2019

Dreiwöchige USA-Journalistenprogramme 2019
im Frühjahr und Herbst jedes Jahres


USA-Frühjahrsprogramm ?
3.-22. März 2019


USA-Herbstprogramm ?
7.-25. Oktober 2019


TEILNEHMER ?

USA-Frühjahrsprogramm 2019

Christian Avital, ARD Bonn, RTL Köln

Das RIAS-Programm in den USA war beeindruckend und überwältigend zugleich. So lassen sich die drei Wochen wohl am besten zusammenfassen. Gleich am ersten Tag besuchten wir das Pew-Research-Center in Washington. Überraschend für mich war, dass die Amerikaner die Beziehungen zu Deutschland als besonders gut einschätzen. Seit dem Amtsantritt von Donald Trump haben sich die Beziehungen meines Erachtens deutlich verschlechtert und das sieht auch die Mehrheit der Deutschen so. Nicht zuletzt dank Donald Trump hat auch das Women’s Media Center noch einiges an Arbeit vor sich. Zwar scheinen im Nachrichtengeschäft zumindest vor der Kamera nicht deutlich weniger Frauen als Männer tätig zu sein, dennoch hat Trump das Rad in Sachen Gleichberechtigung sicherlich noch einmal zurückgedreht. Das bekommt leider auch die schwarze Bevölkerung im Land zu spüren. Der Besuch beim Black Caucus war extrem aufschlussreich und hat mir vor Augen geführt, dass die USA keine lupenreine Demokratie sind. Teile der Bevölkerung gelten in der Wahrnehmung vieler noch immer als minderwertiger. Trump hat diese Spaltung weiter vorangetrieben, er hat Hatespeech wieder salonfähig gemacht und das ist gefährlich. Es war beeindruckend zu hören, wie demokratische Kongressabgeordnete die Lage im Land einschätzen. Natürlich kann ihrer Meinung nach Trump nicht schnell genug wieder in der Versenkung verschwinden, ob allerdings demokratische Kandidaten wie Bernie Sanders oder womöglich auch der ehemalige Vizepräsident Joe Biden die Lösung für die Wahl im November 2020 sind, das lässt sich zum jetzigen Zeitpunkt schwer vorhersagen.

US-Präsident Trump ist allgegenwärtig. Zwar haben seine Twitter-Tiraden deutlich nachgelassen, es gibt aber kaum eine Nachrichtensendung, in der Trump nicht irgendeine Rolle spielt. Sein wichtigstes Thema ist derzeit der Bau der Mauer an der Grenze zu Mexiko. Das Notstandsgesetz hat er dank der Mehrheit der Demokraten im Repräsentantenhaus nicht durchsetzen können, doch wird er es nicht unversucht lassen, seinen Willen zu bekommen. Er hatte die Mauer gegen illegale Einwanderer im Wahlkampf versprochen und dieses Versprechen will er einhalten. Viele Amerikaner bewundern ihn dafür und deshalb ist es nicht selbstverständlich, dass Trump 2020 die Wahl verliert. Kaum jemand hätte bei Ankündigung seiner Kandidatur gedacht, dass Trump das Rennen ums Weiße Haus gewinnen könnte. Eine zweite Amtszeit würde das Land sicher weiter spalten. Sie wäre, so schizophren das klingen mag, aber auch eine Bereicherung für die Medien. Die von Trump als Fake News beschimpften Medien wie die Washington Post, CNN oder die New Yorks Times haben jetzt schon enormen Zulauf aus der liberalen und demokratischen Ecke der US-Bevölkerung. Gerade die New York Times mit ihrem täglichen Podcast The Daily und CBS mit 60 minutes zeigen, wie erfolgreicher Journalismus aussehen kann, und dass die Amerikaner sich in Sachen News für mehr interessieren als nur für das Wetter, Gewalt oder den Verkehr. Allerdings war es für mich überraschend, welch großen Teil gerade diese drei Bereiche in den Nachrichten einnehmen.

Und so schaffte es dann auch ein deutscher Tornado bei Aachen in die Nachrichten von NBC.

Das RIAS-Frühjahrsprogramm hat uns in viele Bereiche des amerikanischen Alltags hineinblicken lassen. Da waren nicht nur die diversen Medienhäuser und Gespräche mit Politikern, interessant waren insbesondere auch die Besuche anderer Institutionen. Die binnensichtige Einstellung der Kollegen am Cato-Institut hat mich überrascht und ein wenig schockiert. Die USA sollten sich lieber um sich selbst als um andere kümmern, diese Meinung ist hängengeblieben. Zu einem gewissen Teil mag das stimmen, dennoch kann sich ein Land, das sich seit gut 100 Jahren als Weltpolizist sieht, nicht plötzlich komplett aus der Verantwortung ziehen. Ich bin selbst Pazifist, allerdings scheinen mir die Ansichten der Cato-Politologen dann doch ein wenig naiv.

Nicht unerwähnt lassen möchte ich meine station week bei KQED in San Francisco.
Unvergesslich bleibt für mich dort der Besuch des Silicon Valley. Selbstfahrende Autos, die dort überall herumfahren und andere Technik, von der wir vielleicht erst in einigen Jahren etwas sehen werden.
Die Einblicke bei KQED haben mir gezeigt, dass zumindest die öffentlich-rechtlichen Medien in den USA gar nicht so viel anders arbeiten als wir. Sicherlich setzen die Kolleginnen und Kollegen auch mal andere Schwerpunkte, dennoch „hinken“ wir Deutschen nicht unbedingt hinterher. Sicherlich nehmen die sozialen Medien eine stärkere Rolle in der amerikanischen Berichterstattung ein, allerdings holen die deutschen Medien da deutlich auf. Auf der anderen Seite schätze ich die amerikanische Nachrichtenberichterstattung als deutlich oberflächlicher ein als die unsere.

Alles in allem bleiben unvergessliche Eindrücke in einem faszinierenden Land.


Jan-Peter Bartels, ARD / Hessischer Rundfunk, Frankurt/Main

Claude salutiert. 99 Jahre ist er alt, die Hand an seiner Stirn zittert kein bisschen. Er ist im zweiten Weltkrieg geflogen, für sein knallrotes Auto hat er sich deswegen ein spezielles Nummernschild gekauft: „Topgun“ steht darauf. „Typisch USA,“ denke ich mir. Wir sind im Leif Ericson Day Camp. Claude ist gekommen, um sich das Kinder-Sommercamp nach der Flut anzugucken. Es ist kein schönes Bild: massenweise Tauwasser hat Möbel, Bauten und Technik zerstört.

Wegen dieser Verwüstung ist auch Brady Mallory von Kelo TV hier, den ich begleite. Er ist nur mit einem Kameramann unterwegs, hat die Story am Morgen recherchiert, dann die 12-Uhr-Nachrichtensendung moderiert und sich direkt danach zum Dreh aufgemacht. Ein durchgeplanter Tag, eng getaktet, mit wenig Zeit für intensive Recherche oder Gespräche und mit einer klaren Deadline: um 17 Uhr muss das Stück fertig sein, denn dann moderiert Brady die nächste Sendung.

Es ist ein spannend aus erster Hand zu sehen, wie lokaler und regionaler Journalismus in den USA funktioniert – und wie die Amerikaner ticken: beispielsweise Claude, der 99-jährige Veteran. Er ist nicht hier, weil er als Kind so viele schöne Stunden in dem Camp verbracht hat. Er ist hier, weil er als Kind immer in das Camp wollte und seine Familie es sich nie leisten konnte. Anderen Kindern soll das nicht passieren, deswegen will er nun einige Tausend Dollar für den Wiederaufbau spenden. Für ihn ist es absolut selbstverständlich, eigene Zeit und Geld zu investieren um die Welt ein klein wenig besser zu machen. Auch das wohl „typisch USA“.

Eine Woche in Sioux Falls, South Dakota, mitten in den USA – und jeden Tag neue Einblicke, neue Eindrücke. Die Station Week bei Keloland TV ist für mich die dritte Woche RIAS-Programm und inzwischen bin ich ziemlich vollgepackt. Angefangen mit der ersten Woche in Washington, D.C. In dieser Stadt habe ich vor 20 Jahren studiert. Damals standen die World Trade Center Türme noch und Bill Clinton war Präsident. Nicht Terror und Trump haben damals die US-Amerikaner beschäftigt, sondern eine Praktikantin.

Andere Zeiten. Mit RIAS besuchen wir unter anderem das CATO-Institut: ein konservativer Think Tank, der die Regierung und die weltweite Rolle der USA stark reduzieren will. Bei meinem Studium vor 20 Jahren hat mir ein Amerikaner mal augenzwinkernd gesagt: „Wir passen gern auf die Welt auf“. Klar, auch damals gab es schon Isolationismus – aber ich hatte das Gefühl, dass viele stolz auf diese Rolle ihres Landes in der Welt waren. Dieses Mal ist das anderes: Als John Glaser vom CATO-Institut uns eine Stunde lang mit Verve darlegt, warum die USA die NATO verlassen sollten, fühlt sich das möglich an. In Zeiten von Trump ist eben vieles anders.

Das macht für mich diesen RIAS-Aufenthalt so spannend: Ein gespickt volles Programm mit Gesprächspartnern, die uns zwingen, unsere vermeintlichen Gewissheiten und Klischees auf den Prüfstand zu stellen. Seien es verschiedene Kongressabgeordnete, ein Pressesprecher des Pentagon, ein Fellow des PEW Research Center oder, oder, oder … bei jedem Gespräch nehmen wir etwas mit, das wir oft noch bis spätabends in der Gruppe diskutieren. Und es passiert auch, dass wir eigentlich noch mehr hören wollen – aber die Zeit einfach nicht reicht, wie bei Elsie Scott vom Black Caucas. Sie erzählt, wie auch jetzt noch Schwarze in den USA am Wählen gehindert werden – mit Beispielen. Wie viele Hoffnungen mit Obama verbunden wurden – und wie sich das Land durch Trump geändert hat. Sein Schweigen, das sei das schlimmste, hören wir im Black Caucas: Rassismus und verbale Grenzüberschreitungen würden wieder alltäglich und es fehle die Instanz, die laut ausspricht, was nicht geht und was nicht sein darf.

Immer wieder Trump: der Präsident ist ein Dauerthema. Das merken wir auch bei der Woche in New York. Wir besuchen dort die New York Times, sprechen mit den Machern des erfolgreichen Podcasts „The Daily“. Treffen den deutschen UN-Botschafter ebenso wie das journalistische Urgestein Bill Whitaker von CBS 60 Minutes, laufen durch Newsrooms und Medienhäuser. Immer wieder fragen wir, wie Trump die Medienlandschaft und das Arbeiten verändert hat. „Fake News“, dieser Vorwurf sei alltäglich geworden, erzählen viele – und dass man das wohl als „factor of life“ akzeptieren müsse. Die Antworten sind unterschiedlich, teils ausweichend, teils bestürzend – aber klar wird: die meisten Journalisten hier sehen Trump als Herausforderung und nehmen ihn bitter ernst. Das Kopfschütteln, das bei vielen Gesprächen in Europa über Trump immer dabei ist, es fehlt komplett. Alle Positionen sind denkbar und werden offen diskutiert.
Allein die Tatsache, dass Trump Präsident sei, habe bei vielen Republikanern das Gefühl ausgelöst, dass die Wirtschaft runder laufe, hatte uns ein Analytiker vom PEW Institute in der ersten Woche erzählt. Ich habe das Gefühl: hier merke ich die Auswirkungen. Wie sehr Trump wirklich für einen Teil der Menschen und ihre Wünsche steht, wie sehr sie ihm vertrauen und sich seit seinem Amtsantritt wohler in diesem Land fühlen, das wird mir in meinen Wochen in den USA klar.

Und wie unwohl sich andere fühlen, merke ich auch: als Teil des Programms kochen wir in New York Schnitzel und Nudeln für rund 100 Obdachlose, bedienen die Menschen, kommen mit ihnen ins Gespräch. Wieder neue Einblicke. Man erzählt sich Geschichten: viele kennen jemanden aus Deutschland und berichten nun davon. Und einer zieht mich am Ende beiseite und fragt mich leise, ob es für US-Amerikaner wie ihn schwierig sei, nach Deutschland einzuwandern. Es sei ihm zu kalt geworden in den USA und er spreche nicht vom Wetter.

In South Dakota ist es wirklich kalt, es herrschen Minusgrade. Am Big Sioux River sieht man Eisschollen. Hier sind die USA anders als an der Küste, hier haben die Menschen zu mehr als 60 Prozent Trump gewählt. Mein Host Jay Trobec nimmt mich mit zu „Gary’s Gun Shop“. Auf der Shooting Range soll ich lernen, wie man schießt – der Deutsche, der noch nie eine Waffe in der Hand hatte und fragte, ob es nicht etwas überholt sei, dass man in South Dakota eine Pistole an der Hüfte tragen darf. Direkt am Eingang: Ein Scharfschützen-Gewehr für 7.999 Dollar. Hätte ich die US-Staatsbürgerschaft und einen Führerschein, könnte ich das Gewehr quasi direkt mitnehmen, erzählt man mir. Und: dass South Dakota einer der Staaten mit der geringsten Mordrate sei. Dass Menschen teils einsam und weit weg voneinander wohnten. Wo denn da das Problem damit sei, wenn jeder eine Waffe besitzen könne. Sie lächeln dabei, sind herzlich und offen. Waffenbesitz ist für sie halt immer schon normal.

Bei RIAS habe ich immer wieder gemerkt: wenn man etwas erlebt, wenn man mittendrin ist in einer Situation, dann fühlen sich viele Argumente anders an. Das hat für mich die drei RIAS-Wochen so wertvoll gemacht. Sie waren intensiv und vollgepackt mit Erlebnissen, Eindrücken und kleinen Geschichten wie der von Claude, dem 99-jährigen „Topgun“ aus Sioux Falls. Ich möchte keinen Tag missen.


Gesa Eberl, n-tv/RTL, Köln

Rosenmontag im Capitol in Washington D.C. Wer mir als jahrelange Kölner Einwohnerin prophezeit hätte, daß ich an diesem Feiertag statt am „Zoch“ irgendwann im amerikanischen Kongress stehen würde, ich hätte ihm nicht geglaubt.
Das RIAS-Stipendium war eine Fügung für mich. Vor 15 Jahren hatte ich mich bereits beworben, die Zusage erhalten, mußte aber dann das Programm aus beruflichen Gründen absagen, da mich mein Arbeitgeber zeitgleich beruflich für drei Jahre in die USA entsenden wollte.
Das Journalistenprogramm der RIAS Kommission wäre der ideale Einstieg gewesen. Einen besseren Einstieg in das politische, wirtschaftliche, soziale und mediale Leben der Amerikaner hätte und hatte ich mir nicht vorstellen können – ganz nah dran, an allem, was diese facettenreichen Staaten ausmacht, komprimiert in nur drei Wochen. Diese einmalige Chance wollte ich unbedingt noch einmal in meinem Leben nutzen. Und siehe da – manchmal klappt es mit den Bestellungen ans Universum… drei Tage vor Reiseantritt bekam ich die Möglichkeit, spontan für eine ausgefallene Kollegin einzuspringen.

Wie ticken die Amerikaner in Zeiten von Donald Trump? In Zeiten eines aufgeladenen Kongresses? An was glauben sie, was wünschen sie sich für ihr Land, was wollen sie? Wie zerrissen ist die Bevölkerung? Ist dieser Präsident eine Bedrohung für die Demokratie oder wird durch ihn nur die Spaltung der amerikanischen Gesellschaft deutlicher? Wie haben sich Demokraten und Republikaner verändert und positioniert in den vergangenen zwei Jahren seit der Ära Obama? Für was stehen die beiden Parteien heute im Kongress, wieviele Republikaner stehen tatsächlich hinter Trump? Wie wahrscheinlich ist eine Amtsenthebung? Was würde der Mueller-Report ans Licht bringen und wohin steuern die USA?

Fragen über Fragen, mit denen ich als Nachrichtenjournalistin an diesem 3. März 2019 nach Washington D.C. geflogen bin.

Und ich bekam Antworten. Dank eines fantastisch breit gefächerten Programms aus den verschiedensten Blickwinkeln.

Von den beiden Kongressabgeordneten, über das Verteidigungsministerium, der Black Caucus Foundation – der Interessensvertretung der schwarzen Bevölkerung, über die Vereinigung der Frauen in den Medien, das Freedom House, dem ThinkTank Cato Institute, dem öffentlich-rechtlichen Radio NPR bis hin zu den deutschen US-Korrespondenten in ihren Auslandstudios –

Eines hatten sie alle gemein: die Meinung darüber, daß in Washington seit Beginn der Trump Ära nichts mehr so ist, wie es mal Gewohnheit war. Jeder Tag bringt eine neue Überraschung. Jeder Morgen einen neuen Präsidenten-Tweet, der die politische Richtung des Tages vorgibt; eine rituellen Pressekonferenzen aus dem Weißen Haus mehr, alles neu, alles anders, ein verändertes Medien-Verhalten, ein Präsident, der täglich die Schlagzeilen füllt, der das Land spaltet, aber auch wieder politisch anfeuert – lange haben sich nicht mehr so viele Jüngere, so viele Frauen politisch aktiv gezeigt, sich politisch eingemischt, aufbegehrt, Demokratie mitzubestimmen. Good or bad? Good!

Die beste Einführung, um ein Gefühl für Land & Leute und einen Überblick über die 50 Bundesstaaten zu bekommen, war im übrigen unser 1. Termin in Washington: das nichtstaatliche Meinungsforschungsinstitut Pew Institute. www.pewresearch.org wird von jetzt an als Nachrichtenmoderatorin zu Beginn jeder Schicht als Recherche-Seite für mich unentbehrlich. Zahlen, Daten, Fakten – Statistiken zu allen Bereichen des amerikanischen Lebens!

Eine unglaubliche gelungene politische Einführungswoche, gefolgt von einer ebenso genial durchdachten Programm-Mischung in New York. Memorial Museum, Wall Street, The NYTimes, Bloomberg, CBS 60 minutes, als Zuschauer bei „Full Frontal“, beim AJC – dem American Jewish Committee, einer Nichtregierungsorganisation – und dann sogar noch als unterstützendes Koch-Team für Obdachlose in der St. James-Church auf der Upper East Side. Ich kann nicht fassen, wieviele intellektuelle bis sinnliche Eindrücke, wir sammeln durften innerhalb dieser ersten beiden Wochen.

Meine „station week“ war insofern besonders als ich dafür nicht in einen anderen Bundesstaat gereist bin. Ich genoß das Privileg, drei Tage in New York in drei verschiedene Redaktionen bzw. Sender reinzuschnuppern. Wann ist das im Leben schon einmal möglich?

Und so hieß es, zwei Tage früh aufstehen, um jeweils kurz vor 6 Uhr im Rockefeller Center zu erscheinen – zur Frühschicht. Zunächst als Gast meines wunderbaren Kollegen Michael Gargiulo – ein New Yorker Star! Er ist Morgen-Moderator bei WNBC oder auch NBC4 https://www.nbcnewyork.com – der lokalen Station des nationalen Senders NBC.

Kurze Anmerkung, die für uns RIAS-Stipendiaten immer eine wichtige Information ist: Die Lokalsender tragen Bezeichnungen aus vier Buchstaben. Östlich des Mississippi beginnt dieses Kürzel mit einem „W“, westlich des Mississippi mit einem „K“. Der Namen des Lokalsender gibt gleichzeitig den Kanal an, auf dem er – terrestrisch – zu empfangen ist.

Kaum war ich im Rockefeller Center angekommen, saß ich schon direkt als einziger Gast im Studio live in der letzten der drei Sende-Stunden mit dabei – hinter der Kamera! Ein großes Studio, größer als unser ntv Studio in Köln, ähnlich virtuell mit grünen Wänden und auch echten Screens ausgestatten, mit ferngesteuerten Kameras und einem ähnlichen Moderationstisch, an dem beide Morgen-Moderatoren sitzen, mit der berühmten Kaffeetasse. Die Struktur der Sendung wiederholt sich 10-15minütlich. Nur und das ist das Besondere an lokalen News in Manhattan: es gibt eine eigene Verkehrs-Rubrik mit eigener Moderatorin. Staus spielen in New York eine große Rolle am Morgen für die Pendler. So lautet das Agenda-Setting der Morgen-News: Nachrichten-Wetter-Verkehr. Michael startet seinen Tag um 2.30 Uhr nachts und macht sich zwar vor der dreistündigen Sendung vertraut mit den Themen, schreiben muß er seine Meldungen allerdings nicht selbst. Allerdings wird viel improvisiert innerhalb der Co-Moderation.

Michael Gargiulo ist es zu verdanken, daß ich nicht nur im Studio, auch in der Redaktion danach, von allen als Kollegin des deutschen Fernsehens so herzlich empfangen und aufgenommen wurde, als hätte ich nie woanders gearbeitet.

Interessant war auch am Tag danach, eine Etage höher bei MSNBC – dem Äquivalent von ntv – an der Seite des unglaublich freundlichen Journalisten und Ablaufredakteurs Bryan Weakland, Einblicke in die fast identische Arbeitsweise zur Sendungsvorbereitung mitzuerleben. Allerdings hat hier – anders als bei ntv – jede volle Stunde ihr eigene Sende-Strecke, eine eigene Redaktion mit eigenem Moderationsgesicht. An der Seite von Bryan habe ich also die News-Sendung von Stephanie Ruhle kennengelernt. Die Gesichter einer Sendung werden hier nicht nur als prägendes Element verstanden, sondern auch als wichtigster Kopf der Redaktion. Alles drehte sich im Anschluß der Sendung, die ich aus der sehr kleinen und sehr lauten Regie mitverfolgen durfte, bei der Feedback-Runde um die Meinung von Stephanie Ruhle, die an diesem Morgen des öfteren die Kollegen fragte: why did we do that story? Was it important enough? What was the message for the audience? Ein guter Einblick!

Und am nächsten Tag dann mein journalistischer Ausflug in die Welt des Entertainments! Ich durfte Gast-Redakteurin sein bei „The Daily Show with Trevor Noah – DER amerikanischen Nachrichtensatire! What a bless! Bis 2015 wurde sie noch von Jon Stewart moderiert, den ich damals schon verehrt hatte. Und nun saß ich plötzlich als Gast in der Morgenkonferenz dieses alten brickstone-Gebäudes in Hell’s Kitchen, unweit des CBS-Headquarters in einem höchst kreativen Büroraum mit rund 30 gut gelauten, witzigen, lockeren und kreativen Köpfen zur Besprechung der News-Themen des Tages, vorgeschlagen vom inner circle der Chef-Autoren, immer garniert mit einem Witzchen von Trevor selbst oder einem Kollegen. Blitzschnell wurden Themen von der Liste zusammengestrichen zu einer Art Top 10, die dann am Nachmittag in der Sendung zur Generalprobe ausgearbeitet geprobt werden sollten. Im Grunde hat die Redaktion nur drei Stunden Zeit, die Sendung vorzubereiten, die im Erdgeschoß im eigenen Studio gegen 19 Uhr vor Publikum aufgezeichnet wird, bevor sie um 23 Uhr ausgestrahlt wird.

Bei der Generalprobe nehmen viele Mitarbeiter teil. Trevor hat Stimmbandprobleme, also sitzt er während der rehearsals neben seinem Chefautoren, den er moderieren läßt, während er selbst die Performance mimt und sie so verinnerlicht.

I was shadowing Alison, wie die Amerikaner sagen. Sie ist auch ein RIAS Alumni und ich durfte ihr den ganzen Tag im Redaktionsraum über die Schulter schauen. Sie war verantwortlich O-Töne aus den gesamten nationalen TV-Stations zum Thema „Slavery“ zusammenzutragen, die einen satirischen Blick auf das Thema ermöglichen. Das Thema wollte sich Trevor aber noch einmal am nächsten Tag genauer für die Sendung überlegen. Wenn Alison tagesaktuell arbeitet, dann recherchiert sie mit einer Software namens „Snapstream“ nach Stichworten O-Töne von Politikern oder Experten und schneidet diese zu Clips zusammen und bereitet inhaltlich die Interviews der Studiogäste vor. Die Show hat jeden Tag einen prominenten Gast – an diesem Mittwoch war es Will Hurd, ein schwarzer republikanischer Kongressabgeordneter.
Wie gerne hätte ich noch persönlich am Ende der Sendung mit Trevor Noah gesprochen, doch ich mußte leider tatsächlich in letzter Minute der Sendung, die wir gemeinsam mit der Redaktion geschaut haben, zum Flughafen aufbrechen, zurück nach Deutschland.

So viele Blicke hinter die Kulissen, so viele Bereiche, die wir kennengelernt haben für drei Wochen. Tagsüber in der großen Gruppe bei den zahlreichen Terminen und Treffen und zwischendurch beim Kennenlernen der eigenen Kollegen von Hörfunk und Fernsehen aus Deutschland.
Abgerundet wurden die beiden Wochen in Washington und New York jeweils mit einem Alumni Abend, bei dem der RIAS-Spirit unter allen Teilnehmern zu spüren war: aufgeschlossen, wissbegierig und begeistert der Kultur der beruflichen Kollegen zu begegnen, die längst Weggefährten oder gar Freunde geworden sind.


Benjamin Eyssel, Rundfunk Berlin-Brandenburg, Berlin

Meine drei Wochen mit dem RIAS-Programm in den USA waren ein unvergessliches Erlebnis. Die Tage in Washington, New York und (in meinem Fall) Seattle noch einmal Revue passieren zu lassen, bereitet mir große Freude. Angefangen bei der Gruppe: Wir waren eine gute Mischung aus jüngeren und älteren Journalistinnen und Journalisten – vom Fernsehen und vom Radio, privat und öffentlich-rechtlich, aus ganz Deutschland. Alle hatten Interesse an US-Politik und Zeitgeschehen und haben sich immer rege an Diskussionen beteiligt. Und auch nach Ende des offiziellen Programms haben wir uns gut verstanden, Zeit miteinander verbracht, diskutiert und uns angefreundet.

In Washington haben mir besonders gut die kontroversen Diskussionen gefallen, beispielsweise beim liberitären Cato Institute, wo wir mit teils sehr extremen Meinungen konfrontiert wurden, die in Europa eher selten anzutreffen sind. Mein Höhepunkt in Washington aber war der Besuch in der NPR-Zentrale, da ich selbst Radiojournalist bin und seit Jahren viele innovative NPR-Podcasts höre. Der Blick hinter die Kulissen in dem neuen, modernen NPR-Gebäude war hochinteressant und bei den Gesprächen mit den Journalistinnen und Journalisten konnte ich viel lernen. Schockiert haben mich allerdings die strikten Sicherheitskontrollen mit Metalldetektor und die Tatsache, dass wir unsere Telefone in verschließbaren Taschen verstauen mussten. In den USA weht ein rauerer Wind im Journalismus, auch wegen der aktuellen politischen Lage.

Nach einer aufregenden Woche in New York (zwei meiner Höhepunkte waren der Besuch beim Podcast The Daily der New York Times und der Besuch im 9-11-Museum) ging es für mich weiter zu meiner Station Week ans andere Ende der USA – was für ein riesiges Land! Ein 5-Stunden-Direktflug brachte mich nach Seattle im Bundesstaat Washington, wo ich beim lokalen NPR-Sender KUOW untergebracht war. Im Gegensatz zum modernen Gebäude von NPR in DC wirkte der Sendebetrieb bei KUOW eher antiquiert. Ich war überrascht: relativ alte Technik, die Live-Einblendungen mit „Announcer“ (ein Techniker, der die Sendung fährt und Uhrzeit und Wetter ansagt) in der Frühstrecke und am Nachmittag, die Anmutung der Moderatoren war eher gediegen. Gar nicht so modern, wie ich es mir vorgestellt habe – aber Public Radio / öffentlicher Rundfunk ist im Vergleich zu Deutschland – in den USA auch unterfinanziert. Das wurde mir in diesem Moment noch einmal bewusst.

Ich war in der Mittagsredaktion angedockt, der einzigen durchgehenden Live-Sendung bei KUOW, soweit ich das beurteilen konnte. Moderator Bill Radke spricht wochentags nacheinander mit drei bis fünf Gästen über verschiedene aktuelle Themen. In meiner Woche ging es unter anderem um Burnout, um Gesundheitsversorgung und vor allem aber um Boeing: Der US-Flugzeugbauer steckte in der Krise, nachdem kurz hintereinander zwei 737-Max-Flugzeuge abgestürzt sind. In Seattle ist Boeing ein großer Arbeitgeber, die Flugzeuge werden dort gebaut. Die Redaktion hat mich herzlich aufgenommen. Ich konnte mitarbeiten, Themen vorschlagen und Interviewpartner organisieren sowie Interviews mit vorbereiten und Fragen vorschlagen.

Eine Diskussion in der Redaktion, die ich mit besonders großem Interesse verfolgt habe, war folgende: In welchem Maß sollte Moderator Bill Radke es in der Boeing-Berichterstattung erwähnen, dass seine Frau bei dem Flugzeughersteller in der Personalabteilung arbeitet? Vor dem Interview, mittendrin, am Ende oder gar mehrfach? Ich bin nicht sicher, inwieweit in Deutschland ein Bewusstsein über solche Verquickungen besteht. Ich habe es in deutschen Medien nie bewusst mitbekommen, dass ein Journalist gesagt hätte, er oder sie habe Verflechtungen mit einer Firma oder einem Thema, über die oder das sie berichten, so dass ein Interessenkonflikt entstehen könnte. Mein Eindruck war, dass in den USA ein viel größeres Bewusstsein besteht und wir in Deutschland vergleichsweise unbedarft an solche Fragen herangehen. Unterm Strich: Meine Station Week hat mir sehr große Freude bereitet, was nicht zuletzt an dem tollen Team lag, allen voran Amina! Einziger Nachteil war, dass ich viel Zeit im Sender verbracht habe und nicht wirklich aus dem Haus gekommen bin, da hatten andere RIAS-Stipendiaten bei ihren Stationen (vor allem beim Lokalfernsehen) sicher etwas mehr Glück.

Alles in Allem hatte ich eine großartige Zeit in den USA mit dem RIAS-Programm. Ich habe einzigartige Einblicke in Politik, Medien und Gesellschaft erhalten, die ich anderweitig kaum bekommen hätte. Am besten hat mir aber der Austausch mit den Kolleginnen und Kollegen aus Deutschland und den USA gefallen, die ich in dieser Kombination so sonst nicht kennengelernt hätte. Die so entstandenen Kontakte und Freundschaften empfinde ich als die größte Bereicherung und werde mit möglichst vielen – auch durch Alumniarbeit – in Kontakt bleiben.


Cornelia Gerhard, Phoenix, Westdeutscher Rundfunk, Bonn

Erster Teil Washington. Fast eineinhalb Jahre hatte ich in dieser Stadt gelebt, mich dort heimisch gefühlt, erste journalistische Gehversuche in der Hauptstadt unternommen – vor gut 20 Jahren.
Seitdem ist dort viel passiert. Politisch, aber auch gesellschaftlich. Ich hatte es nur aus der Ferne verfolgt und erwartete die erste Woche mit großer Spannung. Die amerikanische Gesellschaft, so gespalten wie nie zuvor, das hatten vorangehende Wahlen gezeigt und die Meinungsforscher vom PEW Research Center untermauerten diese These beim Auftakt der Washington-Woche: Politische Werte und Ideale haben sich in die Extreme verändert, während vorher die Schnittmengen deutlich größer waren. Aber auch in Bezug auf die Mediennutzung gibt es eine Polarisierung: Während Liberale viele Nachrichtenquellen nutzen, denen sie vertrauen, glauben die Konservativen nur Fox News und dem Rest nicht. Eine weitere interessante Erkenntnis: Amerikaner denken einer Umfrage zufolge, dass das Verhältnis zwischen Deutschland und den USA super ist, während Deutsche es als ziemlich schlecht mit ansteigender Tendenz bewerten. Erstaunlich- die negative Propaganda des derzeitigen Präsidenten gegen Deutschland scheint sein Volk nicht wahrzunehmen.

Spaltung auch in Bezug auf die Geschlechter. Erwartbar und seit vielen Jahren bemängelt, doch das Women`s Media Center bleibt nicht beim Lamento, sondern handelt ganz konkret. Die Ausrede, keine Frau für die Talkshow zu finden, wird schwierig, wenn es eine Datenbank mit über 1500 Expertinnen gibt, die vom Media Center für Fernsehauftritte geschult werden. Daneben bieten sie eigene Studien und Berichte zum Status von Frauen in den Medien oder Trainingsangebote, zum Beispiel, wie man im Newsroom sexuelle Belästigung verhindern kann. Ansätze, die sich auch in Deutschland finden lassen, doch so gebündelt und mit Frauen, die sich nur um diese Themen kümmern können, das wäre auch für uns ein beispielhaftes und sehr lohnendes Projekt.

Nach wie vor gibt es in der US-Gesellschaft auch zwischen schwarz und weiß unüberwindbare Barrieren. Der Rassismus ist immer noch groß und nimmt unter dem derzeitigen Präsidenten weiter zu. Keine überraschenden und neuen Informationen, die wir bei der Congressional Black Caucus Foundation erfahren, schockierend aber die Ausprägung, wie Alltagsrassismus sich äußert und wie lebensbedrohlich es sein kann, eine dunkle Hautfarbe zu haben. Die Kolleginnen und Kollegen beim National Public Radio vom Podcast Code Switch liefern einen Erklärungsansatz: Sklaverei wird in US-Schulen kaum gelehrt, das Unwissen ist daher groß, die Bücher werden im konservativen Texas gedruckt, in denen Sklaverei als unfreiwillige Arbeit definiert wird. Trotz so langer Erfahrung im Zusammenleben von Menschen mit unterschiedlichen Hautfarben scheint es noch ein weiter Weg bis zum normalen Zusammenleben zu sein. Der Racism Desk bei NPR hat viel zu tun. Ganz aus dem Fokus scheint die Urbevölkerung geraten zu sein. Die Taktlosigkeit, das
Footballteam der Hauptstadt „Washington Redskins“ zu nennen, scheint nicht jedem einzuleuchten. Wie diese Spaltungen verkleinern oder gar überwinden? Ist das überhaupt politischer Wille? Besuche bei Abgeordneten beider Parteien machen wenig Hoffnung: Beide Parteien sind in sich gespalten, ringen um die richtige Strategie, die richtigen Personen. Diese Eindrücke zeigen sich auch in Gesprächen mit deutschen Hauptstadtkorrespondenten, die auch von ihren sich verschärfenden Arbeitsbedingungen erzählen. Viel Input, weiter zu Teil zwei, auf nach New York.Die Zugfahrt gibt Zeit, die Eindrücke sacken zu lassen.

Die Woche in New York ist geprägt von Besuchen großer Medienunternehmen, zum Beispiel bei der New York Times, wo wir mehr über den Podcast „The Daily“ erfahren und mit Verantwortlichen reden. Schon länger habe ich über politische Podcasts nachgedacht und „The Daily“ seit Monaten abonniert, will die Idee nun intensiver verfolgen. Der Besuch bei CBS und 60 Minutes ist ein weiteres Glanzlicht – mit Bill Whitaker hätten wir noch ewig sprechen können. Persönlicher Höhepunkt ist der Aufenthalt bei NBC im Rockefeller Center, was vor allen an den Kolleginnen und Kollegen dort liegt, die sich viel Zeit nehmen und uns herzlich empfangen. Sogar NBC-News-Präsident Noah Oppenheim kommt zum ausführlichen Gespräch. Es sind genau diese Begegnungen, die die Zeit dort so wertvoll machen und das Reflektieren in der Gruppe. Gespräche, aber ganz anders, erleben wir im nobelsten Stadtteil von Manhatten in einer Kirche, die für Obdachlose kocht. Wir helfen mit und kommen eindrucksvoll mit einer harten Realität dieser schillernden Stadt in Berührung. Bei Bloomberg ist mir vor allem das eindrucksvolle Gebäude mit
viel Glas und der kurvigen Rolltreppe in Erinnerung geblieben, sowie das riesige Buffet, das den dort Arbeitenden kostenfrei angeboten wird. Ach, und natürlich Charlie Pellet, die Stimme der New Yorker U-Bahn, der seine Wirtschaftsnachrichten wie am Fließband einspricht und der mir Nachhilfe in „Stand clear of the closing door“ gibt. Auch die Kultur kommt nicht zu kurz mit Konzert- und Museumsbesuchen, sowie die Teilnahme an der TV-Show „Full Frontal“. Als wir dann zwei Tage später in der Lower East auf der Straße auf die Show angesprochen werden, fühle ich mich fast ein wenig heimisch. New York am Ende doch nur ein Dorf? Das alles habe ich im Gepäck zusammen mit beeindruckenden Hochhausausblicken inklusive Sonnenuntergang als ich mich auf den Weg nach Tulsa, Oklahoma mache, dem dritten und letzten Teil.

Gitzel, mein Host empfängt mich herzlich und wir feiern erst einmal Sankt Patrick´s Day. Dabei lerne ich schon einige Redaktionsmitglieder ungezwungen und zufällig kennen, bevor es am nächsten Tag mit der Morgenkonferenz beginnt. Die Reporter stellen dabei kurz Beiträge vor, die sie an diesem Tag umsetzen wollen. Gemeinsam wird entschieden, was ins Programm kommt und wann. Während wir uns häufig überlegen, welches die wichtigen Themen sind, die wir dann Anwesenden zur Bearbeitung geben, sind dort alle in der Pflicht, etwas zum Programm beizusteuern. Sie übernehmen mehr Verantwortung für Themen, weil sie sie ausgewählt haben, kennen sich gut mit ihnen aus, verfolgen sie weiter, scheinen über eine größere journalistische Autonomie zu verfügen. Was jedoch fehlt, ist eine langfristige Planung, die eine journalistische Linie verfolgt, größere hintergründige oder selbst gesetzte Geschichten anstößt. Die Themen sind typisch für eine lokale Redaktion: Unfälle, Brände, Verbrechen aller Art, aber auch Soziales. Die Reporter, die ich zum Dreh begleite, machen eine Geschichte über ein Altenheim, das Menschen
ablehnen muss, weil es zu wenig Personal hat, eine Nierenkranke, die auf ein Spenderorgan wartet, aber nun nicht mehr von ihrer Klinik betreut werden kann, weil die Abteilung geschlossen wird und ein Mädchen aus Burma, das sich so gut integriert hat, dass sie im Sommer Teil einer UNOJugenddelegation werden soll. Auffällig auch: die Effizienz der Arbeit. Konferenzen sind extrem zielorientiert und auf den Punkt. Die Reporter schneiden und mischen ihre Beiträge selbst, häufig ohne Unterstützung durch Techniker. Manche haben zuvor alleine gedreht. Danach schreiben sie den Onlinetext und bedienen teilweise noch soziale Medien. Mehrere verschiedene Beiträge am Tag sind üblich. Das alles gibt es bei uns auch, dennoch war es ein recht hoher Output eines sehr überschaubaren Teams, das mir großer Gelassenheit und Freude zu arbeiten schien. Das hat mich beeindruckt. Auch sind alle livesicher. Ein Stand-up in jedem Beitrag ist Pflicht. Durch die große Routine macht sich kaum jemand dafür Notizen, das Arbeiten erscheint mir intuitiver, authentischer. Vielleicht sind die Beiträge oberflächlicher, die Sendungen wirken recht gleichförmig. Genaues Zuhören ist nicht so erforderlich, die „Show“ lässt sich gut nebenbei konsumieren. Mit Gitzel und den Kolleginnen und Kollegen tausche ich mich über meine Eindrücke aus, erzähle, wie wir arbeiten, nehme an Brainstormings für kompliziertere Geschichten teil, gebe Feed-back, weil ich denke, so etwas zurückgeben zu können damit der Austausch in beide Richtungen funktioniert. Gitzel, die sich trotz ihrer extremen Frühdienste viel Zeit für gemeinsame Unternehmungen nimmt, mich mit zu Freunden oder Abendveranstaltungen nimmt, rührt mich sehr. Ihr und allen anderen verdanke ich so viele Eindrücke und Impulse. Es waren intensive, lehrreiche drei Wochen, von denen ich lange zehren werde. So zerrissen dieses Land ist, die Menschen, denen ich begegnet bin, waren herzlich und zupackend.


Lutz-Philipp Harbaum, RTL, Köln

Steve gibt Gas. Aus der Heizung pustet warme Luft, im Autoradio läuft Katy Perry, wir peitschen über den Highway. Links: Fastfood-Läden. Rechts: kahles Land. Und zwischendurch, in den Ortschaften: Wohnhäuser. Vor jedem zweiten, so scheint es, haben Besitzer eine USA-Fahne aufgehängt. Haben die wohl alle Trump gewählt, frage ich Steve. Er nickt. Und holt aus zum Überholmanöver.

Amerika eben
Steve ist Reporter, wir sind unterwegs zum Dreh. Und zwar in Indiana, dort, wo 2016 knapp 57 Prozent für die Republikaner gestimmt haben. Wo Trumps Vize Mike Pence herkommt. Dort, wo die Autos dick sind, die Burger fett und die Menschen stolz. Amerika eben, denke ich, etwas beschämt über mein Schubladendenken. Andererseits: es ist ja so. In Gegenden wie diesen lebt das Land seinen Alltag, und ich bin froh, einen Ausschnitt davon mitzubekommen. Auf meiner Station Week bei WFIU/WTIU, einem öffentlichen Sender, angegliedert an PBS und NPR. In der Kleinstadt Bloomington produzieren die Macher ein wöchentliches, 30-minütiges Magazin. Sara leitet die Redaktion, sie und ihre Kollegen nehmen mich sehr herzlich auf. Ich begleite Reporter auf Drehs: Wir treffen Frauen, die in einer Spezialeinrichtung von ihrer Heroinsucht loskommen wollen. Wir treffen eine Rentnerin, die im Krankenhaus fremde Säuglinge knuddelt, weil deren Mütter keine Zeit für die Neugeborenen haben. Und wir drehen mit einsilbigen Bauarbeitern, die große Kiesmengen aus riesigen Trucks auf einst überflutete Feldwege schütten. Nein, das ist kein Hollywood, kein Broadway, kein American Dream. Es ist vielleicht sogar noch besser: es ist ehrliches, echtes Leben.

Die USA als Fernsehgesellschaft
Vor Ort überrascht mich immer wieder die Funktionalität, mit der sie in Indiana arbeiten. Einerseits journalistisch, aufseiten von Steve und den Kollegen, die offenbar immer nur das Nötigste drehen. Pragmatismus pur. Eine gute Tugend. Aber auch aufseiten der Protagonisten, die immer sofort wissen was zu tun ist und das bereitwillig umsetzen. Die USA als Fernsehgesellschaft: das zeigt sich hier im Brennglas. Amerika eben.

Krawatten, Korrespondenten und Käseschnitzel
Das alles, das redaktionelle Arbeiten im amerikanischen Amerika war vor allem deswegen so spannend, weil wir vorher zwei Wochen im verhältnismäßig unamerikanischen Amerika waren. Washington, New York. Große Persönlichkeiten in sehr hohen Hochhäusern, honorige Redner, Krawatten, Anzüge, Nice to meet you. Exklusive Einblicke in die Welt der Journalisten und Politiker in der „Bubble“, wie sie New York und Washington selber nennen. Wobei mir bis heute nicht klar ist, ob sie das selbstkritisch oder selbstbeweihräuchernd meinen.

Was mir aber sehr wohl klar ist: es ist ein großes Privileg, diese Eindrücke auf der RIAS-Reise zu bekommen. Mit Kongress-Abgeordneten über Trump zu diskutieren. Mit Politprofis über den NATO-Austritt der USA zu sprechen. Bei der New York Times die Macher des weltweit erfolgreichsten Podcasts zu treffen. Bei CBS 60 Minutes Bill Whitacker. Und und und. In einer New Yorker Suppenküche Schnitzel mit Käse für Obdachlose zu braten, sie zu bedienen, mit ihnen zu reden. Durch die wirren Gänge des Pentagons zu laufen, ein Gebäude wie eine kranke Schlange. Analysen von Meinungsforschern zu sezieren. Durch grell leuchtende Newsrooms zu stiefeln, Korrespondenten-Kollegen zu treffen, zu erfahren, wie Trump für sie Fluch und Segen ist. Fluch, denn einigen wird die Arbeit praktisch erschwert. Segen, denn langweilig wird es nie.

„Great Question!“
Und immer wieder: diese unbändige amerikanische Freundlichkeit, die wir nörgeligen Deutschen manchmal auch etwas oberflächlich finden. Ja, ich gebe gerne zu: auch ich. „Great Question“, so fingen die Antworten unserer Gesprächspartner oft an. In Deutschland ist dieser Satz für Journalisten ja ein kleiner Ritterschlag. In den USA dagegen ein Ritual. Es dauerte ein paar Tage, um das zu begreifen.
Und überhaupt: die Reise lebte von den vielen Alltagsbeobachtungen, den begeisternden, aber auch verstörenden. Vom Arbeiten mit der englischen Sprache, von persönlichen Bekanntschaften, vom Mix aus Einordnungen einer offiziellen, eher linksliberalen Elite und den Bildern, die das amerikanische Amerika bei mir hinterlassen hat, draussen, mittendrin, in Indiana.
Steve nimmt den Fuß vom Gaspedal. Katy Perry ist endlich stumm. Die Heizung pustet immer noch. „Lust auf Burger?“ fragt er. Ich nicke. Er auch. Amerika eben.


Ann-Kathrin Horn, Deutschlandfunk Nova, Köln

Texas, die NASA und Journalismus
Capcom, MOCR, green team, LGC – ich hätte nicht gedacht, dass ich mal “Expertin” für NASA-Abkürzungen werde. Drei ganze Tage konnte ich Weltraum-Euphorie schnuppern, neue Robonauten und alte Astronauten-Kapseln aus der Nähe sehen und Ingenieure und Sekretärinnen der Mondlandung interviewen. Meine Station-Week in Houston, Texas, war also ein voller Erfolg. Natürlich auch deshalb, weil Texas so ganz anders ist als Eastcoast, Westcoast oder Midwest. „Hey, y’all“, Cowboys, Tex-Mex, Country, Glaube, Freiheitsliebe – um die Klischees zu bestätigen. Meine gastgebenden Journalisten bei Houston Public Media erklären mir, warum man so viel Armut auf Houstons Straßen sieht: Weil Hurricane Harvey viele Shelter zerstört hat. Und sie erzählen, dass sie als Journalisten nie auf die Idee kämen, sich online zu Politik zu äußern, um sich nicht angreifbar zu machen.

Auch die Journalistinnen und Journalisten, die wir in Washington und New York treffen, wissen, dass sie unter großer Beobachtung stehen und sich keine Fehler erlauben dürfen. Zum einen sind die Jobs nicht besonders sicher, zum anderen scheint die Bevölkerung ziemlich skeptisch und misstrauisch. Teilweise zu Recht, wenn man sich die meinungsgeladenen Abend-Shows auf den Nachrichtenkanälen anschaut, in denen sich die politischen Extreme ihre eigenen Blasen aufbauen.

Welcome to Politics
Die Woche in DC war der perfekte Auftakt unserer Reise. Politisch sind die Zeiten spätestens seit Trumps Amtsantritt permanent spannend, unsere Reise fällt in die Zeit des Notstandes an der mexikanischen Grenze und der Frage, ob dieser Notstand – ebenso wie mögliche Kontakte zu Russland im Wahlkampf – rechtmäßig war. Erleben wir möglicherweise Trumps Demontage? Nein, natürlich nicht. In unseren Gesprächen mit aktuellen und ehemaligen Kongressabgeordneten und Think-Tank-Wissenschaftlern versuchen wir zu verstehen, was die Republikaner hinter Trump hält und welche Voraussetzungen ein/e demokratische/r Präsidentschaftskandidat/in erfüllen müsste, um gegen ihn bei der nächsten Wahl zu bestehen. Das Land ist tief gespalten, das hören wir immer wieder. Demokraten gegen Republikaner, liberal gegen konservativ, reich gegen arm, weiß gegen schwarz – durch die Gesellschaft verlaufen viele Risse. Immerhin werden sie ausführlich thematisiert und diskutiert.

60 Sekunden oder 60 Minuten
Nicht nur aus politischer Sicht sind die USA spannend. Bei NPR, CBS, NBC, MSNCB, Bloomberg und der New York Times können wir uns anschauen, wie gearbeitet wird. Wie funktioniert so ein erfolgreicher Podcast wie „The Daily“? Warum gibt es bei NPR eine eigene Redaktion, die sich nur um das Thema Ethnie und Diversität kümmert? Was setzt sich durch: Fakten oder Meinung? Die Geschwindigkeit hier ist eine andere als (beim öffentlich-rechtlichen Rundfunk) in Deutschland –alles läuft schneller, direkter. Gleichzeitig gibt es auch hier eine große Spannweite. Der Radio-Nachrichten-Mann bei Bloomberg rattert ohne Pause seine Aufsager ins Mikro, während sich die Journalisten bei der renommierten Fernsehsendung 60Minutes zum Teil Wochen und Monate Zeit für ihre Recherchen nehmen und ziemlich „altmodisch“ arbeiten.

Facetten- und lehrreich
Die Reise bestätigt: Es gibt nicht „das eine Bild“ der USA, sondern viele Facetten, und jede ist es wert, genauer hinzuschauen. Was für eine gute Sache, dass RIAS den Austausch fördert und Journalisten das Land hautnah erleben lässt. Alle Termine in DC und New York waren für dieses Erleben hervorragend ausgewählt!


Sarah Kelly, Deutsche Welle, Berlin


Marcel Machill, Universität Leipzig, Leipzig

Ankunft am Dulles International Airport in Washington. Mehrere Flugzeuge aus aller Welt. Es ist voll an diesem Sonntagnachmittag und die Schlange vor der Immigration ist lang. Nur wenige Schalter sind mit Beamten besetzt; es geht quälend langsam voran. Aber der Vorteil dieses langen Wartens ist: Ich kann mir all die Menschen anschauen, die in der Schlange für „U.S. Citizens“ und in der Schlange für „International“ stehen. Es gibt nur einen Unterschied bei diesen beiden Schlangen: Bei den Amerikanern geht es schneller voran. Ansonsten? Die Gruppe ist genauso bunt gemischt wie bei den Ausländern: viele verschiedene Haar- und Hautfarben, Augenformen, Kleidungsstile. Also doch: die Vereinigten Staaten von Amerika als der melting pot der Weltkulturen.
Was hat dieses Land in den vergangenen 20 Jahren so verändert? Welche Rolle spielen dabei die Medien? Das sind zwei der wichtigsten Fragen, die mich bewegen und für die ich in den nächsten zwei Wochen Antworten finden möchte.
Was ich denn in den USA wolle, fragt mich der Beamte der Einwanderungsbehörde – und ob ich irgendwelche Nahrungsmittel bei mir habe. Als ich verneine, fragt er nach, was ich denn heute Abend noch essen wolle. „Well, there should be a Burger King around the hotel“, ist meine Antwort. Er lacht und drückt den Stempel in meinen Pass.
Es wird dann doch der Italiener neben dem Hotel. Es regnet in Strömen. Gemeinsame Taxifahrt mit dem Kollegen vom WDR und von RTL. Nette Gruppe im Restaurant, die meisten sind schon da. Prima Einstieg.

Polarisierung – die Fliehkräfte in der Gesellschaft nehmen zu
Am Montagmorgen im Pew Research Center. Besser hätte der erste Termin nicht ausgesucht werden: Fakten über Fakten – und das von einem der angesehensten Sozialforschungsinstitute der Welt. Hier wird schon einiges klar: Die Polarisierung der amerikanischen Gesellschaft ist weit vorangeschritten – und sie ist kein Produkt der unsäglichen Trump-Regierung, sondern hat sich in den vergangenen 15 Jahren verfestigt.
Dienstag im Women’s Media Center lerne ich das tolle Projekt „SheSource“ kennen: eine Datenbank mit Expertinnen, damit die Journalisten bei ihren Recherchen nicht immer die gleichen… Männer als Interviewpartner auswählen müssen. Klasse! Nachmittags im größten Bürogebäude der Welt, dem Pentagon. Wow!
Was in den nächsten Tagen in Washington tatsächlich so horizonterweiternd ist: all die unterschiedlichen Perspektiven. All die unterschiedlichen Fakten und es sind dabei keine alternativen Fakten, sondern unterschiedliche Puzzleteile, die jedes für sich genommen richtig sind und in der Gesamtschau Erklärungen für den Status Quo der USA liefern. Da sind die beiden Kongressabgeordneten Charlie Dent (ehemals republikanischer Abgeordneter und jetzt Kommentator bei CNN) und Mike Doyle (demokratischer Abgeordneter): Dent wirft den Medien vor, dass sie in Bezug auf Donald Trump wie die Motten auf das Licht reagierten und ihm somit für seine zerstörerischen Äußerungen zu viel Raum böten. Und auch Mike Doyle weist – aus meiner Sicht völlig zu Recht – auf einen Verzerrungseffekt durch die Medien hin: Alle würden sich auf die neu gewählte Kongressabgeordnete Alexandria Ocasio-Cortez stürzen und über sie berichten. Aber nach Doyles Einschätzung steht sie nicht für die Mehrheit der insgesamt 60 neuen Kongressabgeordneten. Viel zu weit links. Tja, auch die deutschen Medien vernachlässigen nach wie vor die Mitte der amerikanischen Gesellschaft. Klasse, dieser Termin bei Doyle hat einiges gerade gerückt.

Der Demokratie nicht würdig: fiese Tricks bei Wahlen und Registrierung
Bestürzendes und Alarmierendes bei der Congressional Black Caucus Foundation: Dass diese Gruppe für die Interessen der Schwarzen eintritt, hatte ich erwartet. Aber dass ich hier so viel lernen würde über beschämende Tricks, mit denen beim Herzstück der Demokratie – den Wahlen an sich – getrickst wird, hätte ich nicht erwartet. Miese Tricks, um es insbesondere der arbeitenden Bevölkerung schwer zu machen, sich zu registrieren und an den Wahlen teilzunehmen. Und das gerrymandering, also die Manipulation von Wahlkreisgrenzen, damit die eigenen Erfolgsaussichten erhöht werden. Kein Wunder also, dass diese Gesellschaft immer weiter auseinander driftet. Wie soll man Respekt vor einem Wahlsieger haben, wenn sein Sieg durch solche unfairen Tricks zustande gekommen ist?
Einer der spannendsten und herausfordernsten Termine: das CATO Institute. Im Keller dieses von den Koch-Brüdern finanzierten Thinktanks ein schmuckloser, sehr schlichter Hörsaal. Kein Bild an den Wänden. Stattdessen eine Kamera, die nicht etwa den Redner aufnimmt, sondern mit der das Publikum „gesehen“ werden kann. Zwei Vorträge, die eine Deutschland kaum bekannte Denke vertreten: Libertarianism. Die Vorträge sind gut und fordern heraus. Die USA sollten die NATO verlassen. Deutschland solle einen eigenen atomaren Schutzschild aufbauen. Wie erwartet argumentiert das deutsche Publikum mehrheitlich dagegen – aber die CATO-Experten sind gut vorbereitet. Es wird eine spannende Diskussion. Ceterum censeo…
Ganz anderes politisches Spektrum, aber ebenso gut: die Experten bei Freedom House. Seit vielen Jahren verwende ich die jährlich erscheinende Studie über Pressefreiheit (und –unfreiheit) in der Welt in meinen Vorlesungen. Jetzt kann ich mit den Verantwortlichen live und in Farbe diskutieren… und gleich mal ein bisschen provozieren durch meine Frage, ob bei den nächsten Wahlen in den USA nicht mehr europäische Wahlbeobachter vor Ort sein sollten. Michael Abramowitz kann da zwar nicht so richtig drüber lachen, aber er sieht eben auch, dass die USA in dem von Freedom House erstellten Demokratieindex zurückgefallen ist.
Ein bisschen mehr erwartet hätte ich mir von dem Besuch beim National Public Radio, dieser Institution, die noch am ehesten mit unserem öffentlich-rechtlichen Radio verglichen werden könnte. Die Diskussion mit den Journalisten dort war nicht so tiefschürfend wie erhofft. Aber lehrreich: Beim Besuch bei NPR mussten wir unsere Handys in eine abschließbare Hülle stecken, damit auch ja bloß niemand zwischendurch Fotos der Personen oder der Themen macht. Beklemmend, wie sich eine ganze Radiostation „unter Belagerung“ fühlt – auch dies Auswirkungen eines Trump-Ausspruchs, der Journalisten zu ennemies of the people macht.

Der schnelle Puls der Medien in New York
Zugfahrt von Washington nach New York. Ortswechsel, Tempowechsel. Alles wird schneller und größer. Mehr Medientermine, weniger Reflexion. Hier in NYC schlägt der Puls schneller. Wir sind bei der New York Times – aber hier vor allem bei dem neuesten journalistischen Produkt, dem Podcast „The Daily“. Die große alte Dame des amerikanischen Journalismus geht also digital und Radio gleichzeitig. Bloomberg, NBC… all die großen Namen: viele Eindrücke, viele Gespräche. Und natürlich bei „60 Minutes“ von CBS, eine der Institutionen des amerikanischen Journalismus. Ein beeindruckendes Hintergrundgespräch mit Bill Whitaker, dem Gesicht von 60 Minutes. Es gibt ihn also noch: den klassischen, gut recherchierten amerikanischen Journalismus, der sich nicht mit der Oberfläche zufriedengibt.
Die Medientermine sind in der Mischung mit den „Hintergrund“-Terminen gut und wichtig. Der Eindruck über Puls und Rhythmus der amerikanischen Öffentlichkeit vervollständigt sich.
Langweilig der Termin beim deutschen UN-Botschafter Heusgen. Ein toller Blick aus dem German House heraus auf das riesige UN-Gebäude – aber drinnen gibt es außer poliertem und oberflächlichem Diplomatengerede nichts, noch nicht mal einen Schluck Wasser für die Gäste.
Aber zwei Highlights stehen noch auf dem New Yorker Programm. Da ist der Besuch beim American Jewish Congress. Wir werden auf Deutsch herzlich begrüßt. Und es folgt eine beeindruckende Rede von David Harris, die uns allen in Erinnerung bleiben wird und nach der man noch einmal versteht, warum Deutschland gut daran tut, das Wohlergehen Israels als Staatsräson zu definieren.
Das zweite Highlight kommt beim Kochen. In der St. James Church in der Madison Avenue, einer der wohlhabendsten Wohngebiete in Manhattan, bereiten wir für Obdachlose ein Mittagessen vor. Der pensionierte Journalist Bob Jamieson engagiert sich hier – und wir finden uns nach anfänglichem Zögern als gesamte Gruppe in dieses Engagement hinein. Das Besondere ist: Nach dem Kochen servieren wir den rund 90 Obdachlosen, die um große runde Tische herum wie in einem Restaurant sitzen, das Essen. Die Hintergründe der Gäste sind so vielfältig wie die derjenigen, die außer uns in der Küche noch mithelfen und nicht mit allen kann man „einfach mal so“ sprechen. Aber dass in diesem so hart kämpfenden Land mit der Überdosis Individualismus eben auch diese – rein privat finanzierte – Wohltätigkeit existiert, lässt hoffen.
Summa summarum kann ich festhalten: Die Mischung macht’s! Es war genau diese Kombination aus Politik, Hintergrundgesprächen und Medien, die die Zeit in den USA so wertvoll gemacht hat. Wertvoll deshalb, weil ich aus erster Hand in den Gesprächen mit Kongressabgeordneten, bei den Diskussionen in den Think Tanks und beim Erfahrungsaustausch mit den journalistischen Kolleginnen und Kollegen erfahren konnte, was die Vereinigten Staaten in den vergangenen 20 Jahren so sehr verändert hat. Auch bei den Medien-Besuchen war der Mix aus ehrwürdigen und vorbildlichen Institutionen wie „60 Minutes“ bei CBS und den neuesten Entwicklungen bei der New York Times, NBC oder dem schnelllebigen Bloomberg genau richtig. Und last but not least war auch die Balance in der Teilnehmergruppe aus erfahrenen und jüngeren Kollegen, aus privaten und öffentlich-rechtlichen Medien sowie den unterschiedlichen Ressorts so gut angelegt, dass the whole experience zu einem exzellenten melting pot aus Eindrücken, Austausch und einer ordentlichen Portion transatlantischer Gemeinsamkeit werden konnte.
Thank you very much for the opportunity – vielen Dank, dass Sie mir durch die finanzielle Förderung und die exzellente Organisation der einzelnen Termine diese wertvolle Erfahrung ermöglicht haben.


Maria Luz Moraleda, Deutsche Welle, Berlin

When the border is the river, Eagle Pass (Texas)
Die Erfahrungen, die ich am Grenzfluss zwischen Mexiko und dem US-Bundesstaat Texas gemacht habe, waren mit Sicherheit die prägendsten, die ich während meines Aufenthalts als Auslandsreporterin erlebt habe. Dank meiner Gastgeberin Yami Virgin, Journalistin bei Fox News in San Antonio in Texas, konnte ich mit einer Drehgenehmigung in ihrem TV-Team Live mitwirken und eine US-Grenz-Patrouille zwischen Eagle Pass (Texas, US) und Piedras Negras (Coahuila, México) begleiten. Im Nachhinein erfuhr ich, dass diese „ride alongs“ für die ausländische Presse kaum möglich sind und somit ist es für mich ein großes Privileg, dabei gewesen zu sein.

Auf meiner Rückfahrt fragte mich Yami, was mich am meisten auf dieser Mitfahrt beeindruckt hat. Insbesondere erinnere ich mich an folgendes Erlebnis: Als die Grenz-Patrouille fast zu Ende war, informierte uns der Einsatzleiter, dass eine Person im Fluss gesichtet wurde. Es handelte sich um einen Mann aus Guatemala, der ohne Beine und im Rollstuhl versuchte, den Strom zu überqueren. Die knisternde Spannung an der Grenze, die man dort ständig verspürt, und die Bilder und Erlebnisse wie dieses haben so viele Gedanken und Fragen in mir aufgeworfen, die mich bis jetzt nicht loslassen:

Wieso sehen so viele Menschen keine andere Wahl als ihr eigenes Leben zu riskieren, um die Grenze zu überqueren? Sind diese von Weg und Wetter so zermürbten Menschen an der Grenze die „Kriminellen“, vor denen uns US-Präsident Trump in seinen Tweets warnt? Kann eine Betonmauer die illegale Einwanderung verhindern und beruhen die Fluchtursachen auf einem „Notstand“ oder ist Migration ein Teil der Menschheitsgeschichte?

Ich wäre am liebsten sofort zurück nach Washington D.C. und New York gereist, wo wir mit der RIAS-Gruppe zwei Wochen zuvor in schicken Büros von US-Kongress-Abgeordneten, Think-Tanks, Organisationen und Medien empfangen wurden. Ich würde diese Entscheidungsträger fragen, ob sie die Zustände vor Ort selbst gesehen haben.

They don’t pay taxes, Laredo (Texas)
Am zweiten Tag an der Grenze, bekam ich die Nachricht, dass Migranten aus den ICE-Zentren (Immigration and Customs Enforcement), in die sie überführt werden, wenn sie von der Grenz-Patrouille gefangengenommen werden, wegen Überfüllung der Zentren entlassen wurden. Ich bin sofort zur Busstation von Laredo gefahren, um mit den entlassenen Migranten zu sprechen und mir ein Bild von der Lage zu machen.

Besonders überrascht war ich, dass sich nur eine Hilfsorganisation um die Menschen gekümmert und Essen, Bustickets und Unterkunft bereitgestellt hat. Es war ein guter Anlass, um über die Lage für die Deutsche Welle (DW) zu berichten. Der Fernsehsender aus San Antonio war von meiner Story überzeugt und schloss mich bei meinem Interviews dabei zu helfen und eine live Berichterstattung vor Ort zu machen.

Dann nutzte ich die Gelegenheit, mit dem Emergency Management Coordinator von Laredo zu sprechen. Ich fragte ihn, warum keine Hilfe aus der Stadt Laredo bereitgestellt wird, wenn die Behörden doch verlautbaren, dass es sich um einen „Notstand“ handele und die katholische Hilfsorganisation aus Laredo Schlafplätze in der Kirche für die freigelassenen Migranten eingerichtet hat.

Seine Antwort: „We are not opening a shelter here. At the end of the day, our primary responsability as a city is to take care of the city residents. They are the one who pay taxes. This is a federal crisis, not a local one. Republicans and democrats have to put their differences aside in Congress and Senate and come with true immigration reforms so they can put an end to this. This is a result of a broken system.“

Ich musste Blitzartig wieder an meine Besuche in Washington und New York denken. Eine vernünftige Lösung oder auch nur einen Vorschlag habe ich weder bei Republikanern noch Demokraten finden können.
„Let them stay!“, San Antonio (Texas)
Viele Migranten wie der 12-jährige Iván aus Guatemala, mit denen ich gesprochen habe, gehen aus Angst, abgeschoben zu werden, nicht mehr alleine zu offiziellen Terminen mit Behörden. Sie werden durch ehrenamtliche Helfer, Priester und Anwälte der lokalen Hilfsorganisationen vertreten. Wie sie berichten, nehmen aber auch die Demonstrationen gegen die Abschiebepraxis in Texas zu.

Ich konnte von einer dieser Demonstrationen für die DW berichten. Dort traf ich eine Frau aus Honduras. Sie wollte aber nicht gefilmt werden: „Wenn mein Mann aus Honduras sieht, dass ich hier mit meiner Tochter bin, wird er mich töten. Ich kann nicht mal meiner Familien in Honduras anrufen und sagen, dass wir am Leben hier sind.“ Die Flucht vor den „Maras“, den kriminellen Jugendbanden ist auch einen großen Grund aus Mittelamerika in die US einzuwandern.

Danke RIAS, konnte ich mit diesen Menschen, von deren Schicksalen ich immer wieder in den Nachrichten gehört habe, treffen. An ihre persönlichen Geschichten werde ich mich noch lange Privat und beruflich erinnern.
The cult of the presidency, Washington D.C.
Ein Name der in jedem Gespräch, wie ein Geist allgegenwärtig ist: Donald Trump. Fünf Wochen bin ich durch die Vereinigten Staaten gereist. Dabei konnte ich überall feststellen, wie gespalten das Land derzeit ist. Die Spaltung reicht, wie das Pew Research Center ermittelt und uns präsentiert hat, bis in die Medien hinein. Er steht in der Mitte derer, die ihn lieben, und derer, die ihn hassen.

Bei dem Besuch von Journalisten an der New York Börse und bei Bloomberg habe ich zu Ohren bekommen: Trump might not be good for America, but he is good for business.

Ausschlaggebend war der Vortrag von Vizepräsident des CATO Institute, Gene Healy. Er erläuterte uns, wie gefährlich der „Kult der Präsidentschaft“ sein kann. Sein Buch „The Cult of the Presidency: America’s Dangerous Devotion to Executive Power” wurde bereits 2008 veröffentlicht. Nach seiner These steht Donald Trump also nur in einer Reihe dieses Kults der Präsidentschaft der letzten 20 Jahren in Amerika, wie auch viele unserer Gesprächspartner erwähnt hatten.

Die Medien haben eine gewisse Verantwortung dafür, indem sie seine Position durch verschiedene Zuschreibungen überhöhen: er ist „a social worker“, „a guardian angel“, “our command in chief”, „the chief magistry“, „the leader of the free world”. Der Präsident ist verantwortlich für alles. Doch, so Healy, stehen all diese „Aufgaben“ nicht in der US-Verfassung.

Die andere Sicht auf die Präsidentschaft erklärte mir Charlie Dent, ein Republikaner, der viel Zeit zusammen mit Donald Trump verbracht hat: „People who hate Trump, take him literally but not seriously, I do take him seriously. He is very impulsive“. Nach dieser unvergesslichen RIAS Erfahrung, werde ich Donald Trump für 2020 doch ernst nehmen.

Ich danke dem RIAS und meiner Gastgeberin, dass sie mir diese unvergesslichen Eindrücke und aufschlussreichen Gespräche mit politischen Entscheidungsträgern und Organisationen ermöglicht haben.


Anna Müllerleile, Hamburg Zwei, Hamburg

Eine Woche ist es jetzt her, dass ich in Los Angeles in den Flieger gestiegen bin und nach drei Wochen RIAS Programm wieder in mein „normales“ Leben zurückgekommen bin.

Mein Host von meiner Station Week hat mir grade einen Link von einem Edith Piaf Lied geschickt, dass wir zusammen gehört haben, RIAS Teilnehmer Jan – Peter aus der Tagesschau Redaktion Frankfurt schickt mir Grüße aus San Diego und Tom, ein Mitte 70 jähriges politisches Urgestein aus Los Angeles schreibt mir, dass er heute in Hamburg ist und gern bei mir vorbeikommen möchte.

Es waren nur drei Wochen und ich weiß jetzt schon, dass ich für’ s ganze Leben etwas mitnehmen werde. Die Erfahrungen, die Begegnungen und die Kontraste von drei Metropolen der USA.

Washington:
Noch ziemlich mit Jetlag starten wir mit einem Frühstück im National Geographic Museum in drei vollgepackte Wochen.
Washington ist so sauber, so ordentlich und nur die „Make America Great Again“ Mützenverkäufer und die schwer bewaffneten Securitys vorm Weißen Haus erinnern mich daran, dass ich nicht in Skandinavien, sondern in den USA bin.

Meine Highlights in dieser Woche waren der Besuch bei der Congressional Black Caucus Foundation, bei NPR und abends der Besuch beim Poetry Slam, bzw. Story Telling Abend „The Moth“.

Beim Black Caucus erzählt uns CEO Dr.Elsie L. Scott, dass ihr Vater nicht wählen durfte und wie er für die Rechte der Schwarzen in den USA gekämpft hat. Beim Podcast „Code Switch“ von NPR geht es auch um Rassismus. Ich lerne, dass Mickey Maus und Dumbo gar nicht so süß und niedlich sind, sondern wie viel versteckter Rassismus sogar in diesen Kinderfiguren steckt.

Obwohl wir auch in Deutschland durchaus von der Unterdrückung der Schwarzen in den USA hören, war mir nicht bewusst wie aktuell das Thema nach wie vor ist. Und überhaupt: sagt man black people oder coloured people – was ist überhaupt korrekt? Warum habe ich mir darüber nie so genau Gedanken gemacht?
Auch heute wird auf legalem Wege getrickst, um die Menschen zu kontrollieren, die zur Wahl gehen dürfen. Schwarze Jugendliche bekommen auch heute noch „The Talk“ von ihren Eltern, um zu lernen wie sie sich in einer Polizeikontrolle verhalten oder auch wo sie sich abends besser nicht aufhalten sollen.
Ich merke grade, dass ich auch im Deutschen nicht weiß, was der korrekte Ausdruck ist: Schwarze, Farbige, Afro Amerikaner? Und umso mehr realisiere ich, dass ich mich mit diesem Thema mehr auseinandersetzen will.

In Washington geht’s sehr politisch zu. Von Besuchen im Pentagon, über das Gespräch mit dem Kongressabgeordneten Mike Doyle oder auch dem Besuch beim Keto Institut. Da ist der Abend von „The Moth“ eine schöne Abwechslung. Das ist nicht hochgestochener, pseudo Künstler Poetry Slam, sondern sind Normalos die Ihre Geschichte erzählen – Story Telling halt. Das Thema ist Magic und einen Abend lang erzählt uns der arabische Senior, der geschniegelte Doktor, die lustige karibische Mit – Dreißigerin oder der singende Soldat uns ihr persönliches magisches Erlebnis.

New York:
Mein zweiter Besuch in der Stadt, die niemals schläft und sofort muss ich aufpassen von dem Tempo der Stadt nicht mitgerissen zu werden.
Aber gleichzeitig ist das auch motivierend und das Adrenalin hält mich wach.

Weg von der großen Politik, hin zu den vielen Radio – Fernsehstudios und bunteren Stopps.

Der Besuch bei Bloomberg ist sehr beeindruckend. Was für ein Gebäude und eine Nachrichten Legebatterie – wie eine Kollegin passend vergleicht. Hier wird in einem Tempo gearbeitet, das mir so noch nicht begegnet ist und das für mehrere Zeitzonen gleichzeitig. Zack, die Nachrichten für New York, dann rüber nach San Francisco und weiter nach Hongkong…was man halt so macht.

Einen ganzen Tag waren wir bei NBC, das hat gut getan mal nicht von einem Termin zum nächsten zu eilen, sondern alles in einem Gebäude zu haben. Und nicht irgendeinem, ein Tag im Rockefeller Center.
News Anchor Michael Gargiulo beginnt die Einführung und das ganz charmant auf Deutsch. Wir werden durch die verschiedenen Redaktionen geführt, sind im Kontrollraum bei den Mittagsnachrichten dabei und treffen später auf den CEO von NBC.
Krönender Abschluss ist dann ein Cocktail im „Rainbow Room“, der Bar im Rockefeller Center im 64. Stock.

Was für eine Woche. Gefühlt kenne ich jetzt jeden News Room aus New York, habe Bill Whitaker von 60 Minutes kennengelernt, habe Musicals am Broadway gesehen, war in Jazz Bars, habe die Wohnung von italienischen Einwanderern angesehen und habe mit Claire Toenniskoetter von der New York Times Karaoke gesungen.

Station Week Los Angeles:
Aus dem eisig kalten New York geht’s in 27 Grad und Sonnenschein nach LA.
Vom Flughafen fahre ich direkt an den Strand nach Venice Beach, mein AirBnB ist nämlich noch nicht fertig und ich hole mir direkt einen Sonnenbrand.

Am nächsten Tag treffe ich auf meinen großartigen Host Frank Mottek. Frank moderiert den Business Teil im Nachrichtenradiosender KNX 1070 und produziert den wöchentlichen Podcast „Mottek on Money“.
Frank kennt gefühlt alle und jeden in LA und eine Woche reicht gar nicht aus, um alles mitnehmen zu können.
Ich begleite ihn in seiner Station, sitze beim Vormittagsmoderator dabei, sehe wie er die Sendung fährt und vorbereitet, bekomme einen Einblick in die verschiedenen Musiksender im Gebäude und darf, als kleines Highlight, bei einem Treffen der Musikredaktion von KROQ dabei sein und neue Bands für das Programm der kommenden Woche aussuchen.

Franks Eltern kommen aus Deutschland, er spricht selber ein bisschen Deutsch und wir singen gemeinsam mit seiner kleinen 2-Jährigen Tochter deutsche Kinderlieder. Er ist nicht nur ein Vollprofi, sondern auch ein sehr sympathischer Mann, der sich viel Zeit für mich nimmt.

Ein Freund von Frank führt mich 5 Stunden durch Los Angeles, zeigt mir alles was man sehen kann und nimmt mich am nächsten Morgen früh um 06 Uhr zum Sonnenaufgang mit zum Griffith Observatory. Wow, Los Angeles kann so schön sein.

Und noch zwei weitere Highlights, dann komme ich auch zum Schluss.
Weil Frank den Agenten des deutsch – amerikanischen Schauspielers Eric Braeden kennt, besorgt er mir eine Führung durch die CBS Filmstudios und ein Interview mit dem bekannten Schauspieler. Ich fühle mich erst überfordert, dann ist es ein tolles Erlebnis und ich habe mich mit Eric Braeden gut über die politische Situation in den Staaten unterhalten.

In meiner Woche in Los Angeles findet die Verleihung vom Journalisten Award statt. Frank ist einer der Gastgeber und der Moderator des Abends. Toll, bei diesem Abend dabei sein zu dürfen.

Dank Frank lerne ich außerdem die schicksten Restaurants der Stadt kennen und tauche einmal kurz ein in die Welt der Reichen und Schönen in Hollywood.

Vielen Dank an Eric Kirschbaum, KC Schilling und Frank Mottek für diese ereignisreichen drei Wochen mit dem RIAS Programm.


Maria Regis, Mitteldeutscher Rundfunk, Leipzig

Da stehe ich also vor dem Büro der polarisierenden und von US-Medien gefeierten Politikerin, DEM Shooting-Star der Demokraten und bin ein wenig aufgeregt. Cool finde ich sie auch, folge ihr bereits länger auf Twitter und bin fasziniert von ihrer Energie. Alexandria Ocasio-Cortez, AOC, so alt wie ich, gerade einmal 29. Sie mischt den in die Jahre gekommenen Politikbetrieb auf, provoziert, verfolgt eine sozialistisch angehauchte Politik. Trump nennt ihr Lager die „radikale Linke“. Und da hängen sie, dutzende Klebezettel in Pastellfarben, mit kurzen Grußbotschaften, Herzen, einem Dankeschön. AOC hat viele Fans, vor allem unter jungen Amerikanern. Ihr Büro im Abgeordnetenhaus, dem Cannon House Building, ist eines der wenigen, welches so viel sichtbare Unterstützung erhält.

Auf den Boden der Tatsachen hatte mich zuvor ihr Parteikollege und Politveteran Mike Doyle gebracht. Doyle sitzt seit 1995 für den Staat Pennsylvania im US-Repräsentantenhaus und hat bereits Viele kommen und gehen sehen. Wir sitzen eng nebeneinander auf dick gepolsterten dunklen Ledersofas in seinem Büro und kurz habe ich das Gefühl, eine „House of Cards“-Szene mitzuerleben. Er ist kein Fan von Präsident Trump, sagt Doyle. Alle Gesetze, an denen er und seine Parteikollegen die vergangenen zwei Jahre gearbeitet haben, werden wohl weiterhin in der Schublade warten müssen. Warten auf einen anderen Präsidenten, auf ein neues Kräfteverhältnis im Repräsentantenhaus. Wer denn seiner Meinung nach das Rennen im nächsten Wahlkampf macht, fragen wir. Tja, bei so vielen Kandidaten sei bisher noch alles offen. Nur bei einem ist er sich sicher: Bernie Sanders habe keine Chancen. Zu links, zu radikal. Genauso wie Alexandria Ocasio-Cortez und ihre MitstreiterInnen. Es sei unfair, dass nur ihr Flügel die ganze Aufmerksamkeit bekomme, alle headlines. Die Demokraten seien viel mehr als die neuen, frischen Gesichter. Das klar zu machen scheint ihm wichtig.

Nach solchen Terminen weiß ich, wir sind angekommen. Im Herzen der US-Politik, im Bienenstock Washington. Von außen wirkt die Stadt ruhig, weit und fast ein wenig zu repräsentativ. Doch im Inneren summt es. Im Capitol, dem Weißen Haus und den Abgeordnetenbüros herrscht geschäftiges Treiben. Und wir 14 deutschen Journalisten sind mittendrin. Meine RIAS-Gruppe ist querbeet gemischt, wir kommen von verschiedenen Rundfunkstationen, von jungen Journalisten bis zu erfahrenen Kollegen ist alles dabei. Und doch oder gerade deshalb finden wir schnell zueinander. Gerade dieser Austausch macht die Reise zu etwas ganz Besonderem.

Spannend ist auch unser Besuch beim National Public Radio, kurz NPR. Anders als öffentlich-rechtliche Sender in Deutschland wird NPR nur zu einem kleinen Teil aus staatlichen Geldern finanziert. Ein Großteil des Programms wird mit großzügigen Spenden gestemmt, die auch mal von Konzernen wie Coca Cola stammen können. Das Programm beeinflusse dies in keinster Weise, versichern die Hörfunkkollegen, die ein tolles Portfolio zu bieten haben. NPR produziert alles, von Finanzpodcasts über Nachrichtentalks bis hin zu den berühmt-berüchtigten tiny desk concerts. Da quetschen sich Künstler wie die Blue Man Group, Adele, John Legend oder The Roots mitsamt Band hinter Bob Boilens Schreibtisch und performen auf 4 Quadratmetern. Stacey Samuel, unsere quirlige Gastgeberin beantwortet trotz nur 4 Stunden Schlafs all unsere Fragen. Sie ist Redakteurin für Europathemen, arbeitet quasi in einer anderen Zeitzone. Nur eines ist Tabu. Alle Handys müssen in speziell verschließbare Hüllen gepackt werden, die man erst am Ende der Tour geöffnet bekommt. Zu groß die Gefahr, dass bei der Tour durch die Redaktionsbüros vertrauliche Infos auf Computerbildschirmen abgelichtet werden könnten.

Die Washingtoner Woche geht viel zu schnell herum und war doch erst der Einstieg. Nach einer vierstündigen Zugfahrt erwartet uns gelinde gesagt ein Tapetenwechsel, ein Großstadtzirkus der seinesgleichen sucht. New York. Hier jagt ein Highlight das nächste, an Schlaf ist kaum zu denken. Vom ergreifenden 9/11-Memorial geht es ab zur New York Times. Und wer glaubt, schon hier den journalistischen Höhepunkt erlebt zu haben, wird beim Besuch der deutschen Botschaft eines Besseren belehrt. Da hat sich Christoph Heusgen, unser deutscher UN-Botschafter, tatsächlich eine Stunde Zeit genommen, um bei bester Aussicht auf den East River und das UNO-Gelände all unsere Fragen zu beantworten.

Und weiter geht es, zu Bloomberg, wo das Geld aus jeder Fensterritze zu quellen scheint. Hier wundert sich keiner der Mitarbeiter über das offene in den Boden eingelassene Koibecken oder eine geschwungene Rolltreppe, die man sonst wohl nur in Japan findet. Michael Bloomberg steckt einen nicht unerheblichen Teil seines Milliardenvermögens in sein Medienimperium. Einen moderneren Sender habe ich in den drei Wochen mit RIAS nirgends gesehen.

Ich bin ein wenig überwältigt von der Stadt und all den Eindrücken. In jeder freien Minute gibt es nur ein Ziel: so viel von New York zu sehen wie möglich. Dazwischen: ab zum nächsten Termin, schnell noch vorbereiten, Artikel lesen, sich Fragen ausdenken. Diese ersten zwei Wochen mit RIAS sind aufregend und gleichzeitig anstrengend. Doch bei dieser Gruppe braucht es keine Pause, keinen Schlaf. Meine 13 Mitstreiter wachsen mir schnell ans Herz, nach zwei Wochen fällt uns der Abschied wirklich schwer. Ich habe tolle Menschen kennenlernen dürfen, ohne die meine Reise wohl nur halb so viel Spaß gemacht hätte!

In Woche drei geht es allein weiter. Meine Station Week in Spartanburg verspricht, ein wenig ruhiger zu werden. Am Flughafen empfängt mich mein Host Tom, Statur Teddybär, und freut sich sichtlich, mich begrüßen zu dürfen. Und trotz einer zu kurzen Nacht geht es sofort on the road. Tom hat an diesem Sonntag Spätschicht und geht als VJ auf Dreh. Interviews führen ist diesmal mein Job. Bei bestem Wetter sind wir erst bei einer Spendenaktion für die Krebsforschung. Anschließend interviewen wir die Besucher der örtlichen St. Patricks Day-Feier im Baseballstadion. Am Abend falle ich müde aber zufrieden ins weiche Hotelbett.

Ich habe leider eine nachrichtenarme Woche erwischt. In und um Spartanburg ist nicht viel los, Autounfälle, Baustellen und der neueste Kriminalfall sind hier gerade das Wichtigste. Wo denn die harten politischen Themen seien, frage ich. Gibt es etwas über Trump, wie sieht es aus mit Rassismus, Polizeigewalt? Und wie steht es um die Opioid-Krise? Mit meinem kritisch-europäischen Blick komme ich nicht sonderlich weit. Mein Gast-Sender WSPA-TV ist ein kleiner kommerzieller Lokalsender, umfasst ein Gebiet mit etwa 800.000 Haushalten und soll vor allem eines: unterhalten. Und ein wenig informieren. Am wichtigsten sind die Wetterblöcke und kleine, lokale Geschichten. Die große Weltpolitik kommt hier an zweiter Stelle.

Dafür stehen Menschen im Mittelpunkt, wie der Grundschulleiter Jason Koepke. Seit kurzem betreibt er einen Youtube-Kanal, auf dem er täglich ein Video mit einer Gute-Nacht Geschichte hochlädt. Klassisch im Schaukelstuhl mit digitalem Lagerfeuer im Hintergrund liest er die Lieblingsgeschichten seiner Schüler vor und erklärt am Schluss deren Bedeutung. Die Kids lieben ihn dafür und zeigen das auch. Bei unserem Dreh treffe ich einen jungen und herzlichen Schulleiter, dem die Kinder förmlich um den Hals fallen.

Gelernt habe ich in meiner station week, dass die Kollegen bei WSPA sehr hart und dennoch voller Leidenschaft arbeiten. Als Reporter auf Dreh fahren, das Stück fertig produzieren und anschließend eine Sendung moderieren? Kein Problem für Diane Lee. Ab 4:30 Uhr mehrmals die Stunde für die Morningshow schalten, auch wenn das Thema noch so banal scheint? Das machen Reporter wie Christine Scarpelli mit links und sind über mehrere Stunden voll konzentriert. Ich kann zu dieser Uhrzeit kaum die Augen offenhalten, geschweige denn denken. Ich bin beeindruckt und nehme viel mit von meiner Station Week und der gesamten Reise. Danke an RIAS für die tolle Organisation und die spannenden Termine. Von dieser Erfahrung werde ich noch eine ganze Weile zehren!


Christoph Tanneberger, Norddeutscher Rundfunk, ARD, Hamburg

Da stehe ich nun auf den Treppen des Lincoln-Memorial, blicke auf die Mall und erkenne in der Ferne das Kapitol. Es ist Anfang März – und noch ziemlich winterlich. Der nassskalte Wind peitscht mir um die Beine. Ich bin trotzdem zufrieden. Endlich kann ich die Plätze mit eigenen Augen sehen, die ich von Fotos und Fernsehbildern nur allzu gut kenne. Ich bin zum ersten Mal in Washington. Obwohl ich teilweise in den USA studiert habe, hat es mich zuvor nie an die Metropole am Potomac River verschlagen.

An diesem Tag zeigen mir alte Studienfreunde ihr D.C. – am Tag darauf soll das Rias-Programm starten – und ich bin voller Vorfreude: Ich war beinahe zwanzig Jahre lang nicht in den USA. Und ich möchte die Veränderungen besser verstehen, die sich dort seitdem vollzogen haben – und mit denen ich mich als Nachrichtenredakteur beinahe täglich auseinandersetzen muss: Ein Präsident, der die Welt schon mit so manchem Tweet am frühen Morgen in Aufregung versetzt hat, dessen Wahlkampf-Team Konspiration mit Russland vorgeworfen wird – und der selbst im Verdacht steht, die Justiz seines Landes behindert zu haben. Menschen, die “America first” jubeln, obwohl die Politik hinter dem Slogan den Arbeitern nicht die Jobs garantieren kann, die sie ihnen verspricht. Und eine demokratische Partei, die hin- und hergerissen ist zwischen den Ideen ihrer linken Shootingstars wie der jungen New Yorker Abgeordneten Occasio-Cortez einerseits – und dem Kurs der Mitte um Leute wie dem ehemaligen Vize-Präsidenten Joe Biden andererseits. Ein zerrissenes Land.

Doch zuerst lerne ich meine Rias-Mitstreiter kennen: eine sehr angenehme Gruppe von Kolleginnen und Kollegen, die im Verlauf der Reise sehr freundschaftlich miteinander umgeht. Leute verschiedener Altersgruppen. Manche arbeiten bei privatwirtschaftlichen Sendern, andere bei den Öffentlich-Rechtlichen. Inspirierende Menschen, die ähnliche Fragen bewegen wie mich. Und so machen wir uns zusammen auf die Suche nach Antworten während dieses wunderbaren Rias-Programms: sprechen mit Nichtregierungsorganisationen, reden mit Politikern und treffen amerikanische Kollegen. Zuerst in Washington, die zweite Woche verbringen wir in New York. In der dritten Woche geht jeder seinen eigenen Forschungen als Gast bei lokalen Medien auf der sogenannten “station week” nach.

Der erste Termin in Washington führt uns zum Pew Research Center, einem unabhängigen Meinungsforschungsinstitut. Die Forscher verzeichnen mit ihren Umfragen wie Seismographen Veränderungen im Weltbild der Amerikaner über die Jahrzenhte hinweg – und vielleicht blicken sie ihnen dabei auch ein bisschen in ihre Seelen. So wird hier schon Vieles klar.

In den USA ist die politisch gemäßigte, kompromissbereite Mitte in den vergangenen Jahren stark geschrumpft. Deutlich stärker geworden sind dagegen die politischen Ränder – auf der rechten wie auf der linken Seite. Demokraten und Republikaner sind sich in vielen Feldern immer mehr uneins, egal, ob es um Einwanderungs-, Umwelt- oder Außenpolitik geht. Das Land befindet sich in einem Kampf um Werte, der immer erbitterter geführt wird.

Die Entwicklung in den USA ist ja kein rein amerikanisches Phänomen. In vielen Ländern können wir beobachten, dass neben progressiven auch nationalistische und zum Teil antidemokratische Positionen regen Zulauf haben – und diese sich nicht selten mit der Leugnung des Klimawandels und einer sehr wirtschaftsliberalen Haltung verbrüdern. Doch welche Faktoren haben diese Entwicklung begünstigt? Darüber sind in den vergangenen Jahren zahlreiche Regalmeter Forschungsliteratur geschrieben worden, Journalisten sind durchs Land gereist und haben in ihren Reportagen nach Erklärungen gesucht. Und trotzdem wird über die Gründe immer noch trefflich diskutiert. Und so haben selbstverständlich auch die Pew-Forscher keine einfachen Antworten. Denn es gibt sie nicht.

Über diese und ähnliche Fragen werden wir im Laufe der Reise noch mit mehreren Menschen sprechen, zum Beispiel mit Michael J. Abramowitz, dem Präsidenten des Freedom House – oder mit David Harris von der Global Jewish Advocacy in New York. Auch wenn jeder in der Deutung der Ereignisse einen anderen Akzent setzt, alle sind sich einig darin: es ist die Gleichzeitigkeit mehrerer fundamentaler Veränderungsprozesse, die der Gesellschaft Chancen bieten – aber auch für zum Teil erhebliche Unsicherheiten und Verwerfungen sorgen.

Da ist die Digitalisierung – verbundem mit dem Wegfall klassischer Industriejobs. Da sind die Klimaveränderungen und die zunehmende weltweite Migration. Im Zuge der zunehmenden Gleichberechtigung zwischen Frauen und Männern sowie Menschen verschiedener Herkünfte, Ethnien und sexueller Orientierung müssen Identitäten neu definiert werden. Zusätzlich verschieben sich auch die Kräfte auf internationaler Ebene, zum Beispiel durch China. Und natürlich spielt auch die sich immer weiter öffnende Schere zwischen Arm und Reich eine Rolle, begünstigt durch zum Teil schwindelerregende Entwicklungen auf den Kapital- und Immobilienmärkten.

Und so wundert es auch nicht, dass nicht etwa das Internet oder die sozialen Netzwerke und ihre neuen Kommunikationsformen den Graben zwischen den politischen Lagern immer tiefer haben werden lassen. Auch wenn der Prozess zuletzt an Fahrt aufgenommen hat, in den USA ist eine Schwächung der politischen Mitte schon seit mehr als 25 Jahren zu registrieren. Die digitale Revolution stand da noch ganz am Anfang.

Wie kann Politik auf diese Entwicklungen angemessen reagieren? Darum ging es unter anderem im Gespräch mit dem demokratischen Kongress-Abgeordneten Mike Doyle aus Pennsylvania. Nach dem Niedergang der Stahlindustrie in Pittsburgh bemühten sich die Akteure vor Ort zuletzt darum, Digitalunternehmen in der Region anzusiedeln. Ältere Arbeitnehmer wurden mit Umschulungen unterstützt, wenn sie einen Job in der neuen Branche annehmen wollten. Kein Allheilmittel für die Region, aber ein Anfang in einem schwierigen Transformationsprozess.

Welche Rolle haben die Medien in diesem Prozess gespielt. Manche hier sagen, Journalisten hätten an der Vertiefung der gesellschaftlichen Gräben zumindest mitgewirkt. Demnach dürften insbesondere einige Cable-Networks wie MSNBC oder Fox News durch eine politische Schlagseite versucht haben, Zuschauer des einen oder des anderen Lagers hinter sich zu versammeln – und so auch die eigene Quote, den eigenen ökonomischen Erfolg zu sichern.

Wie gespalten Medien und Publikum offenbar sind, fiel mir besonders in New York auf. Dort waren wir Gäste von CBS bei der Aufzeichnung einer Ausgabe der Samantha-Bee-Show. Bee ist eine Fernseh-Berühmtheit, die kein Blatt vor den Mund nimmt – und die einzige Frau im US-Fernsehen mit einer eigenen Late-Night-Show. In der Ausgabe, deren Recording wir miterlebt haben, ging es um den beliebten Fox-Moderator Tucker Carlson. Er war mehrfach mit menschenverachtenden Kommentaren öffentlich in Erscheinung getreten. Bees Show hat sich an diesem Abend zu einem guten Teil mit Carlson beschäftigt, ihn bloßgestellt und mit Häme übergossen. Beim konservativen Fox-Publikum ist Tucker aber offenbar immer noch beliebt. Konsequenzen gezogen hat der Sender nicht. Und so leben beide Seiten ein bischen auch vom Scharmützel.

Doch so sehr die Fronten zwischen den politischen Lagern auch verhärtet sein mögen, so sehr der öffentliche Diskurs in den USA und auch die verbalen Ausfälle gegen Journalisten Sorgen bereiten mögen, die Rias-Reise hat mich bezüglich des Zustands der amerikanischen Demokratie insgesamt beruhigt. Denn wir haben zugleich viele Menschen getroffen, die den Diskurs mit ihrem Engagement verbessern wollen.

Da sind zum Beispiel die vielen Kolleginnen und Kollegen in den US-Redaktionen, die trotz der verbalen Attacken, die sie zum Teil erleben, jeden Tag aufs Neue nach der Wahrheit suchen – und uns mit einer großen Offenheit und Freundlichkeit empfangen haben. Zum Beispiel die Leute von der CBS-Sendung “60 Minutes” – einem gesellschaftspolitischen Magazin, das sich auch heute noch zum Teil monatelange Recherchen leistet, wenn es sein muss. Oder die “New York Times”, die ihr versammeltes Fachwissen in Gestalt der Autoren, Redakteure und Rechercheure mit Podcasts einem jungen, neuen Publikum erschließen will. Und die Macher von “Code Switch” bei NPR, in deren Fokus das Zusammenleben von People of Colour und Weißen steht.

Beeindruckt haben mich die zahlreichen NGOs und Thinktanks, die sich mit ihren Ideen in den täglichen Diskurs einbringen, zum Beispiel das “Women’s Media Center” in Washington. Die Organisation will die Präsenz von Frauen in den Medien als Expertinnen stärken – und stellt Kontakte zwischen den Akteuren her. Die Congressional Black Caucus Foundation unterstützt schwarze Politiker bei ihrer Arbeit. Mit seiner Forderung nach einem Rückzug der USA von der internationalen Bühne bildet das libertäre Cato-Institut einen überraschenden Kontrapunkt zur außenpolitischen Linie der vergangenen Jahre. In den USA wird auch vernünftig diskutiert und um die besten Ideen gestritten.

Die Reise hat aber auch deutlich gemacht: es ist gar nicht so einfach, die eigene Filterblase zu verlassen – selbst, wenn man es möchte. Zum Beispiel hätte ich nach den Besuchen bei CBS, NBC, NPR und der New York Times gerne auch Fox News kennengelernt und mit den Kollegen dort diskutiert. Dieses Interesse wurde aber nicht erwidert. Entsprechende Rias-Anfragen blieben unbeantwortet. Ebenso schwierig sind offenbar auch Termine bei so manchem Politiker zu bekommen. Das berichten auch deutsche Journalisten, die wir treffen. Ein ausländischer Gesprächspartner bringe eben keine Wählerstimmen, heißt es.

Nach den beiden Wochen im repräsentativen Washington und im quirligen New York führte mich die dritte Woche der Rias-Reise in den Mittleren Westen nach Cincinnati, Ohio zur “Station Week”. Im Vergleich zu den beiden großen Ostküsten-Städten ist die Stadt mit rund 300.000 Einwohnern und rund zwei Millionen im Umkreis eher klein.

In der Region leben gleich drei Medienleute, die als Rias-Fellows Deutschland besucht haben. Sie alle drei wollten sich für ihre Erlebnisse in Europa bedanken, indem sie nun mir, dem deutschen Besucher, ihre Welt zeigen. Und so wurde ich unheimlich offen und herzlich empfangen und hatte auch noch das Glück, ziemlich vielfältige Erfahrungen zu machen.

Denn Chris arbeitet als Kameramann bei einem der lokalen Fernsehsender. Ann ist Reporterin und Redakteurin bei dem Lokalradio, das mit NPR verbunden ist. Und Joe unterrichtet Studierende als Journalismus-Dozent an einer Universität rund eine Stunde von Cincinnati entfernt.

Beim Fernsehen sind die Möglichkeiten, auf Termine oder Drehs mitzukommen, begrenzt. Aus Versicherungsgründen dürfen keine Gäste in den Team-Autos mitfahren. Dafür habe ich viele Gespräche in der Redaktion geführt und erfahren, dass die Akzeptanz der Lokalsender bei der Bevölkerung offenbar deutlich höher ist als bei den großen Broadcastern an der Ostküste. Zwar berichten mir die Kollegen auch hier davon, dass sie gelegentlich als “Fake News” beschimpft werden. Doch das Klima scheint weniger rauh zu sein – das Vertrauen ineinander ist insgesamt größer.

Beim Hörfunk begleite ich meine Gastgeberin Ann mit auf einen Termin und erlebe klassischen Lokaljournalismus und danach lange, spannende Gespräche über das politische Klima in den USA. Mit Joe verbringe ich einen Tag an der Uni und bin Gast in mehreren seiner Seminare. Ich staune über das große Interesse am öffentlich-rechtlichen Rundfunk in Deutschland – insbesondere, als ich gefragt werde, ob die politische Debatte in den USA aus meiner Sicht mit einem öffentlich-rechtliches Mediensystem wie in Europa weniger aufgeladen wäre.

Am Abend vor meiner Abreise erhalte ich ein besonderes Geschenk: einen Schal des aufstrebenden Fußball-Klubs “FC Cincinnati”. Einer seiner Fan-Klubs heißt “Innenstadt” und stellt sich in die Tradition der vielen deutschen Einwanderer, die Ende des 19. Jahrhunderts ihr Glück in der Stadt am Ohio River suchten. Bekommen habe ich das Erinnerungsstück vom Social-Media-Manager beim Hörfunk, dem ich vom Rias-Programm erzählt hatte – und der nun überlegt, sich für eine Reise nach Europa zu bewerben.

Als ich nach drei Wochen wieder in Hamburg lande, bin ich erschöpft – und zugleich erfüllt. Ich blicke auf drei inspirierende Wochen zurück. Auf Begegnungen und Erfahrungen, die in Erinnerung bleiben. In der Theorie kann man Vieles auch vom heimischen Schreibtisch aus verstehen. Was man mit eigenen Augen gesehen und erlebt hat, ist dagegen plastisch und konkret. Auf diese Erfahrungen kann ich nun zurückgreifen, wenn ich in der Redaktion bin und es mit Themen aus den USA zu tun habe. Dafür bin ich dankbar.


Andreas Teska, Westdeutscher Rundfunk, Köln


TEILNEHMER ?

USA-Herbstprogramm 2019

Kani Alavi, East Side Gallery, Berlin


Gesine Dornblüth, Deutschlandfunk, Berlin

Ich bin zwei Tage Auto gefahren. Durch Kentucky, Indiana, Illinois. Habe den Dialog, den ich nur aus Western kannte, selbst geführt: „Wohin, Fremde? – Nach Norden, bevor der Schnee fällt.“ Habe die Weite des Landes gespürt: Scheinbar endlose Pferdekoppeln in Kentucky, scheinbar endlose Wälder in Indiana, scheinbar endlose Maisfelder in Illinois; habe Flüsse gequert; habe das Schweigen des Navis gehört, der nichts mitzuteilen hat, weil es nur geradeaus geht; habe die Kadaver überfahrener Wildtiere betrauert und zu spät begonnen, die Wegweiser zu Kirchen zu zählen; habe über Ortsnamen wie Brandenburg, Peru, West Siberia Road gelächelt; habe mich über den Schnellimbiss einer US-Kette gefreut, die ich zuvor mein Leben lang verschmäht hatte; habe Trucks und Pickups überholt, habe bescheidene Häuser und einsame Farmen gesehen; und ich habe mich bei einem Gedanken erwischt: Wenn ich irgendwo hier lebte, Meilen entfernt vom Nachbarn oder gar der Polizei, dann hätte ich womöglich auch gern eine Knarre im Haus.

Diesen Facebook-Eintrag schrieb ich am 31. Oktober 2019, während der zwei Wochen, um die ich meinen USA-Aufenthalt verlängert habe, und als sich die überwältigenden Eindrücke des zweiwöchigen Gruppenprogramms in Washington und New York sowie der Station Week in Cincinnati (Ohio) langsam begannen zu setzen.

Es war ein tolles Programm, und zwar in vielerlei Hinsicht.

In Washington und New York erhielten wir einen kompakten Einblick in Politik und Medien der USA. Ein Highlight jagte das andere. Für mich war es eine perfekte inhaltliche Vorbereitung für meine Recherchen während der Station Week und im Anschluss an das Programm. An einigen Tagen waren es möglicherweise zu viele Programmpunkte. Andererseits fällt es mir schwer zu sagen, auf welchen Termin ich hätte verzichten wollen. Möglicherweise könnte man die Zahl der besuchten Newsrooms reduzieren.

Ein Ergänzungsvorschlag: Lobbyismus war besonders in Washington als Thema ständig präsent. Eventuell wäre ein Termin mit einem unabhängigen Experten zum Thema Lobby und Lobbycontrol sinnvoll.

New York als Stadt, mit Besuchen bei den UN, bei der New York Times und anderswo, möchte ich mir aus dem Programm nicht wegdenken. Der Besuch des Musicals „Come from away“ (auf eigene Kosten) war eine tolle Ergänzung zum Besuch des Ground Zero.

Hervorheben möchte ich, dass ich nicht nur bei den Terminen, sondern auch von der Gruppe viel gelernt habe. Sie war heterogen, sowohl, was das Alter, als auch, was Lebenseinstellungen und journalistische Arbeitsweisen und Darstellungsformen betrifft. Der Austausch untereinander war sehr wertvoll.

Die dritte Woche, die Station Week im vergleichsweise kleinen und konservativen Cincinnati, war für mich eine perfekte Ergänzung zu den ersten zwei Wochen. Nachdem wir in Washington und New York über das Impeachment-Verfahren gegen den US-Präsidenten und die Polarisierung der Medienlandschaft gesprochen und CNN und Fox News besucht hatten, sah ich in Cincinnati an einem der ersten Tage einen Privatwagen mit einem handgeschriebenen Plakat im Fenster: „Impeach CNN“. Bei Gesprächen in der Markthalle von Cincinnati erklärten mir Einheimische ihre Sympathie für Trump: „Er tut, womit man nicht rechnet. Das ist nicht so langweilig.“ Dafür, dass viele Europäer eine schlechte Meinung von Trump haben, hatten sie folgende Erklärung: „Sie schauen zu viel CNN.“ Es war ein guter Praxistest dessen, was uns Experten in Washington und New York gesagt hatten.

Als Gast sind die Möglichkeiten, an den Programmen in den Redaktionen mitzuwirken, begrenzt. In Cincinnati hatte ich mit meinen drei Gastgebern eine abwechslungsreiche Woche. Mit Ann Thompson von WVXU (NPR) besuchte ich eine Pressekonferenz der Republikaner und tauschte mich mit ihr über unseren Alltag und unsere Arbeitsweisen im Radio aus. Chris Knight zeigte mir seinen Sender WLWT 5. Mit Joe Sampson besuchte ich die Miami University und sprach mit seinen Journalistik-Studierenden über das deutsche Mediensystem und den Journalistenberuf in Deutschland.

Die restliche Zeit – wie auch die zwei weiteren Wochen, in denen ich nach Kentucky, Illinois sowie zurück nach Washington reiste – nutzte ich für eigene Recherchen. Die Kollegen in Cincinnati waren dabei sehr hilfreich mit Kontakten.

Bereits gesendet wurden ein Beitrag über den „Cincinnati Enquirer“ und die Überlebensstrategien der Lokalpresse in den USA (DLF, @medias res, 26.11.2019) sowie ein Hintergrund über die Netzwerke der religiösen Rechten in Russland und den USA (DLF, Hintergrund, 19.11.2019).

Während meines fünfwöchigen Aufenthaltes wurde ich oft gefragt, was in den USA anders sei als von mir erwartet. Was besonders sei? Unter dem Strich ist es vor allem die Höflichkeit auch Fremden gegenüber und die Offenheit der Gesellschaft. Bei meinen vielen Gesprächen und Interviews bin ich nicht ein einziges Mal gefragt worden, wer mich geschickt habe. Das kenne ich aus Russland wahrhaft anders. In den USA hat niemand mit seiner Meinung hinter den Berg gehalten, ist vor Fragen zurückgeschreckt. Stattdessen hieß es: „Go ahead. Your questions!“ Das war eine Erfahrung, die mir letztlich gezeigt hat, wie frei die Gesellschaft tatsächlich ist.

Ich habe das Rias Programm bereits weiter empfohlen und werde das auch künftig tun. Vielen Dank allen Beteiligten, die mir diese wunderbare Erfahrung ermöglicht haben!


Leon Ginzel, Mitteldeutscher Rundfunk, Erfurt

21 Tage im Informations- und Erlebnis-Rausch
Beeindruckend. Einmalig. Bereichernd. Auf drei Schlagworte reduziert, beschreibt das die drei Wochen Rias im Herbst 2019 vielleicht am besten. Am Ende stehen 21 Tage voller exklusiver Einblicke, spannender Diskussionen und einem hochklassigen Austausch mit Kollegen aus den USA und Deutschland.

D.C. | Im politischen Herzen der USA fing alles an. Nach einem ersten Kennenlernen der Grup-pe, wurden bei PEW und Brookings erste Basics gelegt. Wie polarisiert sind die Wähler, ist das Zweiparteiensystem in den USA? Welche Rolle spielt die religiöse Orientierung? Die Zahlen zeichneten das Bild einer immer stärker gespaltenen Gesellschaft – eine Art roter Faden für die gesamte Reise. Bei dem Gespräch mit Earl Pomeroy konnten wir das zum ersten Mal auch direkt mit einem ehemaligen Kongressabgeordneten der Demokraten diskutieren. Ebenfalls im Fokus: das schwelende Impeachment-Verfahren gegen US-Präsident Trump. Logischer-weise eins der dominierenden Themen in D.C. – und im gesamten Medien-Intellektuellen-Kreis auf der Reise.

Eines der Highlights auf dem Trip folgte dann schon am Ende des ersten Tages: ein Besuch im Presseraum des Weißen Hauses. Der wunderbare Jeff Mason von Reuters lieferte einen äußerst spannenden Blick hinter die Kulissen dieser medialen Parallelwelt. Ein Kosmos für sich – spannend, eng und (seit der Ära Trump) auch ernüchternd, weil der Raum dank Trumps Pressepolitik oft nur noch als Arbeitskulisse dient und nicht als Informationsquelle. Wobei Jeff Mason Trump im Allgemeinen interessanterweise einen einfacheren Zugang für Journalisten bescheinigte als einem Präsidenten Obama. Die Krönung der Führung: eine exklusive Stippvisite auf dem Flur des „Oval Office“ inklusive Sekundenblick in den Rose Garden. Extrem interessant auch die vielen Anekdoten und Erklärungen von Jeff beim anschließenden Bier im Pub um die Ecke. Und das war erst Tag Eins des Programms…

Der Mittwoch in D.C. stand dann ganz im Zeichen des „Hills“, wie das politische Machtzentrum der USA in Washington gerne genannt wird. Gespräche mit dem Bürochef des Demokratischen Abgeordneten Denny Heck und mit dem Pressesprecher des republikanischen Mehrheitsführers im Senat, Mitch McConnell, lieferten Einblicke in den Politikzirkus Washington, die diskutable Spendenpraxis, den laufenden Impeachment-Prozess und die Arbeit des Geheimdienstausschusses. Offene und angriffslustige Worte zur Haltung der Republikaner in dem ganzen Verfahren fand dann der Ex-congressmann Charlie Dent. Dent gab außerdem interessante Einblicke in die (aus deutscher Sicht) oft bizarre Wahlkampfpraxis in den USA. Einen intelligenten, wenn auch klar gefärbten Exkurs über die außenpolitischen Beziehungen der USA unter Trump, lieferte dann zum Abschluss des Tages Peter Rough am Hudson Institute.

Vom Theoretischen ging es am nächsten Tag ins Praktische. WUSA-9 – der CBS-Ableger für Washington – nahm uns in Empfang, mit dem grandiosen Rias-Alumni Larry Miller. Ein sehr anschaulicher Austausch über die Arbeitsweise von WUSA-9, die noch relativ neue Machart der Nachrichten und des Programms (exklusive Inhalte first / bessere Verzahnung mit online) und als Highlight die 12-Uhr-Show live aus dem Studio. Ein toller Besuch, gefolgt von einem spannenden Austausch an der „John Hopkins School“ mit Professor Dan Hamilton über die transatlantischen Beziehungen. Eine interessante Perspektive auf die Arbeit deutscher Berichterstatter in D.C. lieferte Britta Jäger vom ZDF, die im Hauptstadtstudio als Reporterin arbeitet. Sehr authentisch schilderte sie ihre intensive Arbeit vor Ort und die Veränderungen, die Trump durch seinen Umgang mit den Medien und seine generelle Impulshaftigkeit mit sich gebracht hat.

Sehr sympathisch und erhellend auch der Besuch bei „npr“ am nächsten Tag – vor allem aus Sicht eines Radiojournalisten und Podcastmachers. Denn: gerade beim Thema „Podcasts“ ist „npr“ einer der Player auf dem Markt. Auch deshalb war der Austausch darüber für mich sehr interessant. Ganz anders, aber nicht weniger spannend: das Gespräch mit einem der Nachrich-tenmacher von „FOX News“, Bill Sammons, Vize-Präsident des Netzwerkes. Auch, wenn Sammons sich relativ bedeckt hielt, was eine generelle Aussage zur klaren Meinungsmache seines Senders anging – das Gespräch war trotzdem wertvoll, um diesen, in einem bestimmten Klientel sehr mächtigen Sender besser zu verstehen. Der Besuch beim „Parlamentssender“ C-Span im Anschluss brachte nochmal ganz neue Sichtweisen unter dem Motto „neutral informieren, damit die Zuschauer sich selbst eine Meinung bilden können“. Botschafterin Emily Haber gab zum Abschluss des Tages einen sehr exklusiven Einblick in die aktuellen Beziehungen Deutschlands und den USA und die momentanen Herausforderungen. Bei der Rias-Party abends hatten wir die Gelegenheit die frischen Eindrücke mit den US-Kollegen zu diskutieren und sich in einem lockeren Setting auszutauschen.

Insgesamt waren es sehr, sehr spannende Tage in D.C., die viel Hintergrundwissen über die politischen und gesellschaftlichen Verhältnisse geliefert haben.

New York | Schon die Anfahrt mit dem Bus auf die Skyline Manhattans ließ dieses besondere New York-Feeling aufkommen, das nur hier in dieser Stadt herrscht. Ein Mix aus „alles ist größer“, einer treibenden Dynamik auf den Straßen und verwirrend vielen Sinneseindrücken. Im Fokus der nächsten Tage: die verschiedenen Medienhäuser der Stadt und ihre Arbeitsweise. Den Auftakt machte „Vice“ – mit seinen ganz speziellen Reportage-Formaten. Interessant auch die Diskussion über die konkreten Folgen der „#metoo“-Debatte bei „Vice“. Von Brooklyn ging es rüber nach Manhattan – mit einem ganz neuen Aspekt. Der Wirtschaft. Wir besuchten einen Mode-Unternehmer, der unter anderem Linien für „Peek und Cloppenburg“ produzieren lässt und einen sehr offenen Blick in seine Designstube und Wirtschafts-Denkweise gab. Ein immer wieder beeindruckende New York-Klassiker im Anschluss: die Fahrt hoch zum „Top of the Rock“ – der Aussichtsplattform des Rockefeller Centers.

Am nächsten Tag folgte eine spannende Tour durch die heiligen Hallen von NBC und WNBC – mit Studioführung, Regieraum und Diskussionen über die Programme. „Yahoo Finance“ im Anschluss warf ein Schlaglicht auf die Wirtschafts-Berichterstattung. Sehr beeindruckend, wenn auch leider viel zu kurz: der Besuch des „World Trade Center memorials“. Eine wirklich berührende Ausstellung, die sehr eindrücklich daran erinnert, welchen Schmerz diese Nation durchlitten hat und teilweise noch immer durchleidet.

Politisch höchst interessant war das anschließende Gespräch mit UN-Botschafter Heusgen. Er konnte durchaus wertvolle Einblicke geben und stellte sich den kritischen Fragen zur geschwächten Rolle der UN und der uneinigen Europäer in diesem Zusammenhang.

Höchst interessant ist auch das richtige Stichwort für den ersten Termin am Mittwoch: Bloomberg. Die sehr moderne Architektur des Gebäudes, der Redaktionsräume und Studios und eine wunderbar erhellende Erklärung der beeindruckenden Möglichkeiten des „Bloomberg“- Systems von der Stimme der New Yorker „subway“ Charlie Pelett („stand clear of the closing doors please!“) waren ein toller Start in den Tag.

Einen Abstecher zum Thema „Journalismus studieren in den USA“ sowie investigative Recherche und eine Diskussion über die „Crime“-App „Citizen“ später, folgte abends ein kulturelles Highlight der Reise: ein Besuch im tollen Broadway-Musical „Come from away“ (das Album läuft seitdem bei mir rauf und runter).

Der nächste Morgen stand im Zeichen der US-Israel Beziehungen und des jüdischen Lebens in den USA. Beim „American Jewish Committee” drehten sich die Diskussionen um die Verlegung der US-Botschaft nach Jerusalem, Trumps Rolle in den Beziehungen beider Länder und um Lösungsansätze im Nahost-Konflikt wie ein Mehr an Dialog und Austausch zwischen beiden Seiten.

Im Anschluss ging es dann mit einem gecharterten Bus gute anderthalb Stunden raus aus der Stadt nach Trenton – der Hauptstadt New Jerseys. Hier stand ein hochrangiges Treffen mit dem Gouverneur Phil Murphy auf dem Programm, der Einblicke gab in seine politischen Möglichkeiten und Ansätze z.B. bei der Klimapolitik, die nach dem Aus der USA aus dem UN-Klimaabkommen viel stärker auf lokaler Ebene weiterverfolgt wird.

Wie man die Strukturen eines Senders revolutioniert und wie sehr sich die Gegebenheiten eines Jobs ändern können, lernten wir am nächsten Tag von Susan Zirinsky bei CBS und UN-Korrespondent Richard Roth von CNN. In der Mittagspause ging es bei eisigem Wind hoch auf den neuen, spektakulären Vessel-Walk und anschließend „aufs Parkett“. Zur Börse, an die Wall Street. Ein sehr interaktiver Besuch – sogar inklusive dem traditionellen Läuten der Schlussglocke. Vor allem aus Podcaster-Sicht war der letzte Termin des Tages dann nochmal ein echtes Highlight: ein Gespräch mit Clare Toeniskoetter von „New York Times“-Erfolgspodcast „The Daily“.

Die Schlussglocke wurde dann – symbolisch – auch bei der Rias-Reunion Party im „Planet Hol-lywood“ nahe dem Times Square geläutet. Denn: es war der letzte „offizielle“ Abend auf der Reise zusammen mit der Gruppe. Ein sehr nettes Miteinander bei Burger und Bier rundete den Tag ab. Am nächsten Tag konnten wir alle nochmal die New Yorker Sonne genießen, bevor es nach einem letzten Bier in der Brauerei beim Hotel tatsächlich „Good bye“ hieß. Und: auf zur „Station week“!

Seattle | Von der Sonne New Yorks ging es für mich sehr früh am Tag in Richtung regnerische Nord-Westküste – nach Seattle. Mein Sender für eine Woche: KUOW – der lokale npr-Ableger für Seattle in Sachen Info und Nachrichten. Gleich am ersten Abend – noch vor dem offiziellen Start – nahm mich mein host Ross Reynolds in Empfang. Ross ist bei KUOW Moderator eines Talk- und Call-In-Magazins. Bei Cider und mexikanischem Essen überlegten wir, wie wir die Woche am besten gestalten könnten. Am nächsten Tag folgten dann die Vorstellung bei den KUOW-Kollegen und ein erster Erfahrungsaustausch. Im Fokus der Woche stand aber eine Recherche zum Einfluss von Amazon auf Seattle. Denn: in Downtown befindet sich das Headquarter des Online-Giganten, tausende Jobs wurden von Amazon geschaffen, ein ganzes Viertel hochgezogen. Auf der anderen Seiten leidet die Stadt extrem unter einer Obdachlosen-Krise und steigenden Mieten. All das habe ich vor Ort von verschiedenen Seiten beleuchtet und recherchiert. Auch mit KUOW-Journalisten, die gezielt über Amazon berichten. Läuft alles wie geplant, wird das Recherche-Ergebnis noch im November in Print und Radio veröffentlicht.

Ein anderer Schwerpunkt: Podcasts. Zum einen hatte ich die Gelegenheit eine neue Folge für meinen Fußball-Podcast „Doppelspitze“ aufzuzeichnen. Und zwar mit zwei KUOW-Kollegen, die für den Sport brennen und die „Seattle Sounders“ unterstützen. Zum anderen konnte ich mich mit dem Podcast-Bereich bei dem Sender austauschen und die Kollegen nach ihren Erfahrungen fragen.

Aber es blieb auch Zeit, um die Redaktion ganz generell kennenzulernen und einige Kollegen in einem lockeren Rahmen nach der Arbeit. Insgesamt nochmal eine ganz andere, logischerweise sehr praxisnahe Woche, von der ich Einiges mitnehmen und „zu Hause“ in meine Arbeite einfließen lassen werde.

Das waren sie also: die drei Rias-Wochen. D.C. – New York – Seattle. 21 Tage, die wie im Rausch vergangen sind. Ein positiver Informations- und Erlebnisrausch. Wir haben viele Aufzüge gesehen und Gruppenfotos geschossen. Jedes Kapitel für sich war sehr spannend und eindrücklich. Insgesamt ein ziemlich einmaliges Programm, das sehr viel Inhalt, exklusive Blicke hinter die Kulissen und auch eine tolles Gruppen-Gefühl abseits der Termine geboten hat. Es wird viel hängen bleiben, an das man sich immer wieder gerne zurückerinnert. Klar, waren manche Tage auch sehr kräftezehrend, da hätte der eine oder Termin weniger das Ganze entspannt und es blieb relativ wenig Zeit, die „feinen Seiten“ des Landes kennenzulernen, z.B. durch Gespräche mit „normalen Bürgern“ oder NGOs, die mit ihrer Arbeit versuchen, Missstände in der Gesellschaft zu ändern. Das wäre meine Empfehlung für die Zukunft. Aber so eine Reise, so ein Programm ist natürlich auch eine Einladung, immer wieder in die USA zu reisen, um die Menschen, um dieses riesige, spannend-kontroverse Land weiter zu erkunden.

Vielen Dank für diese tolle Erfahrung, Rias!


Laura Goudkamp, Bayerischer Rundfunk, München

Impeachment & Impressions
Vorab sei gesagt, dass es wohl einer der aktuell spannendsten Zeitpunkte in der US-amerikanischen Geschichte war, um am RIAS-Programm teilzunehmen: Donald Trump hatte gerade die US-Truppen in Nordsyrien abgezogen, in der „Ukraine-Affäre“ waren die Demokraten im Kongress damit beschäftigt, sich zu einem Impeachment-Verfahren gegen des Präsidenten durchzuringen und – ebenfalls auf Seiten der Demokraten – lief der Wettkampf um die Präsidentschaftskandidatur bereits auf Hochtouren.

Washington D.C.
Die Woche in Washington war vor allem geprägt von der schwelenden Debatte um ein Impeachment-Verfahren gegen US-Präsident Trump. Die erste Woche des Programms schuf ein wichtiges Fundament für ein breiteres Verständnis für die aktuelle US-amerikanische Politik. Durch Gespräche mit politischen Akteuren, wie VertreterInnen von Research-Instituten, ehemaligen und aktuellen Politikern aller Couleur und akademischen Wissenschaftlern, bekam ich gute und auch unterschiedliche Einblicke und Einschätzungen, die mir auch jetzt noch helfen aktuelle Entwicklungen in den USA besser einzuordnen.

Highlights in Washington
Auch wenn die meisten Programmpunkte spannend waren, stachen für mich drei Termine besonders heraus: Der Besuch im White House und der Austausch mit Jeff Mason, dem White House Correspondent von Reuters, war einer davon. Für mich außerordentlich spannend war zu erfahren, wie sehr sich die Arbeit als Korrespondent aus Masons Sicht verändert hat, seitdem Trump keine offiziellen Press Briefings mehr abhält.

Ein zweites Highlight war der Besuch bei Fox News, ein Termin, der wohl in den
letzten Jahren nicht möglich war. Die Unterscheidung zwischen opinion section und
news section, zwischen denen der Sender unterscheidet, war für mich sehr eindrücklich und so vorher so nicht bekannt. Auch die Selbstbeschreibung von unserem Gesprächspartner Vice President Bill Sammon, dass Fox die ausgewogenste Berichterstattung in der US-amerikanischen Medienlandschaft bietet, war spannend und gleichzeitig skurril.

Ebenfalls stark in Erinnerung geblieben ist mir das Treffen mit der deutschen Botschafterin Emily Haber, die uns von ihrem Alltag als Diplomatin berichtete und Einsichten in die Schwierigkeiten und Hürden bei politischen Verhandlungen unter Trump geben konnte. Da das Gespräch „unter drei“ stattfand, kann ich im Folgenden nicht näher auf etwaige Details eingehen.

New York City
Während Washington vor allem aus Sicht politischer Akteure interessante Einblicke brachte, war New York essenziell, um die journalistische und medienpolitische Seite der USA zu begreifen. Der Mix aus Besuchen bei den unterschiedlichsten Medienunternehmen und Sendern war fantastisch und auch das Rahmenprogramm war außerordentlich.
Schnell wurde zum Beispiel klar, wie entscheidend Werbung im US-amerikanischen
Mediensystem ist und welchen Stellenwert diverse (kostenpflichtige) Streaming-
Portalen und on-demand-Angebote haben. Wie auch deutsche Medien, sind amerikanische Sender und Medienunternehmen dabei, Strategien zu entwickeln, wie man die Herausforderungen des digitalen Zeitalters meistern kann. Im Vergleich zu deutschen Rundfunkanstalten scheinen die US-amerikanischen KollegInnen aber bereits ein gutes Stück weiter.

Highlights in New York
Meine persönlichen Highlights in New York City waren der Besuch bei Vice, Bloomberg News, The Daily (New York Times) und das Gespräch mit Susan Zirinsky von CBS.
Beim Besuch der Vice HQ in Brooklyn fand ich die Herangehensweise an News für die Millennial-Generation sehr inspirierend: Flashy, schnell geschnitten und nur online verfügbar. Außerdem war es großartig, Einblicke in die Herangehensweise der investigativen Vice-Dokumentationen zu bekommen, die auch in deutschen Medienhäusern sehr angesehen und – zurecht – oft preisgekrönt sind. Auch wenn wir an einem Feiertag in den HQ zu Besuch waren und die Reaktion quasi leer war, konnte man die Atmosphäre von einem diversen Redaktionsteam trotzdem spüren.

Ein weiteres Highlight für mich: Bloomberg News. Die Zweiteilung des Medienunternehmens in eine journalistisch-redaktionellen Teil und einen zweiten, der sich ganz auf den Verkauf von Finanzdaten konzentriert, habe ich so noch nicht kennengelernt. Wie beides zusammenpasst und korrespondiert, konnten wir eindrucksvoll vor Ort lernen.

Der Besuch bei der New York Times und der Redaktion des hauseigenen Audio-Podcasts The Daily war für mich ein ganz besonderer Termin: Zum einen beschäftige ich mich gerade selber viel mit Podcasts, zum anderen bin ich eine begeisterte Hörerin von The Daily. Interessiert war ich vor allem an der Entwicklung des Podcasts und war verwundert, wie wenig die ProduzentInnen bei der Entstehung des Podcasts auf User-Befragungen oder Zielgruppen-Analysen gesetzt haben. Diese Herangehensweise stand im starken Kontrast zur Podcast-Produktionen von NPR in Washington.

Last but not least war es toll eine Medienikone wie Susan „Z“ Zirinksy kennenlernen zu dürfen und ihre Idee zu hören, wie sie den angeschlagenen Fernsehsender CBS reformieren und fit für die Zukunft machen will.

Spartanburg, South Carolina
Meine Station in Spartanburg war WSPA-TV, ein CBS-affiliate. Mein Host Tommy Colones, TC, war ein sehr herzlicher und offener Gastgeber, der mir gleich am ersten Tag den lokalen Fernsehsender und seine KollegInnen vorstellte. WSPA-TV konzentriert sich sehr auf lokale Neuigkeiten und vor Ort gab es viel zu berichten. Interessant für mich war zu sehen, wie sehr der Sender auf Werbeeinnahmen angewiesen ist und wie die Zusammenarbeit mit dem Muttersender CBS funktioniert. Die KollegInnen von WSPA-TV nahmen mich sehr herzlich auf und erklärten mir genau, wie sie arbeiten. Ich war überrascht, wie sehr sich die Arbeit in Spartanburg mit den Produktionsabläufen meines Heimatsenders – vor allem in der aktuellen
Berichterstattung – ähnelt.
Offensichtliche Unterschiede gab es allerdings bei den Themen der Berichterstattung. Ich war erstaunt und ehrlich gesagt schockiert, welch großen Anteil die Themen Verbrechen und Unfälle – kurz gesagt – Blaulicht-Meldungen ausmachen.

Waffengewalt in South Carolina – 39 Prozent über den US-Durchschnitt
Fast täglich wurde über Schießereien berichtet. Tatsächlich kommt South Carolina an siebter Stelle in den USA mit der höchsten Rate an Toten durch Waffengewalt. Zwischen 2001 und 2009 starben in diesem Bundesstaat fast 6,000 Menschen durch Waffengewalt1
Die Omnipräsenz von Waffen und Waffengewalt war sehr gewöhnungsbedürftig für mich. In diesem Kontext konnte ich auch viel mit Menschen ins Gespräch kommen und über das Thema Waffenbesitz und das Second Amendment zur US-amerikanischen Verfassung diskutieren. Auch wenn es natürlich unterschiedliche Meinungen zum Thema gab, hatte ich doch den Eindruck, dass das Recht eine Waffe zu besitzen, sehr tief in der US-amerikanischen Seele verankert ist – besonders hier in Süden der USA. Ein Ideal, das für mich aus europäischer Warte unbekannt und – zum Teil – schwer nachvollziehbar war und ist.

BMW-Werk in Spartanburg
In Spartanburg stand ein weiterer Pflichttermin für mich als Münchnerin auf der Agenda: Der Besuch im hiesigen BMW-Werk und damit der einzigen Produktionsstätte in den USA. Hier stellen rund 11.000 MitarbeiterInnen die XModelle von BMW her. Der Münchner Automobilhersteller ist einer der wichtigsten Arbeitgeber in der Region.
Warum sich BMW für diesen US-Standort entschieden hat, wurde mir durch eine Tour durch das Werk und Gesprächen mit Repräsentanten klar: Zum einen ist Spartanburg günstig an einen Hafen angebunden und auch ein Frachtflughafen ist nahe gelegen. Außerdem favorisiert South Carolina Arbeitergeber ohne Gewerkschaften – sicherlich auch ein interessanter Punkt für BMW.
Während der Spardruck in Europa groß ist, wird am US-Standort weiter in hohen Summen investiert. Gleichzeitig erfuhr ich bei meinem Besuch vor Ort, dass der anhaltende Handelskrieg zwischen den USA, der EU und China zu Stellenverlusten in der Spartanburger Produktionsstätte führen könnte. Einen Aspekt, den ich sicherlich weiter – wenn auch von Deutschland aus – verfolgen werde.

Verbesserungsmöglichkeiten
Ein paar wenige Anmerkungen möchte ich noch anbringen, die folgenden RIAS-Programme vielleicht noch einen Tick verbessern könnten. Wie schon in der Feedback-Runde mit Erik Kirschbaum erwähnt, hatte das Programm eine ambitionierte Vielzahl von Programmpunkten. Aus meiner Sicht waren einige Programmpunkte verzichtbar und hätten den oft sehr eng-getakteten Programmtagen mehr Raum für Pausen gegeben. An einigen Tagen fühlte ich mich durch so viel Input quasi erschlagen und hatte das Gefühl gehetzt von einem Termin zum nächsten zu müssen. Mehr Zeit um die vielen Eindrücke zu verarbeiten wäre sicher eine Überlegung wert.

1 https://www.americanprogress.org/wp-content/uploads/2013/04/SouthCarolinaGunViolence1.pdf.


Bastian Hartig, Deutsche Welle, New York

Freundschaft in schwierigen Zeiten

Das RIAS-Programm bietet deutschen Journalisten tiefe, wertvolle und vielseitige Einblicke in die politische und mediale Landschaft der USA. Aber es leistet viel mehr: es verbindet und stärkt die transatlantischen Beziehungen nachhaltig.

Crashkurs-USA gefällig? Bitte sehr. Los geht’s erst mal mit einem Überblick. Wer wählt wen und warum, oder warum nicht? Die Fragen, die sich in den USA derzeit alle stellen und auf die es mindestens so viele Antworten gibt wie Befragte. Aber die besten, oder zumindest mit die fundiertesten Antworten hat das Pew Research Center parat, unser erster Stopp auf unserem Zwei-Wochen-Treck quer durch Washington D.C. und New York City. Also los. Kurzer Überblick über die tiefsten tektonischen Risse in der US-Gesellschaft: schwarz, weiß, latino; streng evangelikal, katholisch oder gar nichts; Mittelklasse oder Unterschicht. Diese Einstimmung prägt die kommenden zwei Wochen. Die Spaltung Amerikas ist der rote Faden, der bei allen Treffen immer wieder deutlich zutage tritt, egal ob bei Fox News, im US-Kaptiol oder bei CNN.

Der Zeitpunkt der Reise hätte günstiger nicht sein können. Fast genau ein Jahr vor den vielleicht bedeutendsten Wahlen der jüngeren US-Geschichte. Das alleine hätte ja schon ausgereicht. Aber dann kommt kurz vor Programmbeginn auch noch das Amtsenthebungsverfahren gegen Donald Trump ins Rollen und in den Medien gibt es nur noch ein Thema. Was könnte man sich als Journalist jetzt also mehr wünschen, als dass man Experten, Politiker und andere Insider quasi im Stundentakt auf dem Silbertablett serviert bekommt und sie mit allen Fragen löchern kann, die einem so einfallen? Frau Reynolds vom renommierten Brookings Think-Tank, wie funktioniert das denn jetzt eigentlich genau mit der Amtsenthebung? Erzählen Sie doch mal Herr Woodbury, Büroleiter des demokratischen Kongressabgeordneten Danny Heck, der im für das Amtsenthebungsverfahren mit zuständigen Intelligence Committee sitzt, wie ist denn zurzeit so die Stimmung in den Hallen der Macht? Oder, wie war das denn, Jeff Mason, White-House-Korrespondent von Reuters, als Sie vorgestern mit Ihrer sturen Fragerei die gesamte Rage des US-Präsidenten höchstpersönlich auf sich gezogen und es damit selbst weltweit in die Schlagzeilen geschafft haben?

Die politische und soziale Gemengelage in den USA ist und bleibt unübersichtlich. Aber vieles ist nach diesem Parforceritt durch die US-Politik- und Medienlandschaft doch erheblich verständlicher als zuvor. Wie wichtig ist die Meinung der amerikanischen Wähler, wenn es darum geht, ob die Senatoren vielleicht doch den Daumen über trump senken? Was ist da eigentlich los, in der Meinungsschlacht der US-Kabel-News-Sender? Und was macht eigentlich der Fernseh-Wettermann den ganzen Tag?

Ein einzigartiger Blick hinter die Kulissen, den RIAS da bietet. Türen, vor denen man sonst mit Ehrfurcht steht, gehen plötzlich auf und gewähren Einblick. So sieht es also aus, das kleine fensterlose Kabuff im Herzen des imposanten New York Times Gebäudes, in dem Michael Barbaro mit seinem Team jeden Tag den vielleicht bekanntesten News-Podcast der Welt zusammenstrikt. Die gerade erst bezogenen Büros von CNN in den niegelnagelneuen Hudson Yards an Manhattans Westflanke wollen dem CNN-Urgestein Richard Roth so gar nicht gefallen und auch sonst ist er nicht mit jeder neuen Entwicklung einverstanden, die die US Cable-News-Landschaft so durchmacht. Am anderen Ende des Spektrums: Fox News. Die Messer sind gewetzt, die Vorfreude groß, endlich einen Verantwortlichen für die aufrührerische Meinungsmache vor die Flinte zu bekommen. Doch dann sitzt da ein sehr überlegter Herr mittleren Alters, der neben Anekdoten aus seiner Zeit in Deutschland vor allem über die Trennung von Nachrichten- und Meinungssparte, zu der er gehört, bei Fox spricht, und darüber, dass er von den „opinion mongers“ auf seinem Sender so rein gar nichts hält. Er bemühe sich darum, dass in seinen Sendungen qualitativ hochwertiger und vor allem ausgewogener Journalismus gemacht werde. Horizont erweitert. Schade nur, dass das Treffen zwei Stunden vor der Nachricht stattfand, dass ein FOx-Nachrichtenmoderator der ersten Stunde wegen wiederholter Kritik an Donald Trump seinen Hut nehmen muss. Da hätte man dann doch gerne nochmal nachgefragt.

Die RIAS-Kommission kriegt solche hochkarätigen Termine hin, weil sie zum einen mit gut vernetzten Leuten vor Ort arbeitet, und zum anderen, weil sie auf ihr ständig wachsendes Alumni-Netzwerk zurückgreifen kann. NBC, NYT, NPR: Bei jedem Sender, jeder Zeitung sitzt gefühlt jemand, der irgendwann einmal mit dem RIAS-Programm in Deutschland war und der oder die jetzt bereitwillig dafür wirbt, dass die Gruppe mal vorbeischauen darf. Und so schneidet sich die Chefin von CBS News, der Nachrichtensparte eines der größten Rundfunk- und Fernsehanstalten des Landes, eben mal eine halbe, Dreiviertelstunde aus ihrem unübersichtlichen Terminkalender, um einer Gruppe deutscher Journalisten zu erklären, wohin sie ihren Dampfer steuern will, im Zeitalter von Tik Tok und Snapchat.

Und damit wären wir also beim Alumni-Netzwerk, in gewisser Weise dem Herzstück des gesamten Programms. Die Termine sind spannend und erkenntnisreich, aber am Ende steht auf die ein oder andere Art die Frage, die sich Henry Kissinger einst gestellt haben soll: „Wen rufe ich denn an, wenn ich Europa anrufen will?“, nur andersrum. Nach den Stammtischen mit den US-RIAS-Alumni in Washington und New York hat man darauf einen ganzen Stapel Visitenkarten als Antwort. Man kann den Amerikanern ja eine Neigung zum Übertreiben unterstellen. Aber die Begeisterung der Alumni auf den Treffen für das Programm und die Reise nach Deutschland war echt. Und das macht diese Kontakte nicht nur angenehm und interessant, sondern auch wertvoll. Diese Begeisterung erfüllt das RIAS-Netzwerk mit Leben und garantiert die Bereitschaft, für andere Alumni ein offenes Ohr zu haben. Und damit schafft das RIAS-Programm genau das, wofür es einst gegründet wurde: es stärkt und fördert die Beziehung über den großen Teich hinweg nachhaltig. Und das ist gerade in Zeiten wie diesen Gold wert.


Isabelle Körner, n-tv, Köln

Plastik. Wohin mein Auge reicht.
Plastikteller. Plastiklöffel. Plastikgabeln. Plastikmesser.
Marmelade, Honig, Ahornsirup, Frischkäse. Alles in Plastik.
Frühstück in New York.
Ich bin fassungslos.

Ebenso fassungslos bin ich über den Müll auf den Straßen der Megacity.
Nicht wegen einzelner Getränkedosen, Flaschen oder Chipstüten…
Wegen der Müllberge, die mir nicht nur in Queens auf Schritt und Tritt ins Auge stechen.
Wenn der Müll auf den Strassen liegen bleibt, stimmt etwas nicht in der Gesellschaft.
Eine alte Weisheit meiner Großmutter.

Ich dachte, die Weltstadt sei weiter …

Amerika ist in diesen Zeiten sehr mit sich selbst beschäftigt.
In Washington DC waren wir zuvor bereits mit zwei schwerwiegenden politischen Beispielen dazu konfrontiert: Dem drohenden Impeachment-Verfahren gegen US-Präsident Donald Trump und dem Abzug der US-Truppen aus Nordsyrien. Mit der deutschen Botschafterin diskutieren wir über die möglichen Folgen für Europa und Deutschland. Ein ehemaliger demokratischer Kongressabgeordneter erklärte uns: „Amerikaner machen sich keine Vorstellung davon, wie wir mit diesem Schritt die Welt brüskieren.“

Drei Wochen lang drehen sich unsere Hintergrundgespräche mit Politikern, Professoren, Wirtschaftsexperten und US-Kollegen um folgende Fragen: Wie wahrscheinlich ist ein Amtsenthebungsverfahren gegen US-Präsident Trump? Welche Chancen auf Erfolg hätte ein solcher politischer Prozess? Welche langfristigen Folgen für die internationalen Beziehungen wird der US-Rückzug aus Nordsyrien haben? Wie entwickelt sich die US-Wirtschaft? Wie belastet der Handelsstreit zwischen den USA und China nicht nur europäische, sondern auch US-Unternehmen? Welche Folgen hat die aktuelle US-Einwanderungspolitik? Welche Themen und Entwicklungen werden die US-Präsidentschaftswahl 2020 bestimmen?

Um die politischen, wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Entwicklungen in den USA besser zu verstehen, ist es wichtig, nicht nur zu US Touristen Hotspots zu reisen. Der US-Bundesstaat Texas zum Beispiel entwickelt sich in den kommenden Monaten im Rahmen der US-Präsidentschaftswahl 2020 möglicherweise zu einem Battleground-State. Die Hoffnungen der Demokraten auf einen Machtwechsel in dem Lone Star State sind groß. Ich durfte mehr über die Stimmung und auch Herausforderungen in Texas erfahren während meiner Station Week bei KABB Fox 29 in San Antonio.

Zwei Themen dürften wohl in Texas den Ausgang der US-Präsidentschaftswahl bestimmen: Die US-Einwanderungspolitik und die Entwicklung der Wirtschaft. Kollegen aus San Antonio erzählten mir, wie sehr die Wirtschaft in Texas auf Arbeitnehmer aus Mexiko angewiesen sei – auch auf diejenigen, die sich illegal in den USA aufhalten. Beobachter erklärten mir, dass vor allem die Stimmen hispanischer Frauen den Unterschied machen könnten.

„Früher gab es kein wir oder die. Früher waren wir eng miteinander verbunden. Früher sind wir ständig mit unseren Eltern nach Mexiko gefahren.“ Die Wehmut, die in diesen Sätzen von Politikern, Journalisten und Geschäftsleuten mitklingt, hat mich bei meinen Gesprächen in San Antonio sehr berührt. Ebenso wie diese Äußerung: „Heute würden wir niemals mit unseren Familien in die Nähe der Grenze fahren. Es ist viel zu gefährlich.“

Meine Gastgeberin in San Antonio, Yami Virgin, berichtet oft über die Entwicklungen an der US-mexikanischen Grenze, über die Situation für Flüchtlinge und über die Drogenkartelle. Ihre Erzählungen und Eindrücke sind für mich in meinem journalistischen Alltag umso wertvoller, weil wir unsere geplante Reise in die Grenzstadt Laredo wegen eines heftigen Sturms kurzfristig absagen mussten.

Kaum ein Tag vergeht, an dem US-Politik und US-Wirtschaft nicht Top-Themen auch in deutschen Medien sind. Das RIAS-Journalistenprogram hat es mir ermöglicht, sehr viele wichtige Hintergrundgespräche zu führen, um die aktuelle Situation in den USA besser zu verstehen. Diese Reise war eine einzigartige Erfahrung, die intensiv und fundiert auch auf die Berichterstattung rund um die US-Präsidentschaftswahl 2020 vorbereitet. Ich danke allen Mitgliedern der RIAS-Kommission sowie allen, die RIAS mit Spenden unterstützen, für diese so lehrreichen drei Wochen.

In Erinnerung wird mir aus dieser Zeit in den USA allerdings ebenfalls der Satz eines Universitätsprofessors bleiben: „Für viele hier funktioniert der amerikanische Traum einfach nicht mehr.“ Auch das haben wir mit eigenen Augen gesehen.


Andreas Mitzkus, RTL, Köln

Regen und Nebel am Flughafen von Tyler, Texas. Der Abflug von AA3405 verzögert sich um mindestens zwei Stunden, viele Passagiere werden in Dallas ihren Anschluss verpassen. Trotzdem geht es in der kleinen Abflughalle ruhig und gelassen zu. Kein Motzen, kein Jammern. Und auch ich bin entspannt. Warum? Nach fast drei Wochen USA ohne Ärger und Pannen bringt mich auch das bisschen Nebel nicht aus der Fassung. Das RIAS-Journalistenprogramm, das für mich heute zu Ende geht, war beeindruckend, lehrreich, anstrengend, intensiv, exklusiv und abwechslungsreich. Ich denke zurück an den ersten Tag des Programms und stelle überrascht fest, dass gerade einmal 18 Tage vergangen sind.

Alles beginnt in Washington DC, wo ich die anderen Teilnehmer kennenlerne: Journalisten vom Radio und Fernsehen, privat und öffentlich-rechtlich. RIAS-Verwaltungsdirektor Erik Kirschbaum begleitet uns zu allen Terminen und stellt sicher, dass wir nicht verloren gehen. Im Meinungsforschungsinstitut PEW erfahre ich, wie sehr Religion in den USA das Wahlverhalten beeinflusst – und dass die Amerikaner das Verhältnis zu Deutschland weit positiver bewerten als umgekehrt. Während der folgenden Tage fällt immer wieder ein Name: Donald Trump! Wie tickt dieser Präsident, ist er allein für die Spaltung im Land verantwortlich und wie sehr steckt er wirklich in der Klemme? Es ist eine spannende Zeit, um in Washington zu sein. Die Demokraten prüfen gerade ein Amtsenthebungsverfahren gegen Trump. Im Gespräch mit Politprofis und ehemaligen Kongressabgeordneten bekomme ich spannende Einblicke. Es geht um Lobbyarbeit, viel Geld und taktisches Verhalten der Abgeordneten. So wächst selbst im Lager der Republikaner der Widerstand gegen Trump, doch viele halten sich öffentlich zurück, weil ihnen ihre Wiederwahl wichtiger ist. Immer wieder höre ich: Trump ist unberechenbar und verstörend, aber er tut das, was viele Wähler von ihm erwarten: Er spricht aus, was er denkt und versteckt sich nicht hinter diplomatischen Floskeln.

RIAS ist ein unglaublich guter Türöffner. Die Programmplaner Andrew (Washington) und Adam (New York) machen für uns Termine, von denen viele andere Journalisten nur träumen können. Reuters-Korrespondent Jeff Mason bringt uns ins Weiße Haus, wo wir den bekannten Presseraum und aus dem Augenwinkel die Tür zum Oval Office sehen. Wir treffen die deutsche Botschafterin in den USA, Emily Haber, und den deutschen UN-Botschafter Christoph Heusgen. Der Gouverneur von New Jersey, Phil Murphy, nimmt sich genauso Zeit für uns wie David Harris vom American Jewish Committee.

Der Input ist gewaltig. Zeit zum Durchatmen bleibt bei den Spaziergängen zwischen den Terminen, beim Besuch des Broadway-Musicals „Come From Away“ oder bei den RIAS-Treffen mit ehemaligen Programmteilnehmern.

Ein großer Teil des RIAS-Programms beschäftigt sich auch mit der Medienlandschaft in den USA. Die Spaltung der Gesellschaft macht auch vor den Medien nicht Halt. Wo hört die Berichterstattung auf und wo fangen Kommentar und Meinungsmache an? Medienmacher erzählen mir, dass viele Zuschauer inzwischen gar nicht mehr unterscheiden können, was „echte Nachrichten“ sind. Schade!

Ich als deutscher Journalist bin gespannt zu erfahren, wie die US-Kollegen mit den veränderten Sehgewohnheiten und der Fragmentierung im TV-Geschäft umgehen. Oft höre ich: Digital First! Die Bedeutung von Online-Plattformen und Podcasts hat rasant zugenommen. Es reicht längst nicht mehr, den fertigen TV-Beitrag nach der Sendung ins Internet zu stellen. US-Journalisten in vielen Redaktionen arbeiten inzwischen plattformübergreifend, d.h. sie schreiben Online-Artikel, erstellen kurze Webvideos, posten bei Facebook und machen erst dann den TV-Beitrag für die Nachrichtensendung. Dass die Qualität darunter leiden kann, geben einige Kollegen ganz offen zu. Ich stelle fest, dass die TV-Sender in den USA in Sachen „Digital First“ den deutschen Sendern ein paar Schritte voraus sind.

Am deutlichsten wird mir das klar, als ich in meiner „Station Week“ bin, zum Kurzpraktikum beim Regionalsender KLTV in Tyler, Texas! Ich erfahre, dass die TV-Nachrichten hier längst nicht mehr die Hauptrolle spielen. Die Reporter fahren morgens direkt zu ihrem Einsatz, die frühe Redaktionskonferenz gibt es nicht mehr. Dafür schalten sich die Reporter vor Ort gleich per Facetime in den Internet-Livestream, machen Handyvideos für die unterschiedlichen Apps und liefern kurze Updates vom Dreh. Geschnitten und überspielt wird mit dem Handy. Die klassischen TV-Beiträge mit Kamera gibt es auch noch, klar! Der Reporter, den ich zu einem Chili-con-Carne-Wettbewerb begleite, beschreibt seine Arbeit als stressiger als früher. Ich verstehe ihn gut und bewundere, wie viel Output diese One-Man-Show liefert.

Dass ich im Osten von Texas gelandet bin, habe ich Lane Luckie zu verdanken. Lane arbeitet als Moderator bei KLTV und ist ehemaliger RIAS-Programmteilnehmer. Vor zwei Jahren hat er Deutschland besucht, jetzt zeigt er mir seine Stadt, stellt mir Kollegen vor und organisiert interessante Gespräche über Einwanderung, Waffengesetze und konservative Werte in Texas. Lane ist ein Paradebeispiel dafür, wie gut das RIAS-Netzwerk funktioniert. Journalisten aus den USA und Deutschland reden miteinander statt übereinander und helfen sich gegenseitig, die Herausforderungen der Digitalisierung zu meistern. Danke RIAS, danke Lane!

Nach fast drei Wochen Washington, New York und Tyler stelle ich beruhigt fest: Das politische Chaos in der Hauptstadt bewegt die Menschen auf dem Land weniger, als ich dachte. Und das, was wir täglich in den Nachrichten sehen, ist nur ein Bruchteil dessen, was dieses Land ausmacht.

Der Nebel am Flughafen Tyler ist übrigens immer noch nicht weg. Nach drei Stunden sitze ich jetzt immerhin im kleinen Flugzeug. Zwei ältere Damen mit breitem Texas-Akzent beten in Reihe 14 für eine schnelle Ankunft, damit sie nicht noch mehr Anschlussflüge verpassen. Ich bin auch nicht sicher, ob ich es rechtzeitig zum Gate Richtung Frankfurt schaffe. Es kann ja nicht alles so rund laufen wie mein RIAS-Abenteuer…


Heike Mohr, Rundfunk Berlin-Brandenburg, Potsdam

Wenn ich an meine USA-Reise mit dem Rias-Programm denke, bin ich immer noch überwältigt: Wie vielfältig das Programm war, wie herzlich wir von den amerikanischen Rias Alumni aufgenommen worden sind, wie angenehm es war, mit meiner Gruppe zu reisen: Klassenfahrtsgefühl im positivsten Sinne.

Ein Highlight war der Besuch beim The Daily Podcast der New York Times. Es war spannend, von der New York Times Journalistin und Rias Alumna Clare Toeniskoetter persönlich zu erfahren, wie die Produktion abläuft: Sie erzählte uns, dass zum Start des Podcasts ein Großteil der New York Times Reporter*innen gar kein Interesse hatte in dem Nachrichtenpodcast aufzutauchen- heute ist es eine Auszeichnung und The Daily feierte kurz vor unserem Besuch den milliardsten Download.

Der Reuters White House Korrespondent Jeff Mason führte uns in den Press Briefing Room des Weißen Hauses – ich war überrascht, dass er über Donald Trump sagte, der Präsident sei gut erreichbar für Journalist*innen. Ebenfalls überrascht war ich davon, dass die Arbeitsplätze der Journalist*innen im Weißen Haus in keiner Weise modern waren. Wenig Platz, eine Leiter, Stative standen herum: Ich hatte an diesem Ort mehr Prestige erwartet.

Mein Wunsch für die station week war, sie nicht an der Ostküste zu verbringen, weil ich sie schon von verschiedenen Reisen her kannte. So bin ich in Denver, Colorado gelandet. Eine knapp 700 000 Einwohner Stadt, u.a. bekannt für die große Musikszene am Fuße der Rocky Mountains. Mit Carol McKinley und Kathy Walker hatte ich eine freelance Fernsehjournalistin und die Chefin eines privaten Radiosenders als Hosts und hätte es nicht besser treffen können: Durch die Beiden habe ich in vier Tagen station week einen sehr guten Überblick über Denvers Medienlandschaft bekommen. Ich konnte einen Reporter des lokalen Nachrichten TV Senders KCNC begleiten, wie er sich als „one-man-band“ live per Kamera ins Fernsehprogramm schaltete. Er war dankbar, dass ich dabei war, weil es sehr windig war an dem Tag. „Im Zweifel kannst du die Kamera festhalten!“. Ich bekam sowohl beim Colorado Public Radio als auch beim privaten Radiosender KOA die Chance, mit den Social Media Verantwortlichen zu sprechen. Mein Arbeitgeber Radio Fritz vom rbb befindet sich gerade im Umbau vom Radiosender zur digitalen Marke und wir konnten uns über diesen Prozess austauschen. Sehr aufregend war auch das Erlebnis bei KOA spontan Studiogast in der Mandy Connell Show zu sein. Sie macht eine tägliche drei Stunden Call-In Sendung und hat zwischendurch Studiogäste. Es hieß ursprünglich, ich könnte in der Livesendung im Studio zusehen. Aber Moderatorin Mandy Connell entschied sofort, dass ich auch zu Wort kommen sollte. „Do you know anything about journalism in Germany?“, fragte sie ihre Hörer*innen im Teasing- „me neither- until I met Heike“. Wir sprachen zehn Minuten über das öffentlich-rechtliche System in Deutschland, inwiefern es einen linken Bias in deutschen Medien gebe und darüber, wie „die Deutschen“ Donald Trump sehen.
Neben dem tollen journalistischen Programm, stellten meine Gastgeberinnen Carol und Kathy auch ein Kulturprogramm für mich zusammen: Ein Besuch des aktuellen Programms der Blue Man Group („so American“ laut Kathy) und der Medienparty des Skiverbands in Colorado gehörten dazu.

Was mich wirklich beeindruckt hat, ist, wie groß das Rias Netzwerk in den USA ist: In jeder Redaktion gab es Rias Alumni. Sie alle haben begeistert von ihren Aufenthalten in Deutschland erzählt und wollten unbedingt etwas zurückgeben als Dank für ihre tollen Erlebnisse. Das hat mich sehr motiviert, mich ebenfalls aktiv im Alumni-Netzwerk zu engagieren.
Danke, Rias, danke an den Verwaltungsdirektor Erik Kirschbaum, danke an alle amerikanischen Alumni und an meine Gruppe: Es war wunderbar mit Euch!


Volker Petersen, n-tv, Berlin

Das Rias-Progamm war für mich eine einmalige Gelegenheit die USA auf ganz neue Weise kennenzulernen. Mit Stationen in den trubeligen Großstädten Washington DC und New York City sowie dem Kontrastprogramm im eher ruhigen Sioux Falls in South Dakota erlebte ich verschiedenste Situationen, lernte interessante Menschen kennen und erfuhr komprimiert in kürzester Zeit zahllose für mich neue Fakten über die USA.

Mein persönliches Highlight war dabei die erste Woche in Washington. Den Zugang, den wir dort zu Insidern bekamen, sei es ein Earl Pomeroy oder auch der Sprecher des Senats Mehrheitsführers Mitch McConnell, ermöglichte interessante Einblicke. Sicher, vieles kann man auch in Büchern nachlesen, aber wie der ehemalige Congressman Pommeroy strahlte, wenn er über Bill Clinton sprach („I love him!“), wie kritisch er sich andererseits über Barack Obama äußerte und wie er Donald Trump geradeheraus als Verrückten bezeichnete, das kann man nur in der persönlichen Begegnung erleben.

Spannend waren vor allem auch die Einblicke, die wir in den verschiedenen Redaktionen bekamen. Ein Feel-Good-Highlight dabei war der überaus unterhaltsame Besuch beim National Public Radio mit Besuch beim für die Konzerte berühmten Tiny Desk. Ernster, aber dafür noch interessanter fiel die Begegnung bei Fox News aus. Wie sehr dort darauf wert gelegt wurde, dass die Journalisten dort nichts mit den berüchtigten Kommentatoren wie Sean Hannity oder Ann Coulter zu tun haben, war aufschlussreich.

Der spektakulärste Kontakt war aber derjenige mit Jeff Mason, der für Reuters aus dem Weißen Haus berichtet. Er hatte gerade erst in der Vorwoche einige Berühmtheit durch ein hartnäckiges Interview mit US-Präsident Donald Trump erlangt, als er trotz unwirscher Reaktion stets sachlich blieb und sich nicht einschüchtern ließ. Ein Glücksfall dabei war, dass Mason sich Deutschland verbunden fühlt, da er hier geboren wurde und seine journalistische Karriere in Frankfurt am Main begann. Ein kleines Extra-Highlight war dann, als Mason uns auf dem Weg nach draußen noch einmal zurück rief und uns noch im West Wing die Tür des Oval Offices zeigte. Klar, beim Besuch im Pew Research Center kam inhaltlich mehr herüber, aber hier bekam ich das Gefühl, wirklich ganz nah dran zu sein.

Auch in New York ließ die Attraktivität des Programms nicht nach. Dort beeindruckte mich besonders der Besuch bei Bloomberg, als modernes Medienunternehmen, das finanziell im Gegensatz zu vielen mir bekannten Häusern offenbar aus dem Vollen schöpfen kann. Der Kontakt zur Journalistin Viviana Hurtado war besonders angenehm, da ich bei einem späteren Get-Together ein sehr interessantes Gespräch mit ihr führen konnte und wir hoffentlich noch länger in Kontakt bleiben.

Kontakt ist ein gutes Stichwort: Auch dafür hat sich die Reise gelohnt. Da sind zum einen die Teilnehmer der Gruppe, von denen viele hoffentlich auch aber nicht nur dank des Alumni Programms Freunde bleiben. Ganz besonders sind die amerikanischen Kollegen zu erwähnen. Neben Viviana Hurtado möchte ich da auch Debby Block von Voice of America nennen, die ich zwar nur bei der Party in einer Washingtoner Bar kennenlernte, aber ebenfalls in Kontakt geblieben bin und sie bereits bei ihrem Besuch als Rias-Alumni im November in Berlin wiedergetroffen habe. Aber auch die überaus offenen Worte Britta Jägers im ZDF-Studio in Washington werden mir in Erinnerung bleiben, wie auch ein persönliches Gespräch, das ich abends beim Bier mit ARD-Korrespondent Jan Philipp Burgard führte.

Wenn hier etwas unerwähnt bleibt, heißt das nicht, dass es nicht erwähnenswert wäre – ich denke da besonders an den unermüdlichen Einsatz unserer Organisatoren Andrew Adair und Adam Reiss sowie natürlich auch Erik Kirschbaum, uns ein gelungenes Programm zu präsentieren. Die Redaktionsbesuche bei NBC, z. B. in der Sendung von Michael Gargiulo, aber auch im Kontrollraum waren eindrucksvoll, wie auch das legendäre Gebäude am Rockefeller Plaza von innen erleben zu dürfen.

Meine Station Week in Sioux Falls, South Dakota, war dann das Kontrastprogramm – nach zwei anstrengenden Wochen kehrte etwas Ruhe ein. Ich hospitierte dort im regionalen TV-Sender Kelo TV und durfte Reporter begleiten und die Sendungen aus der Nähe verfolgen. Da ich kein TV-Journalist bin fühlte ich mich allerdings aus beruflicher Sicht manchmal ein wenig fehl am Platz. Immerhin konnte ich für die Website des Senders einen Artikel über einen Sojabohnen-Farmer schreiben, der unter Trumps Handelskrieg mit China leidet. Diese Geschichte habe ich auch bei meiner Heimatredaktion n-tv.de publizieren können. Besonders spannend fand ich einen Besuch in einer Hutterer-Kolonie, eine aus dem deutschsprachigen Raum stammenden christlichen Gemeinschaft.

Besonders bleiben mir die überaus angenehmen menschlichen Begegnungen in Erinnerung. Das gilt besonders für meinen Gastgeber Jay Trobec, der sich sehr gut um mich gekümmert hat. Er stellte mich den Kollegen vor, lud mich mehrmals privat zum Essen ein und nahm mich zu einem Eishockey-Spiel mit. Auch ein langes Gespräch mit der Moderatorin Angela Kennecke bleibt mir in Erinnerung. Sie erzählte mir, wie sie ihre Tochter durch Drogenmissbrauch verlor.

Insgesamt war auch South Dakota spannend, gerade weil es ein Ort war, an dem ich vermutlich sonst nicht gekommen wäre. Gespräche mit Trump-Supportern, die unglaubliche Weite und Leere außerhalb der Stadt, die zahlreichen deutschen Namen und auch deutsch-wirkenden Gesichter, all das hat meinen Blick auf die USA erweitert, differenziert und klarer gemacht. Für meine Arbeit lieferte die gesamte Reise den unschätzbaren Wert, mir Kontakte zu verschaffen und vor allem mein eigenes Urteil zu schärfen. Alles in allem war es eine tolle Erfahrung und dafür bin ich der Rias Berlin Kommission überaus dankbar.


Victoria Reith, Deutschlandfunk/Westdeutscher Rundfunk, Köln

Gebrauchsanweisung für die USA in drei Wochen

Zu Beginn des Rundgangs werde ich gewarnt: „Manche Kerle werden sich aufführen, als ob du die erste Frau bist, die sie in ihrem Leben sehen.“ Besuch im Gefängnis von Johnson County, Indiana. Der Wärter, der meinen Kollegen Adam und mich durch die Anlage führt, hat einige Anekdoten parat. Zum Beispiel, dass jemand drei E-Zigaretten bei Haftantritt mit ins Gefängnis schmuggeln wollte – in seinen Körperöffnungen! Aber der neue Bodyscanner das verhindert hat. Das Thema der Recherche: überfüllte Gefängnisse, etwas, das man aus den USA als gesamtgesellschaftliches Problem auch in deutschen Medien liest. 30 Menschen schlafen in einer Gruppenzelle, einige von ihnen in „Booten“ genannten Plastikwannen auf dem Boden. Die große Problematik, hier findet sie auf lokaler Ebene statt. Der Grund für die überfüllten Gefängnisse sind oftmals Drogen, die Abhängigkeit von Opioiden sind ein weiteres gesamtgesellschaftliches Problem, das sich hier niederschlägt. Am Ende des Recherchetermins ist mein kompletter Zettel vollgekritzelt mit Bruchstücken, und mein Kopf ebenso voll von Eindrücken: Männer in orangefarbenen Gefängniskitteln, die weiblichen Besucherinnen wie mir hinterherpfeifen. Frauen, die den ganzen Tag in ihrer Minizelle gemeinsam vor dem Fernseher hocken, und eine von ihnen, die uns zuruft: „There 30 of them bitches in here.“ Die Woche in meiner station week bei WTIU und WFIU in Bloomington, Indiana hat bei mir den Eindruck hinterlassen, dass sich die nationale Politik, von der wir in Deutschland hören – und über die wir auch aus der Ferne schreiben, im mittleren Westen genauso manifestiert wie an der Ost- oder Westküste. Viele Reporter sind junge Universitätsabsolventen, arbeiten hier konvergent, drehen also selbst, nehmen den Kameraton für Radiostücke und schreiben dazu noch Online-Beiträge – alles an einem Tag. Gesendet werden die vollendeten Werke dann in Lokalfenstern der Sender NPR und PBS. Anhörungen vor Gericht, Besuche bei aufgebrachten Hörern, die die Journalisten auf Zerstörung durch Pestizide hinweisen, und Gespräche mit lokalen Politikern zur Erneuerung der Infrastruktur – in meiner station week habe ich einen Rundumschlag an Themen und Terminen miterlebt. Und ich habe noch ein halbstündiges Radiointerview mit Reportern des Indy Stars in Indianapolis führen können, die den Missbrauchsskandal um den Gymnastikarzt Larry Nassar mitaufdeckten. Viel mehr kann man in einer Woche nicht erleben als in der station week im RIAS Programm.

Außer möglicherweise in den beiden Programmwochen in Washington D.C. und New York. Dass man innerhalb weniger Tage so viel über den Politbetrieb in der US-amerikanischen Hauptstadt erfahren kann, ist eigentlich nicht vorstellbar. Doch die Termine lehrten uns das Gegenteil: Reuters-Korrespondent Jeff Mason berichtete im Presseraum des Weißen Hauses von seiner Auseinandersetzung mit Präsident Trump just an diesem Ort, die Forscher von Pew Research erklärten, wie Demographie und Wahlverhalten zusammen hängen, und nachdem wir hinter die Kulissen einer Live-Fernsehsendung schauen durften, konnte man uns sogar im TV bewundern. Über den Besuchen in Redaktionen und politischen Institutionen waberten häufig dieselben Begriffe, die die Vereinigten Staaten von Amerika in diesen Tagen prägen. Eine polarisierte Gesellschaft – linksliberal auf der einen Seite und rechtskonservativ auf der anderen – sowie das mögliche Impeachment-Verfahren gegen den amtierenden US-Präsidenten sind die dominierenden Themen. Und um diese Phänomene zu verstehen, ist ein Aufenthalt in den USA die beste, wenn nicht einzige Möglichkeit. Was RIAS bietet, kann weder die Lektüre der „New York Times“ noch ein einfacher Besuch auf eigene Faust ersetzen. Besonders war auch die Stimmung innerhalb der Gruppe der Fellows. Jede und jeder Einzelne ging engagiert, gut vorbereitet und ohne sich in den Vordergrund drängen zu wollen in die gut mit einem sowohl in Washington als auch in New York erstklassigen Programm gefüllten Tage. Auch die Abende, an denen wir frei hatten, wussten wir miteinander zu gestalten, und besuchten in New York unter anderem das Broadway-Musical „Come from away“ über eine kanadische Kleinstadt, die am 11. September 2001 tausende Fluggäste aus dem US-amerikanischen Luftraum aufnahm. In New York City bekam der RIAS-Aufenthalt auch noch unterschiedliche inhaltliche Facetten, wir besuchten ein auf der Fashion Street ansässiges Textilunternehmen, bekamen bei Bloomberg und auf der Wall Street Einblicke in die Finanzwelt. Wir unternahmen einen Ausflug nach New Jersey zum Gouverneur des Staats und früheren US-Botschafter, Phil Murphy, und erfuhren dort neben vielen politischen Informationen rund um Impeachment und deutsch-amerikanischen Beziehungen auch, welchen deutschen Fußball-Verein er verehrt.

RIAS trägt dazu bei, dass der Tenor, der in deutschen Medien in Bezug zu den USA herrscht, möglicherweise ein wenig differenzierter wird, und dass das gegenseitige Verständnis steigt, sowohl unter Journalistinnen und Journalisten, als auch unter Bürgerinnen und Bürgern. Ich für meinen Teil werde mir Mühe geben, noch mehr Perspektiven in meiner USA-Berichterstattung zu beleuchten als ich das früher bereits getan habe.


Simon Schütz, Bild, Berlin

Tulsa, Oklahoma | KJRH „2 WORKS FOR YOU“ | Host: Gitzel Puente
Am Sonntag den 20. Oktober 2019 ging die Reise von New York City ins Heartland der USA,
genauer gesagt nach Tulsa in Oklahoma. Tulsa ist sicherlich keine der Städte, die man als erstes mit den USA assoziiert. Sie ist anders als die großen und bekannten Städte an den Küsten – sie liegt im konservativ geprägten Oklahoma. Hier leben viele der Menschen, die nach wie vor voll hinter US-Präsident Donald Trump stehen. Die ihren Präsidenten lieben und alles daransetzen, dass er 2020 erneut triumphiert. Im US-Staat Oklahoma lief es für die Republikaner traditionell schon immer gut: In den letzten 17 Wahlen, seit 1952, hat hier nur einziges Mal ein Demokrat bei den Präsidentschaftswahlen gewonnen. Donald Trump hat Hillary Clinton bei der Wahl 2016 deklassiert – über 65 Prozent ihn hier ins Weiße Haus. Oklahoma ist also ein tiefroter Staat, in dem schon jetzt so gut wie feststeht: Donald Trump wird hier 2020 wiedergewählt.

Aus diesem Grund war es besonders spannend, Tulsa zu besuchen und meine „Station
Week“ hier zu absolvieren. Wichtig vorab: Ein Auto ist hier Voraussetzung. Das sollte jedem
bewusst sein, der Tulsa als Ort für seine „Station Week“ auswählt. Am einfachsten ist es, vorab online ein Auto für die Woche zu buchen und dies direkt am Flughafen in Empfang zu nehmen. Als Wohnort eignet sich jedes Hotel in Downtown Tulsa; ich selbst habe im Hilton Double Tree gewohnt – hier ist das Parken besonders einfach.

Für mich sah der „Alltag“ in Tulsa so aus, dass ich täglich in die KJRH-Redaktion gefahren
bin, um morgens am Redaktionsmeeting teilzunehmen. Hier wurden alle wichtigen Termine
und Geschichten des Tages besprochen und entschieden, welche Reporter welche Aufgabe
übernehmen.

Ich habe mich dann immer einem Team anschließen und die Arbeit über den Tag hinweg
beobachten können. So habe ich beispielsweise den Reporter Chris DiMaria einen Tag begleitet, um eine Geschichte über die örtliche Polizeistelle in Collinsville zu recherchieren. Das gab nicht nur die Gelegenheit dazu, die Umgebung Tulsas besser kennenzulernen und mit lokalen Behörden zu sprechen, sondern auch die Arbeits- und Herangehensweise des Kollegen aus nächster Nähe zu beobachten. Zum „Alltag“ in der Redaktion gehörte es ebenso das gewonnene Material anschließend aufzuarbeiten und das finale Produkt, sprich den Beitrag, für die jeweilige Sendung zu erstellen.

Für mich war es besonders spannend, Tulsa eigenständig zu erkunden. Dabei geht es nicht
nur um die kulturellen Möglichkeiten – einen Besuch des preisgekrönten „Gathering Place“
oder des „Philbrook Museum of Art“ kann ich nur empfehlen – sondern auch, um die Chance
mit Menschen vor Ort ins Gespräch zu kommen. Dabei ist zu empfehlen, die lokalen Kontakte der Kollegen in der örtlichen Redaktion zu nutzen und vorab schon einige offizielle Treffen anzustreben. Natürlich ist auch das Gespräch im Café mit dem Tischnachbarn spannend, will man allerdings politisch aktive Menschen treffen, empfiehlt sich eine entsprechende Planung. Für mich gab es vor allem zwei Highlights: Zum einem das Gespräch mit dem Vorsitzenden der Tulsa County Republicans, Bob Jack, der sich über eine Stunde Zeit nahm, um mir alle meine Fragen zu beantworten. Zum anderen das monatliche Treffen einer Gruppe von republikanischen Aktivisten, die ich vorab via Mail kontaktiert hatte. Sie hatten mich herzlich in Empfang genommen, ich konnte ihre Sitzung verfolgen und anschließend meine Fragen stellen und einzelne Gespräche führen. Für mich waren diese Begegnungen eine enorme Bereicherung und eine große Hilfe dabei, auch die konservativen Amerikaner besser zu verstehen.

Lobend zu erwähnen ist auch meine Gastgeberin Gitzel Puente, die nicht nur ein spannendes
Programm für mich zusammengestellt hat, sondern auch immer für mich erreichbar war.
Sie war eine tolle Gastgeberin und hat alles dafür getan, dass ich eine tolle Erfahrung mit tollen Erlebnissen und Begegnungen in Tulsa machen konnte. Insgesamt kann ich Tulsa und KJRH für die „Station Week“ wärmstens empfehlen und hoffe, dass nach mir noch viele Fellows die Chance haben, diese Erfahrungen zu machen.


Felix Wessel, Deutschlandfunk/Westdeutscher Rundfunk, Köln

Drei Wochen USA mit RIAS, drei ganz unterschiedliche Orte, unzählig viele tolle Blicke hinter die Kulissen, Begegnungen und Erlebnisse – all dies auf zwei Seiten unterzubringen, ist nicht möglich. Ich will mich deshalb auf einige Momente und Erfahrungen beschränken, die für mich besonders prägend waren.

Es ist ein Samstagabend Ende Oktober in Milwaukee, ich stehe dicht gedrängt in einem Pulk von Journalisten mit Aufnahmegerät und Mikrofon vor einer Wand. Auf ihr zu sehen: das Logo des Basketballvereins Milwaukee Bucks. Und diese Wand ist nicht irgendwo, sondern direkt in der Umkleidekabine der Spieler, auf deren Statements wir ungeduldig warten. Doch nach einem unglücklich verlorenen Spiel lassen diese sich ordentlich Zeit, um vor unsere Mikrofone zu treten. Dass man als Reporter den Sportlern so nahekommt, ist für mich eine neue Erfahrung. Und auch, dass selbst Sportreporter kurz vor dem Rentenalter während des Spiels Ergebnisse und Einschätzungen live twitterten. Eine Erkenntnis, egal wo ich in den drei Wochen war: Während in Deutschland Social Media oft noch als „nice to have“ betrachtet wird, sind US-Medien und ihre Macher dort viele Schritte weiter.

Knappe drei Wochen zuvor. Wir stehen vor einer Kabine, die man eher als Pausenbude der Arbeiter auf einer Baustelle vermuten würde. Doch es ist die Sicherheitsschleuse für Journalisten, die den Presseeingang ins Weiße Haus nehmen wollen. Es dauert deutlich mehr als eine halbe Stunde, bis der Secret Service uns endlich passieren lässt. Doch das Warten lohnt sich: Wir bekommen eine Tour von Jeff Mason, dem Korrespondenten der Nachrichtenagentur Reuters für das Weiße Haus. Der Presseraum selbst wirkt ein bisschen wie eine Abstellkammer für Kamera-Stative & Co.; dort finden kaum mehr Briefings statt. Doch Jeff, der erst kurz zuvor wegen eines Schlagabtauschs mit Donald Trump im Fokus der Öffentlichkeit stand, erklärt: Anders als in Deutschland vielfach wahrgenommen, ist der US-Präsident und seine Verwaltung durchaus für ihn als Journalist ansprechbar – allerdings kaum mehr klassisch im Presseraum und hin und wieder auch mit einem Wortgefecht. Ich bin beeindruckt von der Sachlichkeit, die Jeff Mason nicht nur im direkten Aufeinandertreffen mit Trump bewiesen hat, sondern die er auch in seiner Analyse der politischen Situation an den Tag legt.

Gesellschaft und Medien – auch das wurde in den drei Wochen sehr klar – sind stark polarisiert und fragmentiert. Wie sollte man in solch einem Umfeld Journalismus betreiben? Fragen wie diese stellen sich derzeit nicht nur die Amerikaner. Auch in Deutschland ist mit dem Umbruch im Parteiensystem und dem Wandel in der Mediennutzung einiges in Bewegung gekommen. Und das war nur eine von vielen Erkenntnissen in drei Wochen RIAS-Trip: Die Fragen, die wir uns dies- und jenseits des Atlantiks gerade stellen, sind oft sehr ähnlich. An den Antworten arbeiten wir noch.

Regelrecht überrascht war ich von der Diskussion mit Bill Sammon, Vice President und Managing Editor von den Nachrichten bei Fox News. Wahrscheinlich war es ein Stück weit auch mein eigenes Vorurteil, dass ich einen Hardliner erwartet hatte. Auf jeden Fall hatte ich seinen Blick auf US-Gesellschaft und -Medien, Präsident Trump und das eigene Medienhaus durchaus anders eingeschätzt. Fox News, auch das ein Learning aus dem RIAS-Trip, besteht – je nach Sendezeit – eben genauso aus zurecht respektierten Journalisten wie aus zur Demagogie neigenden Meinungsmachern. Doch auch CNN hat teils fragwürdige Meinungssendungen und –Moderatoren. Und auch einige weitere kommerzielle Medien profitieren von der Spaltung der Gesellschaft, in die ich drei Wochen lang tiefe Einblicke bekommen habe – und die nicht nur Politik und Medien betrifft, sondern bis in die Wohnzimmer von Familien reicht.

Zwar steht der öffentlich-rechtliche Rundfunk zurzeit auch in Deutschland immer wieder in der Kritik. Doch sein Auftrag ist genau das Gegenteil von Profitmaximierung durch Ausnutzung und Förderung der gesellschaftlichen Polarisierung. Wie gut die öffentlich-rechtlichen Medien hierzulande dafür finanziell ausgestattet sind, hat immer wieder unsere Gesprächspartner in den USA überrascht. Beim Sender WUWM in Milwaukee durfte ich eine Woche lang erfahren, wie unterschiedlich das „Public Radio“ in den Vereinigten Staaten organisiert ist. Dort machen sie aus der Not der geringeren Finanzausstattung eine Tugend und setzen stark auf Sponsoring und die Unterstützung der Hörer durch Spenden. Dies – so war mein Eindruck – führt auch zu einer engeren und direkteren Verbindung zwischen Hörern und Sender als in Deutschland.

Während die ersten beiden Wochen vor allem von Herausforderungen und Chancen in Politik und Medien geprägt waren, konnte ich mich eine Woche lang – auch dank der tollen Unterstützung meiner Gastgeberin Bonnie North und dem WUWM-Team – als Reporter in Milwaukee auf ganz andere Themen stürzen: vom deutschen Musikdirektor am Symphonieorchester bis zum Basketball. Ein angenehmer Nebeneffekt war, dass ich neben den vielen Eindrücken und Bekanntschaften aus den drei Wochen auch mehrere Geschichten aus einem Teil der USA mitbringen konnte, der in der deutschen Berichterstattung etwas untergeht.

Ich danke der RIAS Berlin Kommission für diese tolle Gelegenheit und bin mir sicher: Die drei Wochen voller toller Erlebnisse, Begegnungen und Blicken hinter die Kulissen waren für mich nur der Anfang eines länger anhaltenden Austauschs mit den USA und den beeindruckenden Menschen, die ich dort treffen durfte.