muss, wie komplex dieses Land geworden ist, wieviel auf dem Spiel steht. Bruce Josten ist kein Freund der Demokraten. Die Handelskammer empfiehlt Abgeordnete je nachdem, ob ihr vergangenes Abstimmungsverhalten für sie nützlich war oder nicht. Meistens empfiehlt sie Republikaner. Wer wird der nächste Präsident? Josten wirkt als hätte er Sodbrennen, „es sieht wohl alles nach Obama aus.“

Es gibt auch noch andere Termine in dieser Woche, aber im Rückspiegel verschwimmen sie zu einer Botschaft. Es ist die gleiche, die sich Bürger und Medien, Pundits und Politiker quasi als stille Post zuflüstern: Obama muss es einfach werden! Aber was wenn nicht? So ist das bei Bill Beaman, dem Herausgeber von „Politics Magazine“ und bei Bob Schieffer, dem Elder Statesman der Networks-Moderatoren, bei der BBC, bei PBS oder den Mitarbeitern der National Academies of Science.

Nur einer, ganz am Schluss der Woche scheint weniger vorsichtig: Mark Putnam, „Democratic Media Strategist“. Mit welchen Tricks ihn unser Programmverantwortlicher Jon Ebinger aus dem Wahlkampf-Nirvana der Demokraten herausgeeist hat, damit er jetzt, fünf Tage vor der Wahl, tatsächlich vor uns steht, bleibt im Dunkeln. Gerade erst hat er das halbstündige „Infomercial“ produziert, für das die Obama-Kampagne am Mittwochabend auf den großen Networks Sendezeit zur Prime-Time gekauft hatte — ein bisher einmaliger Vorgang. Putnam muss in gewisser Weise überzeugt sein, von dem Kandidaten, für den er arbeitet. Aber da ist noch mehr: Putnam strahlt so etwas aus, als wüsste er genau, was passieren wird, als habe ihm eine höheres Wesen etwas zugeflüstert. Vielleicht Obama?

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Dr. Monika Künzel, Deutschlandfunk, Köln

Hoffnung wagen, ja an den Wandel glauben: Yes, we can. Die Botschaft ist klar. Manch einer reibt sich die Augen, wie wenige Worte elektrisieren, seit sie mit einem Mann verbunden werden, der den amerikanischen Traum in all seinen Facetten verkörpert: Barack Obama.

Es gibt gewiss nicht wenige in Amerika, die sich auflehnen gegen die Hypothek prekärer Lebensverhältnisse. Die sich in enorme Schulden stürzen, um ihr Studium zu finanzieren. Die mit mehr oder weniger versteckten Vorurteilen zu kämpfen haben, weil sie von dunkler Hautfarbe sind. Deren Eltern sich trennen, und die schon als Kinder erfahren, dass die heile Welt Risse hat. Es gibt viele Menschen in den USA, die solche Erfahrungen machen. Aber wer all das in seiner Biografie vereint und darüber nicht bitter geworden ist oder seelenlos erscheint, ja gerade durch eine solche Lebensschule gereift ist, der vermag zu überraschen. Barack Obama tritt nicht auf. Er erscheint: souverän, unerschrocken, einfühlsam. So sehr seine demokratischen Rivalen, seine republikanischen Gegner im Wahlkampf auch zündeln: Die Angriffe verfangen nicht, die Provokationen laufen ins Leere.

Gelingt es diesem Mann, mit seinem Aufruf zur Hoffnung, mit seiner Idee vom Wandel den Paradigmenwechsel einzuleiten, den nicht nur Amerika dringend braucht? Kann Amerika unter seiner Führung wieder jene moralische und politische Macht zurückgewinnen, die es unter der Administration von George W. Bush in nahezu allen Bereichen gnadenlos verspielt hat? Kann es wieder zum Vorbild eines freiheitlichen, demokratischen Staats werden?

Schafft es Barack Obama, die Skepsis zu zerstreuen, sein charismatisches Auftreten sei nur Fassade? Seine kraftvollen Reden seien ohne Substanz? Wie schneidet sein Senatskollege John McCain im Vergleich zu ihm ab? Nach den Katastrophen im Irak und dem Absturz von Wall Street erscheint der Stolz der amerikanischen Nation verletzt. Wer ist geeignet, Amerika sein Selbstvertrauen zurückzugeben? Warum wird Barack Obama eigentlich als „Schwarzer“ angesehen? Er hat eine weiße Mutter. Hat er jemals die Chance, NICHT als „Schwarzer“ angesehen zu werden? Wie wird Obamas Körpersprache aufgefasst? Wie bei einem typischen Intellektuellen? Wie bei einem „Schwarzen“?

Solche Fragen haben mich bestimmt, unmittelbar vor der Wahl am 4. November eine Lange Nacht in Washington zu organisieren, und mit dieser dreistündigen Sendung die Zuhörer in Deutschlandradio Kultur und im Deutschlandfunk auf die Wahl einzustimmen. Auch mit großartiger Unterstützung der deutschen Botschaft in Washington, insbesondere von Dr. Ulrich Sante, ist es gelungen, engagierte Gesprächspartner aus Chicago, New York und Washington zu gewinnen und mit ihnen ebenso Hoffnungen und Ängste wie auch die Bürde der nächsten Präsidentschaft zu diskutieren. In Originaltondokumenten erinnerte diese Lange Nacht an zentrale Momente des Wahlkampfes, wie die Rede von Barack Obama, gehalten am 18. März 2008 im Constitution Center in Philadelphia, in der er sich mit der Rassenintegration als großer innenpolitischer Herausforderung auseinandersetzt, mit alten Vorurteilen, die auch unter den neuen Zwängen der globalen Welt modifiziert weiterwirken.

Vor zehn Jahren war ich das erste Mal mit der RIAS-Kommission in Washington. Deutschland stand damals kurz vor einem Regierungswechsel und in den USA stellte Kenneth Starr seinen 445seitigen Report ins Internet, um auch noch mit allerletzten Mitteln Bill Clinton zu verhöhnen und als politische Person zu vernichten. Zu jener Zeit schien das zerstörerische Gebaren der amerikanischen Journalistenmeute für deutsche Verhältnisse unvorstellbar. Heute gibt es wieder starke Momente der Differenzierung. In solch einem Umfeld — oder gerade dort? — keimt wieder ein bis nach Deutschland ausstrahlender Wille zum Wandel, zur Veränderung, der — bei allen Problemen — die Schockstarre aufbricht und gerade junge Leute in bisher nie dagewesenem Maße mobilisiert, ihr eigenes Leben als Chance, nicht als Schicksal aufzufassen. So haben mich auch die Begegnungen mit den Gesprächspartnern aller Couleur, von den anderen Fellows lebendig geschildert, wieder sehr darin bestärkt, wie schwer es ist, dieses große disparate Land der Vereinigten Staaten von Amerika zu verstehen, und wie leicht es ist, dort Gleichgesinnte, ja Freunde zu finden.

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Luten Leinhos, Zweites Deutsches Fernsehen, Mainz

Wahrhaftig ein Privileg: es ist die Woche vor der Wahl des ersten schwarzen Präsidenten der U.S.-Geschichte — und wir sind dabei, sozusagen mittendrin im Machtzentrum Amerikas. Das alleine hätte schon genügt, um die Teilnahme am RIAS-Programm in Washington als lohnend zu betrachten.

Wir waren mittendrin im Endspurt des U.S.-Wahlkampfes; mitten unter den Menschen, die den nun bevorstehenden Machtwechsel mit organisierten; unter denen, die ihn noch immer vergeblich abzuwenden suchten und jenen, die diesen Wechsel zwar nicht wollten, gleichwohl seine Auswirkungen schon mal für uns RIAS-Fellows antizipierten und analysierten.

Nah dran, so sagen wir Journalisten manchmal, wenn eine Reportage besonders authentisch und ungeschminkt daher kommt. So ähnlich fühlte sich auch weite Teile dieser Woche RIAS-Programm an. Jon Ebinger brachte uns mit außergewöhnlich einflussreichen und interessanten Menschen und in Institutionen zusammen.

Einige dieser Treffen blieben mir besonders erinnerlich. Hierzu zählt die Begegnung mit Bill Beaman und Christie Findlay vom Politics Magazine, die auf anschauliche Weise in uns eine Vorstellung davon erzeugten, wie Politik- und Wahlkampfberatung zu einer wahren Mega-Industrie herangewachsen sind — ohne je an Wachstumsgrenzen zu stoßen.
In der Washingtoner Filiale von CNN war es Mark Preston, der deutlich machte, welchen Druck Amerikas politische Parteien auf die TV-Sender ausüben. Und dass einzelne das hehre Ziel der journalistischen Fairness und Ausgewogenheit längst aufgegeben und sich stattdessen dafür entschieden haben, tendenziös zu berichten und sich offen auf eine politische Seite zu schlagen (Fox News = Republikaner; MSNBC = Demokraten) — und damit auch noch äußerst erfolgreich sind.

Als rethorisch brilliant erwies sich der Vizepräsident der U.S.-Handelskammer, Bruce Josten. Schonungslos seine Analyse, als er die poltischen Fehler der Bush-Administration zusammentrug und bereit sieben Tage vor der Wahl die vernichtende Niederlage der Republikaner voraussagte. Dabei war ihm deutlich anzumerken, dass sein politisches Herz für McCain schlug.

Ein gewisses Kribbeln erzeugte der Besuch bei Bob Schieffer von CBS News, der uns im Studio von „Face the Nation“ empfing. Mit dem ganzen Gewicht seiner Erfahrung als politischer Journalist vermittelte uns ein Gefühl für die historische Besonderheit dieser Wahl — und dafür, wie warmherzig auch ein Superstar des U.S.-News-Geschäfts nach so vielen Jahrzehnten noch sein kann.

Der Schlusspunkt des offiziellen Programms war für mich zugleich sein eindeutiger Höhepunkt: ein exklusiver Einblick in die Gedankenwelt der Wahlkampf-Strategen. Mark Putnam hieß der Mann, ein virtuoser und kreativer Macher äußerst wirksamer Werbespots für die Demokraten. Seine Schilderungen führten uns hinter die seines hochprofessionellen Geschäfts.

Putnams Arbeit hatte zwei Tage zuvor überall in den USA für Furore gesorgt. Ein maßgeblich von ihm konzipierter Wahlkampfspot für Barack Obama in 30 Minuten Länge, war zeitgleich auf fast allen großen U.S.-Fernsehsendern ausgestrahlt worden. Wie Putnam uns erklärte, welche Gedanken sich das Obama-Wahlkampfteam bei der inhaltlichen und dramaturgischen Ausgestaltung dieser 30 Minuten gemacht hatte, war erstklassig und augenöffnend.

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Regine Münder, ARD, Hamburg

A dream came true

Eines Tages wird Hollywood über diesen Wahlkampf einen wunderbaren Film drehen. In den Hauptrollen: Ein knorriger älterer Vietnam-Veteran, der Verschwörungstheorien wie Blitze auf seinen Gegenspieler feuert, neben ihm die Kampfgefährtin aus Alaska, gestählte Karibu-Jägerin und Hockey-Mom. Auf der Gegenseite eine Lichtgestalt mit dunkler Hautfarbe, ein blendend aussehender junger Demokrat in der Nachfolge J.F.Kennedys und Martin Luther Kings, der nicht müde wird, an das Gute im amerikanischen Menschen zu appellieren: „Yes, we can!“ In einer Nebenrolle sehen wir Joe Wurzelbacher alias Joe der Klempner.

Von Deutschland aus konnte ich mir nicht wirklich vorstellen, dass Obama gewinnen würde. Was war mit den angry white men in den Kleinstädten des bible belt, was mit den Rentnern in ihren mobile homes in Florida, was mit den Ranchern der Südstaaten, was mit den Hispanics — konnte ein Schwarzer tatsächlich Präsident der Vereinigten Staaten werden?

Die Antwort kam schon am ersten Tag der Informationswoche in Washington, die Jon Ebinger für die RIAS BERLIN KOMMISSION so gut organisiert hatte: Yes, he can! Keiner unserer Diskussionspartner setzte mehr auf McCain, noch nicht einmal mehr seine Leute aus dem eigenen Lager. Allein ein Republikaner aus dem Wahlkampf-Organisationskomitee bestand darauf, dass sein Spitzenkandidat noch eine Chance habe — reine Durchhalteparole, hängende Mundwinkel und Schultern sagten das Gegenteil. Uns Journalisten aus Deutschland legte er ein Thema besonders ans Herz: „Schreiben Sie nach der Wahl über den Zustand der Republikanischen Partei! Von der ist doch kaum noch etwas übrig!“

„Off the records“ sollten unsere Gespräche sein, und wohl deshalb ließ sich ein weiterer republikanischer Wahlkampfstratege zu erstaunlich offenen Worten hinreißen. Die Kampagne seiner Partei sei ohne ein wirkliches Programm gestartet, zürnte er, stattdessen habe man nur den Gegner attackiert. Mit ‘negative campaigning’ aber sei noch nie eine Wahl gewonnen worden. Die Kür Palins zur potenziellen Vizepräsidentin? Eine reine Verzweiflungstat! Mit einem moderaten Kandidaten hätte man in der Mitte nach Stimmen fischen können. Die forsche Sarah hingegen käme nur bei den Landsleuten an, die sowieso die Republikaner wählten. Den Rest habe McCain die Finanzkrise gegeben, die der amtierenden Bush-Regierung angelastet werde. Und, ach ja, die letzten Korruptionsskandale wären auch nicht gerade hilfreich gewesen.

Mehrere Medienbeobachter unterstrichen bei unseren Begegnungen, dies sei der erste Wahlkampf gewesen, der vor allem im Internet stattfand. Auf Youtube wurde jeder Patzer der Kandidaten verzeichnet und zig-1000fach angeklickt, Handyvideos transportierten unbedachte Aussagen, die nicht für die Öffentlichkeit bestimmt waren, die Fernsehsender stellten ihre besten satirischen Beiträge zum ernsten Thema online. Hits im Netz: Ein selbsternanntes Obamagirl, das sich mit einem sexy Song an ihr Idol ranschmiss, das Mantra „Yes, we can“ verarbeitet zu einem hypnotischen Sprechgesang und die Sarah-Palin-Parodien der unglaublichen Tina Fey. Nicht zu vergessen die Online-Aktivitäten der Parteien. Auch hier, hörten wir einhellig aus beiden Lagern, hatten die Demokraten die Nase vorne. Schneeball-Emails riefen zur Wahl auf, darunter auch ein Video, in den der Absender den Namen des/der Empfängers/in einsetzen konnte, der/die dann von Demonstranten beschimpft wird: „He, Du, Lieschen Müller, bist schuld daran, dass Obama nicht gewonnen hat! Genau Deine Stimme hat gefehlt!“

Den größten Einfluss hatte aber immer noch das Fernsehen. Zwei veritable Stars des TV-Wahlkampfs bekamen wir serviert und durften sie ausfragen. Da war Bob Schieffer, der weißhaarige Talkshow-Gastgeber von CBS, der eine Debatte zwischen den Kandidaten an der Uni in Long Island moderiert hatte. Obama habe, meinte er, die bessere Figur gemacht, da er sich auch durch aggressive Äußerungen nie provozieren ließ. Schieffers Bemühungen, ein wirkliches Gespräch zwischen den beiden in Gang zu bringen, schienen aber nicht richtig aufgegangen zu sein. Und wir trafen Mark Putnam, einen Spezialisten für Wahlspots. Er war der Macher des sogenannten „Obamamercials“, einer halbstündigen Werbesendung der Demokraten, die wenige Tage vor der Wahl für sehr teuer Geld zur besten Sendezeit auf den wichtigsten Kanälen lief und unter großem Zeitdruck entstanden war. Ausgepowert vom Wahnsinn der vergangenen Wochen saß Putnam vor uns. Die Musik in dem Film sei ein bisschen kitschig? Hey, wir Amerikaner sind eben sentimental!
Ich hatte das Glück, nach der RIAS-Woche noch zur Wahlberichterstattung in Washington bleiben zu können. Nachdem um elf Uhr nachts das Ergebnis feststand, war die Stadt ein einziger Autokorso. Vor dem Weißen Haus lagen sich die Menschen in den Armen und feierten: „A dream came true!“ Die RIAS Berlin Kommission hat uns die Möglichkeit gegeben, historische Tage mitzuerleben — dafür möchte ich mich bedanken!

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Iris Ollech, Phoenix, Bonn

Der künftige Präsident im Gepäck

„Was ist das denn?“ Der Zollbeamte am Frankfurter Flughafen zeigt auf meinen Gepäckwagen. Auf der Suche nach Schmuggelware zum günstigen Dollarkurs interessiert er sich für das paketpapierverhüllte Souvenir mit den Maßen eines Panorama-Flachbildschirmes. „Der künftige Präsident der Vereinigten Staaten,“ antworte ich. „Wollen Sie mich… ?“ — „Obama und McCain als Pappkameraden,“ komme ich ihm zuvor und beende meine RIAS-Reise ohne zolltechnische Komplikationen.

Bush im Ausverkauf

Für je 39,95 Dollar liegen die beiden politischen Kontrahenten weit unter der Kostengrenze für anmeldungspflichtige Waren. Ich hatte sie bei „Political Americana“ auf der Pennsylvania Avenue in Washington erstanden: lebensgroß und faltbar auf Panorama-Flachbildschirmgröße. Das Geschäft mit den politischen Devotionalien spiegelt wenige Tage vor der Wahl die politische Stimmung im Land wider. „Von Obama hab’ ich nur noch drei auf Lager, greifen Sie zu, der ist schnell weg“, rät der Verkäufer. Auch Obama-T-Shirts, Kappen, Tassen, Uhren, Wimpel gehen gut, McCain ist noch reichlich vorhanden. Bush gibt’s zum Schleuderpreis.

Der Fan des Feindes

Ein Republikaner im Obama-T-Shirt? So weit würde Mike Collins, ehemaliger Sprecher der „Grand Old Party“, vermutlich nicht gehen. Doch aus der Bewunderung für den politischen Gegner und dessen Wahlkampfstrategen macht er bei unserem Treffen keinen Hehl: „Diese Jungs sind gut, und die Obama-Kampagne ist brilliant.“ Genau eine Woche vor dem Wahltag, einem Dienstag, rechnet Mike Collins illusions- und schonungslos ab: „Die Republikanische Partei ist krank. Und wenn man krank ist, erbricht man. Also, Dienstag ist Kotztag.“ Für Leute wie Collins gibt es den passenden Anstecker: „Republicans for Obama“. Für einen Dollar im Internet zu bestellen, unter HYPERLINK „https://www.barackobama.com“ www.barackobama.com.

Mail von Obama

„Herzliche Grüße, Barack.“ Vor der Wahl flattert fast jeden Tag eine Obama-Nachricht ins elektronische Postfach, sobald man sich auf der Homepage registriert hat. Wer der Bitte, kurz vor der Wahl noch schnell dem Helfer-Heer beizutreten, nicht nachkommen kann, darf stattdessen gerne spenden. Ein Klick auf den roten „Donate now“-Knopf genügt. Obamas Wahlkampfstab setzt gezielt auf verschiedene Online-Gemeinschaften. Bei Face Book verrät Obama seine Vorliebe für Basketball, Bach und Bob Dylan. Er ist das Idol der Netzgemeinde, weit vor John McCain. Was machen die Republikaner falsch? Mike Turk, der 2004 die Bush-Cheney-Internet-Kampagne leitete, meint, die Konservativen hätten den Trend verschlafen. Unzensierte Videobotschaften der Fans auf McCains Website, so wie bei Obama? Undenkbar. Die Republikaner“, so Turk, „wollen die Inhalte kontrollieren. Aber wenn McCain die Wahl verliert, ist es höchste Zeit, den Internetauftritt grundlegend zu überarbeiten.“ Nur wer das Web geschickt nutze, habe Chancen aufs Weiße Haus, meint auch Alan Rosenblatt vom Center of American Progress: „Die Technologie setzt neue Maßstäbe und bestimmt, wer wählen geht“.

Ein Hauch von Hollywood

Prächtige Bilder, liebliche Klänge und ein einnehmender Hauptdarsteller, ein perfekt inszenierter Film. Der Regisseur, Mark Putnam, versteht sein Handwerk. Doch statt eines Kinoschmachters hat er im Auftrag des Obama-Teams einen „Infomercial“ produziert, einen Wahlspot in Überlänge, der informieren und unterhalten soll. Der Halbstünder läuft zur besten Sendezeit bei den großen amerikanischen Networks. Er stellt das Programm des Kandidaten vor, abwechselnd illustriert mit Szenen aus dem Alltag von Durchschnittsamerikanern, Bildern aus Obamas Leben und Redeausschnitten. „Mit Fernsehen erreicht man die Wähler noch immer am besten“, meint Mark Putnam. Das Budget für die Hochglanzproduktion verrät er nicht, es heißt, es seien mehrere Millionen Dollar gewesen.

Schiedsrichter der letzten Schlacht

Es geht auch mit weniger. Bob Schieffer zum Beispiel braucht kaum mehr als drei Stühle, einen Tisch und ein paar Kameras, als er am 15. Oktober die letzte der drei TV-Debatten der Präsidentschaftskandidaten moderiert. Seit fast 40 Jahren ist der CBS-Mann eines der bekanntesten TV-Gesichter Amerikas. Wir treffen ihn im schummerigen, kühlen Studio, in dem jeden Sonntag seine Sendung „Face the Nation“ aufgezeichnet wird. Wie waren die beiden an jenem Tag, wie hat er die Kontrahenten bei abgeschalteten Kameras erlebt? Er antwortet so, wie er die Debatte moderiert hat, ausgewogen und diplomatisch. Er habe Respekt vor McCain, den er lange kennt, sei beeindruckt von der Gelassenheit Obamas und habe sich an die Debatte zwischen John F. Kennedy und Richard Nixon erinnert gefühlt. Erst ganz am Ende unseres Treffens wagt sich der Gentleman des amerikanischen Journalismus vorsichtig aus der Deckung: „Wenn Obama gewinnt, ist das eine Botschaft an den Rest der Welt.“

Zauderer an der Zauberwand

Welcher Sender wird zuerst den Sieger verkünden? Wann wird die rote Lampe beim Nachrichtensender CNN aufleuchten, die die „Breaking News“ des Wahlabends ankündigt? Einen Vorgeschmack bekommt man im Konferenzraum des Washingtoner Studios. Alle paar Minuten blinkt die Leuchte. Diesmal allerdings nur wegen unerfreulicher Börsennachrichten. Vor 18 Uhr Ostküstenzeit, so CNN-Redakteur Mark Preston, wird CNN am 04. November auf keinen Fall einen Trend veröffentlichen. „Da werden wir zurückhaltender sein als die meisten anderen Sender“. Denn nichts wäre schlimmer als der Nachrichten-GAU, den falschen Sieger zu verkünden. Obwohl eine Woche vor der Wahl auf der „Magic Wall“, dem gigantischen Touchscreen und multimedialen Spielzeug der CNN-Wahlkampf-Moderatoren, fast alles auf einen Sieger hindeutet: den Senator von Illinois — Barack Obama.

Der Präsident auf dem Frachtband

Dulles Airport, Washington. Den Kopf voller Eindrücke vieler interessanter Gespräche mit Experten und Kollegen, Unterhaltungen mit Taxifahrern, Kellnern, Busnachbarn, Obama-Fans und McCain-Verehrern und der täglichen Ration gedruckter und flimmernder Wahlberichterstattung, stehe ich am Frachtband für Sperrgepäck. „Please handle with care“, sage ich, als ich das paketpapierverhüllte Souvenir in Panorama-Flachbildschirmgröße abgebe — damit die Pappkameraden wohlbehalten in Deutschland ankommen und die RIAS-Reise unvergesslich bleibt.

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Beate Philipp, ARD-Morgenmagazin, Köln

„Obama for your Mama, right!“ Der wahlwerbende Afroamerikaner vor dem Starbucks Café in der sechzehnten Straße von Washington D.C. wirkt beseelt. Kaum einen Fußgänger lässt er an diesem sonnigen Morgen passieren, ohne ihm ein Flugblatt mit dem Konterfei des schwarzen Präsidentschaftskandidaten aufzudrängen. Als ob es die vorgeschriebene Fahrkarte in eine bessere Zukunft wäre, ohne die niemand seinen Weg auf amerikanischem Pflaster fortsetzten darf.

Nicht mal ich, die gar nicht wählen darf. Also lasse auch ich mir einen Infozettel in die Hand drücken und mache mich mit Kaffeebecher und etwas Verwunderung auf den Weg zu unserem ersten RIAS-Treffen. Ob der engagierte Wahlhelfer tatsächlich Grund dafür hat, schon jetzt so siegessicher zu sein? Klar, alle Umfragewerte sprechen für einen Sieg des ersten farbigen Präsidentschaftskandidaten in der Geschichte der USA, aber ist das Land tatsächlich dafür bereit? Ich bin gespannt. Noch gut eine Woche sind es bis zur Gewissheit. Und ich freue mich, die Zeit bis dahin nicht an meinem Schreibtisch in Köln zu sitzen, sondern hier sein zu dürfen: In der amerikanischen Hauptstadt, inmitten von Journalisten, die das gleiche beschäftigt wie mich.

Die Wähler: Königsmacher und Quotenbringer

Nach dem Kennenlernen der Gruppe (sehr sympathisch) und des Programms (vielversprechend) geht es zu unserem ersten Termin. Wir treffen Bill Beaman, den Herausgeber des „Politics Magazine“ und seine Kollegin Christie Findlay in Arlington, Virginia. Für beide ist es die erste „You-tube-election“; eine Wahl also, die insbesondere bei den Erst- und Jungwählern im Internet ausgetragen wird. Dieses Medium weiß Obama offenbar viel besser für sich zu nutzen als sein Herausforderer McCain. Fraglich aber bleibt, ob sich der Online-Enthusiasmus der jungen Wähler tatsächlich in eine handfeste Stimmabgabe am 4. November übertragen lässt.

Das Interesse an der Wahl ist auch das bei CNN das große Thema, allerdings natürlich aus ganz eigennützigem Interesse. Den Fernsehmachern bei Amerikas größtem Kabel-Nachrichtensender geht es in erster Linie um die Quote am Wahlabend. Was nur tun, wenn der Sieger schon so früh am Abend feststeht, dass sich keine große „Suspense“ in der Sendung aufbauen lässt? Da ich für die Ergebnisberichterstattung der ARD für die Wahl in Washington bleiben darf, interessiert mich vor allem der Umgang der amerikanischen Kollegen mit den Prognosen. Anders als bei uns in Deutschland, wo mit Infratest dimap, der Forschungsgruppe Wahlen und häufig auch Forsa gleich mehrere Institute um die besten Zahlen an Wahlabenden kämpfen, gibt es in den USA bei den „Exit Polls“ so gut wie keinen Wettbewerb. Ein Umfrageinstitut beliefert alle Networks, die Lizenzen für den Ergebnisdienst erworben haben. Da den meisten das Florida-Fiasko von 2000 noch immer tief in den Knochen steckt, geht Sicherheit vor Schnelligkeit. Die Sender haben eigene Meinungsforscher, die die eingehenden Daten bewerten und einen Staat erst dann einem Gewinner zuschlagen, wenn die Grundlage sicher genug erscheint. Aber dieses Mal, so glaubt der Senior Political Editor von CNN, Mark Preston, könnte die Lage mit Obamas prognostizierter Führung schon sehr früh eindeutig sein. Für eine spannende Wahlnacht aus Fernsehsicht wohl der Supergau.

Die Republikaner: „Eine kranke Partei, die sich übergeben muss“

Die Wahl schon früh gelaufen? Davon will Dave Avella von GOPAC nichts wissen. GOPAC steht für „Preparing a New Generation of Republicans to Lead America“ und der große Mann im schlabbrigen Anzug glaubt noch immer fest daran: Der nächste Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika heißt John McCain. Auf unsere nachbohrenden Fragen wirkt Avella schnell gereizt. Fast jeden Satz beginnt er mit: „Wenn John McCain Präsident wird…,“ und dieser Satz sei bitteschön nicht konditional, sondern temporal zu verstehen.

Ganz anders dagegen sein Parteifreund Mike Collins, der uns mit seiner unkonventionellen Art wenig später erheitert. Der ehemalige Kommunikationsdirektor des „Republican National Committee“ ist durch und durch Republikaner. Für die Partei, sagt er, würde er sein letztes Hemd geben. Bis zuletzt habe er für sie gekämpft und persönliche Entbehrungen hingenommen: „Ich habe Nächte in muffigen Hotelzimmern verbracht, in denen die Kakerlaken so groß waren, dass man mit ihnen Karten spielen konnte.“ Doch am 4. November würde dieser Einsatz nicht belohnt werden, dafür gäbe es keine Hoffnung mehr. Spätestens seit der „October Surprise“, die als Finanzkrise über das Land und schließlich die Welt hereinbrach, sei für ihn klar gewesen, dass dieses Mal die Demokraten das Rennen machen würden. „Die republikanische Partei ist krank. Jetzt muss sie sich erstmal übergeben, damit sie sich neu ordnen kann.“

Die Demokraten: Zwischen Stärke und Übermut

Einer der Programm-Höhepunkte ist das Treffen mit Bob Schieffer von CBS-News. Der weißhaarige Chefkorrespondent in Washington war der Moderator der dritten Fernsehdebatte zwischen John McCain und Barack Obama. Eindringlich schildert er, wie er erlebt habe, was sich beide Kandidaten nebeneinander sitzend vor, während und nach dem Duell zu sagen gehabt hätten: Nämlich nichts. Wir erhalten eine Landkarte der USA mit den aktuellen gemittelten Umfrage-Ergebnissen für die einzelnen Staaten. Mehr blau als rot. Auch er meint: Obama wird den Sieg nach Hause fahren. Für Schieffer bricht damit eine neue Ära an. Das politische Interesse von Amerikas Fernsehzuschauern hätte sich um ein Vielfaches erhöht. Und davon wolle er jetzt Teil sein. Adieu Ruhestand, den der Texaner mit seinen 71 Jahren eigentlich nach der Wahl antreten wollte. Es ist ein kluges, rastloses Journalistenleben, das wir hier kennenlernen, und vor dem ich innerlich den Hut ziehe.

Nach diesem Termin treffen wir uns mit Teilen der RIAS-Gruppe im Fernsehzimmer unseres Hotels. Barack Obama hat auf mehreren Fernsehkanälen 30 Minuten Werbezeit gekauft und einen Film produzieren lassen, mit dem er vor allem die noch unentschlossenen Wähler von sich überzeugen will. Wir sehen den Kandidaten am holzgetäfelten Schreibtisch vor der amerikanischen Flagge stehen, als sei er schon ins Oval Office eingezogen. Immer wieder zählt er auf, was er als Präsident alles tun würde. Dazwischen viel Emotion. Es werden Geschichten von Menschen erzählt, die es schwer haben — Weiße, Schwarze, Hispanics, Alte und Junge, natürlich vor allem in den besonders umkämpften Swing-States. Zu ihnen setzt sich Obama an den Küchentisch, zeigt sich als einer, der zuhört, mitfühlt, Lösungen hat. „Das ist die Story von Amerika“, sagt Obama schließlich. Aber natürlich ist es auch eine Geschichte von seinem eigenen fulminanten Aufstieg. Am nächsten Tag hören wir Amerikaner, die sich darüber beschweren, er hätte einfach zu viel Geld für die Kampagne ausgegeben. Vielleicht ist es also auch eine Demonstration des Übermuts?

Im Laufe der Woche jedenfalls scheint es kaum noch Zweifler zu geben. Unisono glauben unsere Gesprächspartner, dass Barack Obama der 44. Präsident der USA werden wird, auch Darrell West vom Brookings Institut. Seit dem desaströsen Krisenmanagement bei Hurrikan Katrina im Jahr 2005 sei es für den Amtsinhaber Bush nur noch bergab gegangen, einen „third term“ der Republikaner werde es nicht geben. Wie also wird sich die Partei im Fall einer Niederlage neu justieren? Für West besteht die Antwort aus zwei Worten: Sarah Palin. Direkt nach der Wahl werde die Partei beginnen, die jetzige Vizekandidatin als Präsidentschaftsbewerberin für 2012 aufzubauen, Geld in sie zu pumpen und sie mit ihrem neu erworbenen Reisepass zu Meetings mit Merkel und Co durch die Welt zu schicken.

Die Medienberater: Überwindung der „Wohnzimmer-Hürde“

Bevor sich die Woche ihrem Ende zuneigt, treffen wir als letzten Referenten den demokratischen Medien-Strategen Mark Putnam. Putnam, der schon seit Jahren Fernseh-Wahlwerbespots für Senatoren und andere Politiker macht, ist eine echte Überraschung: Er war derjenige, der den 30-minütigen Fernsehwerbemarathon für Obama realisiert hat. Ein junger, unaufgeregter Typ, der selbst ein bisschen überrascht wirkt, dass er den Auftrag für dieses Mammut-Projekt bekommen hat. Gerade mal zweieinhalb Wochen Zeit hatte er für Idee, Konzept und Umsetzung des Films. Wie viel Geld das alles gekostet hat, will er uns nicht verraten. Sein Ziel jedenfalls sei es gewesen, nicht nur bis zur Wahl zu blicken, sondern dahinter. Er wollte die Zuschauer die „Wohnzimmer-Hürde“ überwinden lassen und ihnen zeigen: So wird es aussehen, wenn ihr diesen Mann zum Präsidenten wählt und ihn vier Jahre lang via Fernsehen in Eure Wohnungen lasst.

Es waren solche Einblicke und Diskussionen, die mich hervorragend auf die Berichterstattung am Wahlabend eingestimmt haben. Auch die Gespräche mit den Teilnehmern der RIAS-Gruppe und die vielen lustigen Abende abseits des Programms haben diese Woche für mich zu einer ganz besonderen Zeit werden lassen. Um es kurz zu machen: Es war eine großartige Reise, an die ich noch lange denken werde.

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Dr. Marcus Pindur, Deutschlandradio Kultur, Berlin

15 Termine an 5 Tagen — wir konnten aus dem Vollen schöpfen, das kann man nicht anders sagen. Und das in der spannendsten Woche seit langem in Washington: Die Woche vor den Präsidentschaftswahlen 2008. Sehr gut war die Vielfalt an Meinungen und Institutionen, die wir präsentiert bekamen, ein facettenreiches Bild des politischen Washington in der Rekordzeit von einer Woche. Das Meinungs- und Informationsangebot reichte vom republikanischen political action committee GOPAC bis zur liberalen Forschungseinrichtung „Brookings Institution“. Auch die Mischung stimmte: Akademiker, Funktionäre aus Politik und Wirtschaft, Lobbyisten, Journalisten.

Interessant fand ich, dass die weitaus meisten bei der grundsätzlichen Einschätzung des Wahlkampfes übereinstimmten: polarisiert sei er, der Ausgang schwer vorhersehbar, von McCain erratisch geführt, von Obama fast fehlerlos nach den Regeln des politischen Lehrbuches. Eine historische Neuerung: Ein Kandidat (kein Amtsinhaber), der sich frühzeitig und erfolgreich aus dem staatlichen Wahlkampffinanzierungssystem verabschiedet hat. Das wird die Regeln dauerhaft verändern, mit unabsehbaren Folgen für die amerikanische Wahlkampfkultur. Historisch ist auch die Geschwindigkeit, mit der der Kandidat Obama von „ganz außen links“ (zu Beginn der Vorwahlen) am Ende des Wahlkampfes in die Mitte gesteuert ist — besonders augenfällig bei seinen außenpolitischen Positionen. Dieses Phänomen ist zwar in jedem U.S.-Wahlkampf zu beobachten (erst in den Vorwahlen die eigene Basis zufriedenstellen, dann im Hauptwahlkampf die Mitte gewinnen), aber die Strecke, die Obama zurücklegen musste und tatsächlich zurücklegte, war weiter als die irgendeines Kandidaten seit George McGovern — und diesem gelang es bekanntlich nicht. Und dieses kluge, klug ausgeführte, und gegenüber seiner linken Basis absolut skrupellose Manöver war in der letzten Woche vor der Wahl am besten zu beobachten. Die Obama-´08-Kampagne wird vielen folgenden Kampagnen als Lehrstück dienen.

Der Wahlkampf 2008 war in vielerlei Hinsicht historisch: Erstmals ein schwarzer Kandidat für eine der beiden großen Parteien im Rennen, eine unglaubliche Menge Geldes (Obama hat insgesamt 750 Millionen Dollar gesammelt), eine hohe politische Polarisierung, eine zuvor in diesem Ausmaß nicht gekannte Einbindung des Internets — manche Gesprächspartner sprachen von der ersten YouTube election.

Und deshalb war es großartig, diesen Wahlkampf mitzuerleben, auch für jemanden, der bereits in Washington gearbeitet hat. Ich bin der RIAS-Kommission sehr dankbar für diese Gelegenheit, und Jon Ebinger sehr dankbar für seine großartige Betreuung und umsichtige Planung.

Mein persönliches Highlight war die Begegnung mit Bob Schieffer von CBS — seine Sendung „Meet the Press“ ist legendär, und Bob mittlerweile auch.

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Annette Riedel, Deutschlandradio Kultur, Berlin

Es ist gar nicht so einfach, einen 2-seitigen Erfahrungsbericht über das Senior Editors Washington Program vor den Präsidentenwahlen im Herbst 2008 zu schreiben, denn diese 5 Tage lassen sich eigentlich in 3 Worten zusammenfassen: erkenntnisreich, interessant — wunderbar!

Beginnend von dem extrem gut gelegenen angenehmen Hotel, über unseren unermüdlichen Jon Ebinger vom RTNDF, über ausnahmslos alle Programmpunkte, die er für uns gestöpselt hatte, bis hin zur netten Teilnehmer-Truppe stimmte eigentlich alles. Im Grunde gab es nur einen kleinen Schönheitsfehler: Dadurch, dass das politische DC in der Woche vor den Wahlen mehr oder weniger zu Wahlkampfzwecken in die eigenen Wahlkreise oder in die ‚Battle Grounds’ ausgeflogen war, gab es an den Abenden keine Vorträge, Diskussionen oder ähnliche Veranstaltungen, die zu besuchen sich angeboten hätte (nicht, dass wir die Zeit nicht freudvoll privat zu nutzen vermocht hätten!).

Zu einigen Programmpunkten im Einzelnen:

Mark Preston, Senior Political Eidtor, CNN
Es war — genau wie bei der BBC einige Tage darauf — sehr aufschlussreich zu hören, wie die TV-Sender mit den Ergebnissen in der Wahlnacht umgehen, wenn sie nach Schließung der jeweiligen Wahllokale beginnen einzugehen. Für einige von uns, die wir für unsere ‚Heimatsender’ die Wahlnacht abzudecken hatten, brachte das einen echten Erkenntniswert dahin gehend, worauf wir uns, wann einzurichten hatten.

Dave Avella, GOPAC
Auch wenn der Mann wenig mehr als Floskeln von sich gegeben hat und uns den Eindruck vermittelte, dass er das Hintergrundgespräch mit uns mit einer Wahlkundgebung verwechselte, war auch dieses Gespräch sehr interessant, weil wir mit Dave Avella einen der wenigen ‚echten’, 100%igen McCain-Anhänger der Tage in DC trafen.

Bruce Josten, Excutive Vice President U.S. Chamber of Commerce
Mit ihm bekamen wir eine — sehr beeindruckende — Stimme der Wirtschaft zu hören. Von dem Gehörten ließ sich ganz gut ein Bild machen, wo von dieser Seite die Widerstände, etwa bei einer veränderten Klimapolitik der neuen U.S.-Regierung, zu erwaren sein dürften.

Mike Collins, Former Communications Director RNC
Es war sehr spannend, von einem Republikaner etwas in großer Offenheit über die Fehler des McCain-Wahlkampf zu hören.

Treffen mit Mitgliedern der National Academies of Science
Das Thema war hier die zu erwarten Politik einer neuen Regierung in Sachen Climate Change. Die Schwächen der ersten Hälfte des Treffens (man ging offenbar fälschlicher Weise davon aus, dass wir erst mal einer Einführung zum wissenschaftlichen Kenntnisstand beim Thema Klimaveränderung an sich bedurften) wurden durch die darauf folgende angeregte Diskussion über die unterschiedlichen Herangehensweisen auf beiden Seiten des Atlantiks, um den Ausstoß von klimarelevanten Gasen zu begrenzen, wettgemacht.

Bob Schieffer, CBS news
Mit dem ‚Grand old Man’ des Qualitäts-TV-Journalismus in seinem Studio über die Kandidaten-TV-Debatten plaudern zu können, war sicher eines der Highlights der Woche.

Alan Rosenblatt, Center for American Progress Action Fund
Diese Begegnung habe ich zu einem Interview über die Bedeutung des Online-Wahlkampfs nutzen können, für das ich in einer bearbeiteten Form sowohl im Dlf als auch im Deutschlandradio Kultur dankbare Abnahme fand. Es war ausgesprochen aufschlussreich.

Kojo Nnamdi Show von WAMU-AM radio
Nicht nur entwickelte sich mit der Producerin der Show ein angeregtes Gespräch über die Arbeit und die Rolle von NPR und assoziierter Programme, sondern es führte auch dazu, dass ich am Tag nach der Wahl in der Show als selbst ‚German media analyst’ in der Sendung von Kojo einvernommen wurde und zwar zur ‚deutschen’ Sicht auf Wahlkampf und Wahlen.

Mark Putnam, Democratic Media Strategist
Bis zuletzt stand aus, ob dieser Termin klappen würde. Er klappte und wir bekamen zum krönenden Abschluss der Woche exklusive Einblicke über die TV-Wahlwerbung der Demokraten (mit Beispielen) und vor allem über das halbstündige ‚Infomercial’ Obamas, das unter der Leitung von Mark entstanden war.

Sehr angenehm an dem gesamten Programm war, dass es, wenngleich dicht gesteckt, doch ausreichend Zeit gab, um auch noch eigene Verabredungen der professionellen Art einplanen zu können, was neben mir auch die meisten der Gruppe auch entsprechend nutzten. Zusammen fassend kann ich nur sagen: Hätte ich in 4 Jahren erneut die Chance zu einem solchen Programm vor den Wahlen, ich wäre sofort wieder dabei!

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Birgit Schmeitzner, Bayerischer Rundfunk, München

Wir waren beim Endspurt Obama — McCain dabei!

Amy Winehouse, Michael Phelps und mitten drin diverse Obamas und McCains — so verkleidet feierte die Jugend in Washington Halloween in diesem Jahr. Wobei die politischen Präferenzen klar zu erkennen waren: Obama der schwarze Held, McCain der Loser. Ein junger Mann mit McCain-Maske zog gar eine Sauerstoff-Flasche hinter sich her: Eine Frischluft-Kur für den bisher ältesten Präsidentschaftskandidaten in der U.S.-Geschichte — Sinnbild für ein von vornherein aussichtsloses Rennen, eine Vorwegnahme des späteren Wahl-Ergebnisses.

Die „Obamania“ hatte zu diesem Zeitpunkt auch unsere RIAS-Gruppe schon erfasst. Wir trafen eine von Jon Ebinger handverlesene Schar an Experten: Wahlforscher, Lobbyisten, Think-Tank-Vertreter und Wahlstrategen (vorwiegend aus dem republikanischen Lager — die Demokraten hatten ob der guten Umfragewerte wenig Anlass, sich mit einer Gruppe deutscher Journalisten abzugeben). Und dabei kristallisierte sich schnell heraus: „Change“, der Wahlslogan von Barack Obama, zieht bei den Amerikanern, trifft den Nerv der Zeit. Die Finanzkrise, die „October Surprise“, tat ihr Übriges: Menschen, die ihr Eigenheim verlieren, deren Altersversorgung von plötzlich wertlosen Aktienfonds abhängen, wollen eben keinen Buddy des unbeliebten Präsidenten George W. Bush im Weißen Haus — wollen eben kein Merkelsches „weiter so“. Dann schon lieber einen Mann, der eloquent und mit viel Gespür für die Gemütslage der Amerikaner Abhilfe verspricht. Und sei dieser Mann noch so schwarz…

Obwohl wir immer wieder auf die Einschätzung trafen: hieße Barack Hussein Obama zum Beispiel Barry White (und hätte er die entsprechende Hautfarbe), wäre sein Vorsprung in den Wählerumfragen deutlich höher gewesen. Das Wort Bradley-Effekt zog sich denn auch durch unsere Gespräche: benannt nach dem schwarzen Bürgermeister von Los Angeles mit Gouverneurs-Ambitionen, der 1982 in den Umfragen haushoch führte — um am Wahltag dann doch zu verlieren. Rassen-Ressentiments eben. Eine Unsicherheit, die den U.S.-Demokraten nicht zu schaffen machte. Ausgestattet mit einem schier unerschöpflichen Geldreservoir aus privaten Spenden (Obama hatte sich aus der öffentlichen Wahlkampf-Finanzierung ausgeklinkt), konnten sie gerade in den battlegrounds, also in den umkämpften Bundesstaaten flächendeckend Wahlkampf betreiben und die Mannschaft von John McCain ausstechen. Fast hatte es den Anschein, dass die Demokraten gar nicht wussten, wohin mit dem vielen Geld. Ein paar Millionen Dollar waren da schon übrig für ein „Obamercial“ (Obama-Commercial) zur besten Sendezeit, zeitgleich auf sieben TV-Sendern und Netzwerken ausgestrahlt. Eine halbe Stunde für einen Doku-Wahlspot, der wohl weniger dafür gedacht war, unentschlossene Wähler zu überzeugen als den Obama-Anhängern zu zeigen: Ihr setzt auf den Richtigen! Und auch wir, die wir den Spot fast geschlossen im Fernsehraum des Hotels ansahen, ließen uns von der perfekten Vorstellung in den Bann ziehen. (Ein wenig Magengrimmen inklusive, das war schon sehr Hollywood, manche Momente hatten fast etwas Rattenfängerisches…)

Der Rest ist Geschichte: Der Wahltag kam, und als CNN gegen halb drei Uhr morgens unserer Zeit die ersten Hochrechnungen aus Ohio bekannt gab und Obama bei 68 Prozent lag, war mir klar: das war es, Obama hat gewonnen. Wirklich sagen durften wir es freilich noch nicht — auch das hatte uns die RIAS-Woche in Washington gelehrt. Niemand wollte die Peinlichkeit aus dem Jahr 2000 wiederholen, als die Medien den Demokraten Al Gore schon zum Präsidenten ausriefen — um dann wieder zurückrudern zu müssen. Und so ging erst um kurz nach fünf Uhr früh die Nachricht vom Sieg Barack Obamas on air.

Übrigens: Am Tag nach Halloween hatte eine Washingtoner Zeitung Obama und McCain Arm einträchtig nebeneinander auf der Titelseite. Freilich nicht die echten Politiker sondern Halloween-Feiernde mit entsprechenden Masken, die Daumen nach oben gereckt. Die Headline: fright night, capital style. Ob Obama dem Schrecken ein Ende setzen kann, das muss er allerdings erst noch beweisen.

P.S. Tausend Dank an die RIAS-Kommission und deren U.S.-Partner RTNDF. Jon Ebinger hat ein Programm mit hochkarätigen Gesprächspartnern zusammengestellt, jeder auf seine Weise informativ. (Ein Highlight sicherlich: Bob Schieffer von CBS News.) Eine wirklich perfekte Vorbereitung für meine Wahlsendung im Bayerischen Rundfunk!

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Ute Schüßler-Vera, Norddeutscher Rundfunk, Hamburg

„Change has come to America” — das sagt Barack Obama vor seinen 200-tausend Anhängern in der Wahlnacht. Jesse Jackson weint vor Rührung — und überall im Land feiern die Menschen auf den Straßen. Eine Frau aus einem Getränkeladen sagt: „Unser Champagner ist komplett ausverkauft — es ist wie Sylvester.“ Zeit für Veränderung — Zeit für gute Vorsätze.

Leider war ich nicht mehr in den USA in dieser historischen Nacht — aber der Hunger nach Wandel, die Hoffnung, die die Menschen dort in Obama setzen, das alles war auch schon in der Woche zuvor überall zu spüren.

Ganz egal, ob wir auf Wahlexperten trafen, die den Demokraten nahe standen oder den Republikanern — eigentlich waren sich alle einig: Obama wird gewinnen — die Frage ist nur noch, wie hoch. Alle? Nicht ganz: Mark Preston von CNN meint, es könne da durchaus noch eine Überraschung geben — vielleicht fürchtet er sich auch ein wenig vor einer langweiligen Wahlnacht…. Und dann ist da noch Dave Avella von GOPAC. Eigentlich der einzige Gesprächspartner, der bei uns allen den Eindruck hinterlässt, dass er nicht meint, was er sagt (McCain wird es noch schaffen). Er spielt seinen Optimismus so schlecht, dass ich mich wundere: Schließlich bietet GOPAC Kurse für republikanische Kandidaten an, damit sie sich und ihre Botschaften dem Wähler nahe bringen können.

Vieles, was wir in dieser Woche gehört haben, das hat sich auch am Wahltag bestätigt: Das, was die Wahlkampagne von Obama ausmacht (neben dem vielen Geld) ist Motivation: Er bringt die Wähler an die Urnen. Er hat tausende freiwilliger Helfer dafür gewonnen, für ihn von Tür zu Tür zu gehen — unermüdlich.

Diese Motivation, sie zeigt sich nicht nur am Ergebnis, sie spiegelt sich auch in den Gesichtern wieder, auf der Straße.

Es ist schon erstaunlich für uns Deutsche: Da steckt dieses Land mitten in der schlimmsten Wirtschaftskrise, sind in einen Krieg verwickelten, den fast niemand mehr mit trägt. Korrupte Politiker, raffgierige Investoren und der unglaublich unbeliebter Präsident bestimmen das Bild in der Öffentlichkeit. Und was passiert: Jede Menge Neuwähler, besonders unter den Jugendlichen können gewonnen werden — das Land fiebert einer neuen Hoffnung entgegen. Bei uns wäre die Wahlbeteiligung gesunken — und höchstens die Zahl der Protestwähler gestiegen.

Aber uns Deutschen werden auch so ein paar Illusionen über Obama genommen, als wir von meeting zu meeting gehen: Aus europäischer Sicht wird er nicht so groß sein, der Wandel:

Nach und nach werden die Truppen aus dem Irak abgezogen, aber dann gleich nach Afghanistan geschickt. Dort sollen mehr Soldaten hin — und, wenn es nach Obama geht, auch Deutsche.

Wenn es um die Lösung der Finanzkrise geht, dann wird immer noch gelten „America first“ — und vielleicht müssen wir uns sogar auf mehr Protektionismus beim Handel einstellen.

Und schließlich der Umweltschutz: Auch wenn die neue Regierung mehr gegen den Klimawandel tun will — ob endlich die internationalen Abkommen unterzeichnet werden, das ist wohl mehr als fraglich.

Die Klima-Experten der Regierung sagen uns noch einmal ganz deutlich, was wir auch schon bei allen anderen Gesprächen unterschwellig gespürt haben: Amerikaner neigen nicht dazu, sich Ratschläge bei anderen Nationen zu holen.

Eine weitere Lektion erhalten wir in Sachen Journalismus: Schon vor der Reise hatte ich mich darüber gewundert, dass sich Tageszeitungen offen zu einem der beiden Kandidaten bekennen — wie passt das zu den Grundsätzen des politischen Journalismus? Unabhängig und unparteiisch?? Dass hier die Uhren ganz anders ticken, beweist uns das „infomercial“ — eine Mischung aus Dokumentarfilm und Werbespot über Obama. Ein handwerklich wirklich toll gemachter Propagandafilm (unter anderem war es aus diesem Grund für mich eines der Highlights dieses Programms, dass wir den Macher Mark Putnam treffen durften).
Aber ich denke, dass das U.S.-amerikanische Fernsehen einen gefährlichen Weg beschreitet — eine halbe Stunde Werbezeit an einen Präsidentschaftskandidaten zu verkaufen, das tritt alle Grundsätze von unabhängiger Berichterstattung mit Füßen. Polit-Werbung als Dokumentarfilm zu verpacken und journalistische Recherche nachzuahmen, das bedeutet in meinen Augen unlautere, unterschwellige Beeinflussung von Wählern.

Aber es geht noch schlimmer — denn in den USA sind ja auch negative Kampagnen erlaubt. Und als ich die im dortigen Fernsehen sehe, da fühle ich mich irgendwie ganz unangenehm an Propaganda-Methoden des Nationalsozialismus erinnert, eiskalt läuft es mir den Rücken herunter: Obama als Moslem verunglimpft, mit finsteren Gestalten in Verbindung gebracht, dunkle Bilder und düstere, bedrohliche Musik — eine beschwörende Stimme warnt vor dem „gefährlichen“ Kandidaten, „zu riskant für Amerika.“

Aber auch wenn uns die Wahlexperten immer wieder erklären, dass Negativ-Kampagnen eben funktionieren und deswegen auch reichlich benutzt werden — mich hat es getröstet, zu sehen, dass McCain dabei nicht wohl in seiner Haut war. In einem Portrait des deutschen Fernsehens über McCain hört man einen seiner Anhänger auf der Bühne, der Obama als einen Terroristen bezeichnet. Und MCCain sagt: Nein, das ist er nicht. Das ist nicht richtig.
Und ich ahne zum ersten Mal, warum Bob Schieffer gesagt hat, McCain sei ein wunderbarer Mensch. Und dann sehe ich es noch einmal: In der Wahlnacht — in der Art und Weise, wie er Obama gratuliert — und alle seine Wähler und Parteifreunde auffordert, den neuen Präsidenten zu unterstützen.

Der Berg von Problemen, vor dem Obama jetzt steht, ist riesig — wenn er ihn Stein für Stein wegräumt, dann kann er auf die Unterstützung von vielen Amerikanern zählen — auch auf die von einigen Republikanern.

Ob das so bleibt, ob diese euphorische Stimmung tragen wird, das kann niemand vorhersagen.

Hoffen wir auf den Wandel — gemeinsam mit den Amerikanern.

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Leon Stebe, Rundfunk Berlin-Brandenburg, Berlin

„Obama Makes History” — diese Schlagzeile einer Sonderausgabe der Washington Post vom 5. November 2008, die ich mir zu Hause in Berlin inzwischen eingerahmt habe, erinnert mich immer wieder an DIE historische Wahlnacht des Jahres. Die Zeitung erinnert mich aber auch an das exzellente RIAS-Programm im Vorfeld dieser bemerkenswerten Präsidentschaftswahl in den USA. Da ich zu dieser Zeit als Verstärkung für das Hörfunkstudio des Hessischen Rundfunks in Washington gearbeitet habe, war das RIAS Programm für mich die ideale Vorbereitung auf den Wahltag — sowohl in professioneller als auch in atmosphärischer Hinsicht. Es war die perfekte Einstimmung auf ein politisches Großereignis, dessen journalistische Begleitung ein unvergessliches Erlebnis bleibt.

Jon Ebinger hat uns am ersten Tag mit einem „Introductory Breakfast“ begrüßt und das Programm der Woche vorgestellt. Von Anfang an war mir klar: dieses Programm ist gut und straff durchorganisiert, lässt gleichzeitig aber auch ausreichend Freiraum für persönliche Bedürfnisse oder berufliche Verpflichtungen. Unsere ersten Fragen der Woche konnten wir an Christie Findlay und Bill Beaman, den Machern des „Politics Magazine“, richten. Beide gaben uns interessante Einblicke in die Kampagnenführung der Präsidentschaftskandidaten — überhaupt in die amerikanische Industrie der politischen Kommunikation.

Nach einem Mittagsessen war dann das Thema Wahlforschung, genauer Wählerforschung, an der Reihe. An der American University trafen wir Curtis Gans, den Director u.a. des Center for The Study of The American Electorate. Ein sehr lehrreicher Termin. Mr. Gans machte uns mit den Unsicherheiten der Wählerforschung vertraut: Wie groß sind die Ressentiments in der weißen Arbeiterschicht gegen einen schwarzen Kandidaten tatsächlich? Werden sich junge Leute wirklich so stark an dieser Wahl beteiligen — wie erwartet? Interessant war der Befund von Curtis Gans, dass vieles an dieser Wahl neu ist, so dass manche Vorhersagen gar nicht auf Grundlage bisheriger Erfahrungen zu treffen sind. Diese nüchterne Analyse relativierte einige hitzige Debatten in den U.S.-Medien. Aus den Erkenntnissen dieser Sitzung und den Einschätzungen von Mr. Gans produzierte ich schließlich einen Beitrag für den ARD-Hörfunk.

Am zweiten Tag ging es gleich zum Hauptstadtbüro des Nachrichtenkanals CNN. Rias Fellow Pam Benson hat uns dort sehr freundlich empfangen und uns in das Konferenzzimmer mit rotem Alarmtelefon geführt. Dort erklärte uns Redakteur Mark Preston die Strategie der Wahlberichterstattung bei CNN. Das Selbstbewusstsein des Nachrichtensenders war in seinen Worten klar herauszuhören — und es war gerechtfertigt. CNN erreichte am Wahlabend die besten Quoten in der Geschichte des Senders, schlug als Kabelkanal sogar die Networks — und erzielte Rekordklickraten mit der Webseite CNN.com. Ein spannender Termin, der einen sofort über Vor- und Nachteile des dualen Rundfunksystems in der Bundesrepublik nachdenken ließ. Im Anschluss trafen wir Dave Avella von GOPAC. Er ist Mitglied einer Organisation, die laut eigenem Selbstverständnis eine neue Generation von Republikanern darauf vorbereitet, Amerika zu führen. Dankbar bin ich ihm für den roten „Drill, Baby, Drill“- Aufkleber. Fans von Vizekandidatin Sarah Palin skandierten diesen Spruch bei jeder Wahlkampfveranstaltung — vielleicht wird Frau Palin von GOPAC auf eine erneute Kandidatur 2012 vorbereitet? Nach dem unerschütterlichen Optimismus von Dave Avella bot Mike Collins, der ehemalige Sprecher der Republikaner, ein willkommenes Kontrastprogramm. Mike Collins sagte seiner Partei am Wahltag eine „vernichtende Niederlage“ voraus und bot dafür eine erstaunlich ehrliche Analyse. Ein kritischer und ausgesprochen amüsanter Gesprächspartner!

Höhepunkt am Mittwoch war die Begegnung mit Bob Schieffer, dem Chefkorrespondenten von CBS News in Washington. Ein Urgestein des U.S.-Fernsehens. Erfrischend uneitel berichtete er im „Face The Nation“-Studio von seiner Moderation des dritten TV-Duells zwischen John McCain und Barack Obama und von den spannenden Geschichten im Hintergrund. Am Donnerstag beeindruckte mich ein weiteres Mal die Offenheit der Amerikaner zur digitalen Technik — vor allem in Sachen politischer Kommunikation. Experten der Website „techpresident.com“ diskutierten mit uns die Möglichkeiten des Internets bei der Kampagnenführung: Wie hat das Obama-Team seine Online-Strategie aufgebaut? Warum haben die Republikaner das Medium Internet nicht optimal genutzt? Nach meiner Rückkehr nach Berlin las ich dann, dass sich auch die Parteien in Deutschland künftig noch mehr um ihre Online-Präsenz kümmern wollen — gerade nach den Erfahrungen aus dem U.S.-Wahlkampf. Ich bin gespannt.

Für Freitag, den letzten Tag des RIAS Programms, hat uns Jon eine Überraschung versprochen. Nach dem Besuch bei der Brookings Institution und der Public-Radio-Station WAMU war es soweit. Wir trafen Mark Putnam. Er war der Produzent des 30 Minuten langen Obama-Werbespots, der wenige Tage zuvor zur besten Sendezeit in den großen Networks ausgestrahlt wurde und für viel Aufsehen sorgte. Man sah Mark die Anstrengung der vergangenen Tage an. Er bot uns aus erster Hand exklusive Einblicke in die Obama-Kampagne — während einer hektischen Schlussphase des Wahlkampfes. Das war eine Überraschung, die Jon Ebinger wirklich gelungen ist. Dafür und für das restliche Programm gebührt Jon großer Dank! Sein engagierter Einsatz sorgte für einen erfolgreichen und kurzweiligen Verlauf der Woche in Washington. Beim Team der RIAS Berlin Kommission bedanke ich mich außerdem für die professionelle und herzliche Betreuung im Vorfeld des Washington Programms. Ich werde diese Tage in allerbester Erinnerung behalten!

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Maren Weber, RTL, Köln

Harlem, 4.11.2008, Wahlnacht

„Das letzte Mal war hier 1938 so viel los, als Joe Louis Max Schmeling k.o. geschlagen hat. 70 Jahre, das ist eine verdammt lange Zeit. ‘38 hat Louis für den Sieg nur gut zwei Minuten gebraucht, heute wird das nicht so schnell gehen, aber you’ll see!“ Am State Office Building verfolgen Zehntausende die Wahl auf einer Großleinwand live. Der Pressesprecher schreit mit direkt ins Ohr.

Inzwischen sieht die Großleinwand wie ein Jackpot in Las Vegas aus. In den Neuenglandstaaten sind überall Barack-Obama-Köpfe zu sehen. Alle stehen auf den Zehenspitzen. Plötzlich fliegt auch Ohio auf die demokratische Seite und bekommt einen blinkenden Obama-Kopf. Es ist, als ob jetzt alle Sonnen auf einer Linie stehen und der Gewinn explosionsartig ausgeschüttet wird.

Wir Reporter stehen direkt an der 125. Straße, der Hauptschlagader des Viertels, aber im Moment stehen wir im Glück. Jubelrufe und Schreie überschlagen sich. Dann wird es auf einmal still. Ein junger Pastor bittet per Mikrofon zum Gebet. Tausende Gläubige danken dem Herrgott, dass ein schwarzer Amerikaner Geschichte schreiben wird. Viele sind aus dem Süden der USA gekommen. Einer erzählt mir, wie lang und steinig der Weg der Farbigen im Land war. Die narbenvolle Geschichte ist ein Grund für die Zurückhaltung vieler, die auch jetzt und hier noch zu spüren ist. Zwischen Stolz und Triumph mischt sich immer wieder das Misstrauen in den bevorstehenden Wechsel. Kann jetzt wirklich nichts mehr passieren? Kann es tatsächlich sein, dass der neue Präsident der USA Barack Obama heißt? Autohupen und Trommeln sollen wohl die Angst vertreiben. Es ist unbeschreiblich laut.

Washington D.C., acht Tage vor der Wahl

Wir unterhalten uns immer wieder darüber, an welchem Ort wir bei einem möglichen Sieg von Obama sein würden. Manche sollten aus Deutschland über die Wahl berichten, andere aus den USA. Was würde dieser Moment bedeuten? Großes steht an, die Veränderung der Welt, zumindest der Weltpolitik. Aber ist das Land wirklich bereit für das „Projekt Obama“?

Die meisten Teilnehmer des „RIAS BERLIN KOMMISSION Senior Editor Programs“ sind acht Tage vor dem Wahltag noch zurückhaltend gegenüber einem glatten Sieg von Obama. Frühmorgens sitzen wir 14 Journalisten im Konferenzraum des Hotels in Washington D.C. Organisator Jon Ebinger präsentiert uns das Programm für die nächsten Tage. Wir formulieren unsere Zweifel. Die deutschen Medienberichte haben uns zwar alle barackisiert, aber so einfach könne es doch nicht sein. Auf eine Oktoberüberraschung müsse man sich doch einstellen, z.B. auf eine durch Nine-Eleven ideologisch aufgeputschte letzte Wende kurz vor der Wahl. Oder der Bradley-Effect wendet das Blatt. Oder der Reverse-Bradley-Effect? In der uneinsehbaren Wahlkabine würden viele Weiße — anders als in Umfragen behauptet — vielleicht nicht Obama antippen. Oder gerade doch? Zumindest eine Wahlpanne müsse doch drin sein. Jon Ebinger mahnt zur Geduld. Genug Gesprächspartner stünden bereit. Aber beeilen müssen wir uns jetzt, das Programm ist enggestrickt.

Der Zeitpunkt für den Reisestart war von der RIAS BERLIN KOMMISSION perfekt gewählt. In Washington D. C. erlebten wir die realen wirtschaftlichen Ängste der Menschen und die heiße Endphase eines der folgenreichsten politischen Duelle.

Gleich der erste Termin in Arlington, Virgina, macht die Dimension dieses Wahlkampfes deutlich. Seit 44 Jahren ist der Staat in republikanischer Hand. Nun sehen die Umfragen Obama klar in Führung und zwar im zweistelligen Bereich. Das erste Gespräch mit zwei Redakteuren von dem politischen Kommunikationsmagazin „Politics“ lässt die Kampagnenindustrie hinter diesem Wahlkampf erahnen. Es ist der teuerste, längste und spannendste Kampf, den das Land je gesehen hat. Obamas Heerscharen haben fast alles niedergewalzt. PR-Berater, Spin-Doctors und Journalisten überlassen nichts dem Zufall. Dazu kommen etliche Freiwillige, man weiß fast nicht mehr, wohin mit ihnen. Die Zauberformel heißt Branding. „It is all about Branding“, das hören wir nicht nur hier. Denn die Obama-Maschinerie funktioniert: Hope, Change, das kommt an. Dagegen wirken die Negativ-Kampagnen der Republikaner böse und billig. Die Aggressivität, besonders von Sarah Palin, droht den eigenen Ruf zu untergraben. Die Kampagne von John McCain steckt in der Sackgasse. Über seinen Wahlkampf hat keiner unserer Gesprächspartner etwas Gutes zu sagen. Zwar hatte der Georgienkrieg etwas Auftrieb für McCain geboten. Die Finanzkrise jedoch hat alles wieder ausgewischt und die Entpuppung Palins als geschminkter Papagei die Abwärtsspirale unweigerlich in Gang gesetzt.

Zurück in Washington D.C. legt Curtis Gans sein Gesicht in Falten. Der ehrwürdige, etwas knorrige Wissenschaftler ist einer der erfahrendsten Analytiker des amerikanischen Wählerverhaltens und sichtlich genervt von dem Medienzirkus um Obama und Co. Ihn interessieren Zahlen, keine Spekulationen. Bei der Frage nach einem möglichen Auszählungsdebakel zieht er die Schultern hoch. In West Virginia hatte es gerade Beschwerden von Personen gegeben, bei denen der Computer auf den Namen McCain umsprang, sobald sie Obama wählen wollten. Unglaublich, das finde er auch, aber nicht undenkbar.

Der politische Journalist Mark Preston von CNN steckt tief im Wahlkampfrausch. Der „Situation Room“ von CNN sei inzwischen Amerikas Wohnzimmer. Uns interessiert, wann die Sender den Wahlsieg eines der Kandidaten ausrufen werden. Zu gut müsse man sich doch noch an die traumatischen Erfahrungen der letzten beiden Wahlen erinnern, als man den Exit Polls, den Wahltagsbefragungen, vertraute — und am Ende falsch lag. Dieses Jahr wolle man vorsichtiger sein, so Preston, und er sollte sein Wort halten. Obwohl in der Wahlnacht das Internet schon den neuen Präsidenten bejubelt, halten sich die Sender zurück. Wir erleben eine magische Stunde voller Andeutungen auf allen Kanälen: McCain kann nicht mehr gewinnen, und: Obama hat noch nicht gewonnen. Auf CBS ist man am mutigsten: „Du glaubst, der Kuchen ist gebacken?“, fragt Katie Couric. Bob Schieffer: „Yeah.“

Auch Bob Schieffer, amerikanische Fernsehlegende und Moderator der dritten Präsidentschaftsdebatte, ist einer unserer Gesprächspartner in den Tagen vor der Wahl. Und auch er ist sich sicher, dass Obama das Rennen machen wird und kann sich an keinen spannenderen Wahlkampf erinnern, obwohl er schon seit 45 Jahren im Geschäft ist. Das ist natürlich auch die Meinung von Mark Putnam, dem Produzenten der 30-minütigen Obama-Show. Zur besten Sendezeit hat sich der Präsidentschaftskandidat der U.S.-Demokraten gleichzeitig auf sieben Fernsehkanälen eingekauft. „Obamamercial“ nannten diejenigen Networks es, die sich nicht beteiligten, darunter Fox News. Interessant sind für uns die Details, Einblicke, die das Bild von Obama abrunden. Während er in der Presse oft als „cool dude“ dargestellt wird, berichten die beiden Insider von seinem außergewöhnlichen Ehrgeiz, aber auch von seinem zuvorkommenden Verhalten.

Es war bestimmt nicht einfach, mit diesen beiden Schwergewichten der Fernsehbranche einen Termin zu arrangieren. Aber ob zu den Wahlkampfthemen Krankenversicherung, Klimawandel oder Finanzkrise: Jon Ebinger hatte für jedes Thema mindestens einen Gesprächspartner aufgetrieben. So waren es hochinteressante und informative Tage, für die ich mich bedanken möchte. Auch dafür, dass genug Zeit blieb, um sich mit den Kollegen auszutauschen und ein Klassenfahrtgefühl aufkommen zu lassen.

Es ist eine Reise, die ihren festen Platz in meiner Erinnerung haben wird, genau so wie folgendes Zukunftsszenario, das mir unglaublich erscheint, viele unserer Gesprächspartner aber für wahrscheinlich hielten.

Washington D. C., Oktober 2012

Eine Gruppe der RIAS BERLIN KOMMISSION ist auf einer Informationsreise zu den Wahlen in Washington. Dieses Mal soll es noch spannender werden. Die Kontrahentin des amtierenden Präsidenten Barack Obama heißt Sarah Palin. In den vergangenen vier Jahren hat sie sich zur ganz Großen bei den Republikanern entwickelt. 2008 hatte sie Hauptstadtluft geschnuppert, und daraufhin wollte sie nicht mehr nach Alaska zurückkehren. Ihr Auftritt ist dezent und charismatisch. We‘ll see…