2004

USA-Redakteursprogramm 2004
23. bis 30. Oktober 2004

Einwöchiger Informationsaufenthalt in Washington, D.C. in Vorbereitung auf die US-Präsidentschaftswahlen 2004.

Dreizehn Radio- und Fernsehredakteure von öffentlichrechtlichen und privaten Nachrichtenredaktionen besuchten Think Tanks, Lobby Groups, Journalisten und U.S.-Abgeordnete in Washington, D.C. und nahmen an einer Wahlkampfveranstaltung in Baltimore teil. Nur Tage vor den U.S.-Präsidentschaftswahlen am 2. November 2004 gab das einwöchige Programm Gelegenheit, die politische Stimmung in den Vereinigten Staaten zu erleben und aktuelle Hintergrundinformationen für den Wahltag zu sammeln. Einige Teilnehmer verlängerten ihren Aufenthalt, um ihre Büros in Washington und New York am Wahltag zu verstärken.


TEILNEHMERBERICHTE

Johannes Böhning, N24

Das Senior-Editor-Programm in Washington fand eine Woche vor den Präsidentschaftswahlen in den USA statt. Hoffnungen, dass einem dadurch ein direkter und persönlicher Einblick in den amerikanischen Wahlkampf gewährt würde, wurden enttäuscht. Durch das Electoral College konzentrieren sich die Parteien auf einige sogenannte „Battle Ground States“. In Washington ist von Wahlkampf so gut wie gar nichts zu spüren. Im Gegenteil. Das politische Washington ist so gut wie ausgestorben, weil alle im Wahlkampf unterwegs sind.

Die Befürchtung, dass das Seminar dadurch weniger interessant oder lohnenswert wäre, war ebenso unbegründet. Es ist Margaret Ershler gelungen, eine Woche mit sehr interessanten Terminen und Gesprächspartnern zusammenzustellen. Diese umfassten das gesamte Spektrum des politischen Handelns in den USA. Die Think Tanks, die Journalisten, deutsche und amerikanische Politiker in Washington, die politischen Aktivisten. Interessant dabei die verschiedenen Diskursarten. Die Gesprächspartner lenkten unsere Blicke gezielt auf die wichtigen Felder ihres Berufes. Ich will nicht sagen, dass wir dabei mit Stereotypen konfrontiert wurden, aber die Gesprächspartner erfüllten schon sehr bereitwillig die an sie gestellten Erwartungen. Auf jeden Fall aber gewährten sie spannende Eindrücke in ihre Arbeit.

Besonders positiv möchte ich einige Ausführungen einer Vertreterin des „American Enterprise Institutes (AEI)“, eines konservativen Think Tanks, hervorheben. In ihrem Vortrag ging es um Umfragen und deren Auswertung vor der Wahl. Dabei wurde im Vorfeld der Wahl heftig darüber spekuliert, welche Rolle der Irak-Krieg bei der Abstimmung spielen würde. Sie vertrat dabei die Position, dass die Amerikaner sich zwar bewusst darüber seien, dass George Bush die internationale Gemeinschaft über die Gründe für den Irak-Krieg belogen habe, ihm das aber nicht zur Last gelegt werde. Der Grund dafür läge darin, dass bereits im ersten Golfkrieg weitgehend Einigkeit darüber bestanden habe, dass Saddam Hussein gestürzt werden müsse — und das mit einer Zustimmungsrate von über 70 Prozent. Diese Rate habe sich seither kaum verändert. Insofern musste Bush nur die internationale Gemeinschaft überzeugen, nicht die amerikanische Bevölkerung. Dass er dafür unlautere Argumente benutzte, fällt bei den ohnehin unilateralistisch geprägten Amerikanern nicht weiter ins Gewicht. Diese Meinung wurde im Vorfeld der Wahl von kaum jemandem geteilt, erwies sich aber nach der Wahl als durchaus zutreffend.

Als Zweites möchte ich das Gespräch mit dem Deutschen Botschafter, Wolfgang Ischinger, hervorheben. Er machte deutlich, dass die Bundesregierung zwar neutral sei, über eine zweite Amtszeit von Präsident Bush aber keinesfalls unglücklich. Historisch betrachtet sei die Erfahrung mit US-Präsidenten in der zweiten Amtszeit meistens besser und man käme nicht in das Dilemma, bei einem Wahlsieg Kerrys diesem gleich eine Abfuhr erteilen zu müssen. Genau das wäre wohl geschehen, hätte Kerry seine Ankündigung wahr gemacht und ein stärkeres Engagement Deutschlands im Irak gefordert.

Ein drittes Gespräch, das ich hervorheben möchte, fand in dem „Center of Studies for Excellence in Journalism“ statt. Der Leiter gab einige Erläuterungen ab zu Veränderungen im Sehverhalten der Amerikaner in den vergangenen Jahren. Quintessenz war, dass die großen nationalen Nachrichten verlieren, die Menschen tendenziell weniger schlafen und früher aufstehen. Und dass davon besonders die Frühnachrichten und Nachrichtensender profitieren. Auch wenn das wenig mit der Wahl zu tun hatte und die Verhältnisse nicht übertragbar sind, war das für mich als Vertreter von N24 mit Verantwortung für den Vormittag sicherlich sehr interessant.

Um auf die Wahl zurückzukommen muss allerdings noch gesagt werden, dass in ihrer Prognose über den Wahlausgang so ziemlich alle Gesprächspartner falsch lagen. Die einhellig vertretene Meinung war nämlich die, dass keine Vorhersage möglich sei und der Wahlausgang so knapp wie vor vier Jahren. Das erwies sich, wie wir nun wissen, als falsch. Es äußerten aber auch alle die Hoffnung, dass am Ende ein klarer Sieger feststehen würde. Das wiederum hat sich erfüllt.

Nun stand der Ausgang der Wahl gar nicht im Fokus des Programms, zumal die meisten von uns am Wahltag schon wieder abgereist waren. Das Ziel, uns einen Einblick in die Arbeit von Politikern und Journalisten in Washington zu geben, wurde absolut erfüllt. Das Programm hat damit auch einen wichtigen Beitrag zur deutsch-amerikanischen Verständigung geleistet. Ich möchte damit auch ein großes Dankeschön aussprechen an alle, die es mir ermöglicht haben, bei dem Programm dabei zu sein, und ein großer Dank und viel Lob an die, die es organisiert haben.

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Dr. Jost-Arend Bösenberg, Rundfunk Berlin-Brandenburg

Einmarsch ins Weiße Haus

Die glorreichen Dreizehn schafften es bis zum Weißen Haus — und besichtigten die Empfangsräume der Präsidenten-Gattin. Immerhin! Sie waren angetreten alles zu erfahren, möglichst das Ergebnis der Präsidentenwahl vom 2. November 2004 schon vor allen zu erfahren — und genau das haben sie geschafft. Noch auf deutschem Boden war alles ganz anders, da stand spätestens nach Fahrenheit 911 fest, dieser Präsident kann unmöglich wiedergewählt werden. Doch dann, auf amerikanischem Boden, wurde allen klar: er wird es noch einmal schaffen.

Was hat diesen Wechsel veranlasst, warum ändert man gerade in Washington D.C. seine Meinung, wo über 90 Prozent gegen Bush stimmten? Es waren die Gespräche mit den Experten, es waren die Extra-Informationen, die man nur vor Ort bekommt — und es war Jon Stewart, der Comedian, dessen tägliche Show einen spüren ließ: die Schlacht ist verloren. Überhaupt überlagerte die Verulkung diese Wahl. Stewart: „George Bush found governing fulfilling. While he wasn’t able to bankrupt Texas, he did add many new and interesting particles to its air. Always a friend to the energy industry, Bush tripled the amount of electricity flowing through death row.”

Zynismus ob der vielen Toten im Irak, erst ab 10.000 Leichen denke man wirklich an Vietnam. Bush rettet uns vor den Söhnen Allahs, das Land wird bedroht, und Kerry? Ach, das ist der Mann, der keinen Plan hat. Also, to make a long story short, es blieb bei Bush. Wir Dreizehn, wir wussten es eine Woche vor dem 2. November.

Die präzise Karlyn Bowman vom American Enterprise Institute, sie sagte es uns zwischen den Zeilen, fast mit lakonischer Gelassenheit. Bowman gehört zu den Leuten von den Think Tanks, den Analysten, die alle Daten sammeln und einem das Wahlverhalten von zwanzigjährigen Holzfällern in Maine im Vergleich zu Babysittern in Iowa präsentieren können.

Es wusste auch Wally Dean vom Committee of Concerned Journalists, der ein Project for Excellence in Journalism leitet und mit leicht resignierter Melancholie feststellt, dass alles noch flacher und simplifizierter wird. Roxanne Russell, CBS News Senior Producer, hatte auf ihrer Festplatte zu Hause gleich vier Stunden Jon Stewart aufgezeichnet und kreischte vor Begeisterung, wenn ihm wieder ein Gag besonders gelungen war. Manchmal kam das Gefühl auf, politische Zielsetzungen sind irrelevant, weil man nur gegen Bush sein darf, als aufgeklärter Mensch. Die Stimmen für Kerry waren somit nicht für Kerry sondern nur gegen Bush. Und je sarkastischer die Kommentare waren, desto deutlicher wurde uns Dreizehn, dass Bush die Wahl gewinnen wird.
Alle, ob Bob Deans, der White House Correspondent von Cox, oder auch der deutsche Botschafter Ischinger, sie alle ließen uns die Wahlentscheidung im Vorfeld spüren. Deans meinte, er kenne zwölf Korrespondenten, die nach einem Bush-Sieg ihre Versetzung weg vom White House beantragen werden, weil es dann wieder vier langweilige Jahre geben werde.

US Senator Barbara Mikulski trat in Baltimore vor die Wähler, eine Demokratin, die ebenfalls wiedergewählt werden wollte, als Senatorin. Die Stahlarbeiter von Baltimore waren eingeladen, keine hundert waren gekommen. Es wurde ein Witz erzählt, als Wahlkampf: Ein Mann kommt im Februar 2005 immer und immer wieder an das Tor vom Weißen Haus und will George Bush sprechen, der längst nicht mehr da ist. Nach wochenlanger Wiederkehr und ständiger Aufklärung, dass Bush nicht mehr da sei, sagte er schließlich: ja, er wüsste, dass Bush da nicht mehr wohne, aber er wolle es so gern immer und immer wieder hören.

Da war er wieder: der Witz, die Distanz, die Inhaltslosigkeit dieser Wahl — obwohl es doch um soviel ging. Stewart und Mikulski — das blieb von diesem Wahlkampf, in dem die USA so viele tote Soldaten im Irak zu beklagen haben, in dem der Staatshaushalt eine noch nie gekannte Verschuldung durchläuft — und dennoch, es wurde wieder George Bush und wir Dreizehn von RIAS, wir haben es eine Woche vorher gewusst, ganz genau.

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Kerstin Grundmann, Mitteldeutscher Rundfunk

Momentaufnahmen aus dem amerikanischen Vorwahl-Alltag

Es war unser 2. Tag in Washington, in der U-Bahn auf dem Weg ins Zentrum: Neben mir steht eine Frau, vielleicht Mitte 40, an ihrem Mantel ein großer „Vote for Kerry“-Anstecker — unübersehbar für alle Fahrgäste. Wir steigen gemeinsam aus, ich frage sie nach dem Weg und wir kommen ins Gespräch. Nach ein paar Minuten Small-Talk frage ich sie: WARUM sie denn mit diesem riesigen Button — in aller Öffentlichkeit — ihre politische Meinung kundtut. Sie scheint überrascht, warum ich das wissen wolle und erklärt lautstark: „Ich will allen zeigen, wer für mich die beste Wahl ist — am 2. November. Jede Stimme zählt und es gibt noch so viele unentschlossene Wähler, die müssen schließlich noch überzeugt werden.“

Von Politikmüdigkeit, von politischem Desinteresse habe ich in dieser Vorwahl-Woche wenig gespürt. Dafür einen anderen, offenen und öffentlichen Umgang mit politischen Meinungen. In Deutschland ist Politik zumeist Privatangelegenheit. Wohl kaum jemand würde mit einem Fremden zuerst über seine Wahlabsichten diskutieren. Doch die Amerikaner scheinen das für eine ihrer staatsbürgerschaftlichen Pflichten zu halten und sind mit viel Engagement und Begeisterung bei der Sache.

Begeisterungsfähigkeit in Wahlkampfzeiten, die konnten wir hervorragend beobachten bei einer Wahlkampf-Veranstaltung der Demokraten in Baltimore, Maryland. Gut eine Autostunde von Washington entfernt hatten die Demokraten eingeladen — in einen kleinen Veranstaltungssaal der Stahlarbeiter. Schon vor dem Eingang standen lange Tisch mit jeder Menge Wahl-Devotionalien: Grelle Aufkleber, satirische Anstecker („cigar smokers for Kerry“) und überdimensionale Plakate. Der Saal war mit Fähnchen, Girlanden und Plakaten geschmückt — auf denen EIN Name prangte: Barbara Mikulski. Die Senatorin stellte sich zur Wiederwahl und absolvierte an diesem Tag einen ihrer letzten Wahlkampftermine. Die Zuhörer jubelten als die kleine, rundliche Frau die Bühne betrat. Und bald wussten wir auch warum: Die Senatorin holte zu witzigen rhetorischen Querschüssen gegen die Bush-Regierung aus und präsentierte sich selbst als aufrechte Kämpferin für die Rechte der kleinen Leute. Eine Rolle, in der sie die Zuschauer begeistert feierten.

Für mich als Nachrichten-Frau besonders interessant war natürlich die Wahlkampf-Berichterstattung im unüberschaubaren amerikanischen Wahlkampf-Dschungel. Nonstop — 24 Stunden am Tag wird der Zuschauer mit Berichten versorgt: wo gerade welcher der beiden Kandidaten seine Wähler mobilisiert. Gespickt mit Analysen, Kommentaren, Experten-Befragungen. Weil die Stunden gefüllt werden müssen, ist es schon erstaunlich, WAS alles zum Thema erhoben wird: Wenn Mrs. Kerry anzweifelt, ob Mrs. Bush jemals in einem richtigen Beruf gearbeitet hat — außer als Hausfrau, dann beherrscht das drei Tage alle großen Sender. Wahlkampf-Berater werden in die Mangel genommen und befragt, ebenso wie Ex-Präsidenten und Präsidenten-Frauen. Und immer wieder die Frage gestellt: Wie könnte denn diese kleine, wohl nicht ganz ernst gemeinte Bemerkung Kerrys die Wahlentscheidung von Millionen Amerikanern beeinflussen.

Von ganz anderem Einfluss war ganz sicher das Bin-Laden-Video, das vier Tage vor der Wahl plötzlich auftauchte. Ich war schon bei meinen Vorbereitungen für die Rückreise, da unterbrach CNN am Nachmittag plötzlich sein Programm mit einem Video und dem eigenartigen Hinweis: Man wisse nicht, was der Terroristen-Führer zu sagen habe, wolle es aber erstmal veröffentlichen, nach einem Dolmetscher werde gesucht. Soweit zur Sorgfaltspflicht in den Medien, die offenbar bei dem heftigen Konkurrenzkampf hinten ansteht. Hätte CNN noch ein paar Minuten gewartet und die Bin-Laden-Ansprache übersetzen lassen, wäre vielleicht ein anderer Sender mit der Veröffentlichung schneller gewesen. Die Reaktionen auf das Video waren dann — bei all dem harten, unerbittlichen Wahlkampfgerangel der vergangenen Monate — doch erstaunlich besonnen. Bush und Kerry, beide Kandidaten erklärten: „Wir befinden uns im Krieg mit dem Terrorismus und werden erfolgreich sein.“ Demonstrative Einmütigkeit — schließlich war der Terror-Kampf auch DAS wahlentscheidende Thema.

Die RIAS Kommission hat uns in der einen Woche mit hochkarätigen Gesprächspartnern versorgt, interessante Diskussionsrunden zusammengestellt, Wahlkampf — live vor Ort — gezeigt. Also Einblicke, Informationen und Hintergründe geboten, die die Berichterstattung und Einordnung dieser Wahl ungemein erleichtert haben. Dazu beigetragen hat nicht zuletzt auch die engagierte und perfekte Betreuung durch Margaret Ershler. Für all das herzlichen Dank.

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Christel Haas, Zweites Deutsches Fernsehen

„Wahlkampf? Ich habe die Nase voll von diesem ewigen Wahlkampf“, antwortet Norma, unsere Stadtführerin, auf meine Frage. „Seit zwei Jahren geht es um nichts anderes, aber spannend wird es schon am 2. November.“

Spannend ist dieses Rennen um die amerikanische Präsidentschaft für uns allemal. Wir sind vor Ort, können das Geschehen direkt verfolgen, nicht nur, wie bisher, aus der Ferne. Und brennen darauf, die Gemütslage dieses Landes am Vorabend der Wahl zu ergründen.

Washington, acht Tage sind es noch bis zum Tag X. Die Stadt ist erstaunlich ruhig, so kurz vor der Entscheidung. Keine gigantischen Wahlkampfparties, keine Demos, nur unzählige Plakate in den Vorgärten und an den Fassaden der Häuser — die meisten werben hier für Kerry. Washington gilt traditionsgemäß als liberal, doch anderswo im Land hat Bush die besseren Karten. Die eigentliche Wahlkampfschlacht wird ohnehin nicht in der Hauptstadt geschlagen, sondern in den noch unentschiedenen Bundesstaaten. „Battleground-states“ heißen sie deshalb.

Und dennoch: hier in Washington sitzen jene, die Politik machen, über sie berichten, sie wissenschaftlich untersuchen und Meinungsbilder erstellen — also genau die Richtigen, um alle unsere Fragen zu beantworten — über die Wahlchancen, über politische Programme und über den Einfluss der Religion auf Politik und Alltag.

Immer deutlicher wird in all unseren Diskussionen, wie zerrissen dieses Land ist in vielen wichtigen Fragen: Irak, Außenpolitik, Wirtschaft, Soziales; kaum überbrückbar scheint der Graben zwischen Demokraten und Republikanern. Das hat es hier in dieser Intensität noch nicht gegeben. Und dennoch — so paradox es klingt — sind sich die Amerikaner in ihren Grundsätzen einig: fest verwurzelt bei allen ist ein tiefer Glaube an die Freiheit, Macht und Gerechtigkeit ihres Landes.

Religion und Glauben spielen in diesem Wahlkampf eine große Rolle. Selten waren sich die Wähler so einig — der Präsident muss ein religiöser, gläubiger Mensch sein und dies auch in seiner Politik deutlich machen. Damit tut sich Bush leichter als Kerry — ist das der entscheidende Punkt? Nicht ausgeschlossen, erklärt der Experte vom Pew-Institute, Religion spiele eine wichtige Rolle im alltäglichen Leben. Und durch die Blume lässt er uns wissen, dass die strikte Trennung von Staat und Kirche so strikt schon lange nicht mehr ist.

Weißes Haus, Seiteneingang: mit nichts als unseren Pässen in der Hand werden wir von einem Sicherheitsbeamten in Empfang genommen. Unsere Taschen, Geldbörsen und Mäntel haben wir im Bus lassen müssen. Nach etlichen Überprüfungen sind wir endlich da — im Zentrum der Macht. Hier also trifft der Präsident seine Entscheidungen, berät sich mit seinem Stab, hier empfängt er seine Staatsgäste und hält Pressekonferenzen ab. Zweifellos war dieser Besuch einer der Höhepunkte unserer Reise.

Wer wird die nächsten vier Jahre im Weißen Haus residieren, Bush oder Kerry? Keiner, auch der Chef der White House Korrespondenten, mag uns darauf eine konkrete Antwort geben. Zu eng liegen beide Kandidaten beieinander, zu kontrovers sind die Themen, zu ungewiss das Verhalten der Wähler.
Und die Medien: welchen Einfluss haben sie, welche Rolle spielen sie? Vor allem das Fernsehen verzeichnet dramatische Rückgänge beim jüngeren Publikum, erfahren wir von Wally Dean vom Project for Excellence in Journalism. Im Zeitalter des Internets und der Handys würden Informationen auf anderen Wegen verbreitet, abseits der traditionellen Massenmedien. Und auf der verzweifelten Jagd nach dem verlorenen Publikum — so lernen wir — bleibe dann oft auch die Qualität der Berichterstattung auf der Strecke.

Immer wieder kommt das Gespräch auf den Irak, eine verfahrene Situation, das geben alle unumwunden zu. Interessant dabei: so kritisch viele Amerikaner den Irak-Krieg sehen, so einig sind sie sich in dem Urteil, dass im Irak die „bad boys“ sind und die US-Truppen nur die gewünschte Demokratie und Freiheit bringen.

Baltimore, Maryland. In einer kleinen Halle am Rande der Stadt versammeln sich ein paar Dutzend Stahlarbeiter zu einer Wahlkampfveranstaltung. Erwartet wird die demokratische Senats-Kandidatin, Barbara Mikulski. Field experience nennt Margaret, unsere Gruppenleiterin, diesen Programmpunkt. Und genau das ist es: diese Veranstaltung führt uns mitten hinein ins Amerika der Amerikaner und offenbart uns ein kleines Stück Lebensphilosophie. Großartig!

Es gäbe noch vieles zu berichten von dieser Reise: das Treffen mit dem deutschen Botschafter etwa, die Gespräche mit ehemaligen Abgeordneten, das Wirtschafts-Seminar und, und, und…

Margaret hat ein wunderbares Programm zusammengestellt, eine gelungene Mischung aus persönlichen Kontakten und politischen Gesprächen. Nie zuvor bin ich der amerikanischen Seele so nahe gewesen. Nur schade, dass das Programm den Wahltag nicht mit eingeschlossen hat.

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Thomas Heinrich, Zweites Deutsches Fernsehen

RIAS Berlin — Washington-Informationsreise im Oktober 2004

„Vergiss nicht, die Farmer sind es, die hier den Präsidenten wählen.“ David, ein Amerikaner auf Heimaturlaub, ruft mir die Worte zu, als wir uns nach der Landung vor den Schaltern der Einwanderungsbehörde verabschieden. Vergessen fällt aber auch nicht schwer in Washington, wo wir in den kommenden Tagen zwar viele Leute treffen, die John Kerry wählen wollen, aber nur wenige Anhänger des Präsidenten und nicht einen einzigen Farmer. Das politische Geschäft in Washington und New York, die Medien und die Stimmung an den Küsten prägen unser Bild von Amerika. Die politische Mehrheit ist dort nicht zu Hause. Wir wissen das spätestens, als in der Wahlnacht die Zahlen aus Ohio über den Schirm laufen. Ahnen werden wir es schon in den Tagen zuvor.

Wir sind verabredet mit der renommierten Wahlforscherin Karlyn Bowman vom American Enterprise Institute, mit dem deutschen Botschafter Wolfgang Ischinger, dem langjährigen White House Correspondent Bob Deans, mit Luis Lugo, dem Direktor des Pew-Forum on Religion and Public Life, das an der Nahtstelle zwischen Religion und Gesellschaft forscht, sowie einer ganzen Reihe weiterer Wissenschaftler aus Washingtoner Think Tanks und zwei ehemaligen Abgeordneten des Repräsentantenhauses.

Wie ticken die Amerikaner, wen werden sie wählen und warum? Das wollen wir erfahren in Washington. Die RIAS-Reise soll uns den Hintergrund liefern für den Wahltag, über den wir anschließend berichten werden. Außerhalb der USA — nicht nur in Deutschland — versteht zu diesem Zeitpunkt keiner so recht, warum George W. Bush eine Woche vor den Wahlen noch immer die Nase vorn hat in den Umfragen — trotz Irak, trotz Kriegslügen und all den Daten über soziale Schieflagen im Gesundheits- und Bildungswesen. Nach unserem Verständnis fast schon frivole Umfragewerte angesichts des Problemhaufens, der sich auftürmt. Gibt es da also etwas, was wir Ausländer, was wir Beobachter aus Deutschland einfach übersehen oder nicht wahr haben wollen?

Ja, das gibt es! Wir erfahren es mit den kleinen Anekdoten und persönlichen Erlebnissen, die unsere Gesprächspartner weitergeben, ebenso wie in ihren brillianten Analysen und Umfragedaten. So verschieden ihr Blickwinkel auf das politische Geschäft auch ist, sie machen uns klar, wie jeder Amerikaner die Politik eben von seiner jeweils eigenen Perspektive aus betrachtet. Und die unterscheidet sich häufig sehr von unserer. Zwei Beispiele dafür:
George W. Bush — ein Politiker mit Witz und Charme?

Da müssen wir geschlafen haben im alten Europa! Haben wir uns nicht eben noch über seinen etwas linkischen und holprigen Stil mokiert, die drei Fernsehdebatten der letzten Wochen noch vor Augen, auch die vielen pathetisch-protzigen Auftritte der vergangenen vier Jahre.

Da hören wir jetzt, wie gewinnend der Präsident im persönlichen Umgang sein kann, mit einem verblüffend guten Gedächtnis für Details. Einer, der schon mal die Familienmitglieder grüßen lasst, die in diesem Jahr nicht mit zum Diplomatenempfang gekommen sind. Einer, der sich auch noch nach den Hunden erkundigt, die der Reporter vor Jahren mal erwähnt hat. Einer, der offenbar vermitteln kann, dass er sich kümmert und interessiert ist. Für die Wahlforscherin wird das messbar in dem Maß an Vertrauen, das viele Amerikaner in einen Politiker setzen, der ihre Sprache spricht, nicht die des abgeklärten Anwalts.

It´s all about values (… facts don´t count).

Im Leben von 59 Prozent der US-Bürger spielt die Religion eine sehr wichtige Rolle. Nur 21 Prozent der Menschen in Deutschland sagen das von sich. Da trennen uns Welten. Auch bleibt es hier nicht beim verbalen Glaubensbekenntnis: 43 von Hundert Amerikanern besuchen wöchentlich mindestens einen Gottesdienst, noch mehr sind es im Süden und Mittleren Westen. In diesem Land, das lernen wir, gibt es also eine Basis für die Diskussion über moralische Werte, die vor allem für Bush-Wähler zu den allerwichtigsten Prüfsteinen gehören. Eine breite Mehrheit der Bürger will, dass der Präsident starke religiöse Glaubensgrundsätze besitzt.

Luis Lugo, dessen Pew — Institut den Einfluss von Religion auf Staat und Gesellschaft untersucht, spricht von einem tiefgreifenden und strategischen Wandel im Wählerverhalten besonders der White Evangelical Protestants, der politisch einflussreichsten religiösen Gemeinschaft. Sie stellen rund ein Viertel der Bevölkerung und werden seit Mitte der 90er zu einer immer sichereren Stimmenbasis für die Republikaner.

Auch die hohe Zahl von Einwanderern aus Lateinamerika, Asien und der Karibik mindern den zunehmenden Einfluss der Religion nicht, sie verstärken ihn — auch das ein Befund, den wir so nicht erwartet haben. Hier wird sich vermutlich der kulturelle Unterschied vor allem gegenüber Europa vertiefen, und spannend wird die Frage, wie sich der religiöse Einfluss auf die Außenpolitik künftiger Regierungen auswirken wird.

So wie der neue Präsident der alte ist, bleiben uns Religion und all die anderen Themen über den Wahltag hinaus erhalten. Sich an an Ort und Stelle so fundiert darüber informieren zu können, ist eine einmalige Gelegenheit. Danke an unsere Gesprächspartner, die sich so wenige Tage vor der Wahl die Zeit für unsere Fragen nehmen können. Mit all den Gesprächen, Podiumsdiskussionen und sonstigen Veranstaltungen ist dies eine der lehrreichsten und nützlichsten Informationsreisen überhaupt.

An dieser Stelle deshalb ein herzlicher Dank an Rainer Hasters und seine RIAS-Mannschaft, die das möglich machen. Zeitpunkt und Programm sind perfekt. Von Anfang an haben wir das sichere Gefühl, genau zur richtigen Zeit am richtigen Ort zu sein.

Perfekt ist auch die Organisation und dafür sorgt die großartige Margaret Ershler, die uns nicht nur zuverlässig von Termin zu Termin und durch jeden Security-check lotst. Sie hat wirklich immer alles Wissenswerte über Stadt, Land und Leute parat: Während der Stadtrundfahrt, auf der Museumsmeile, bei den Memorials, im neuen Air and Space Museum am Flughafen und bei der Führung durchs Weiße Haus, ja selbst beim Einkauf im Supermarkt — Margaret hat die Antworten, fragen dürfen wir.

Beim Abschiedsessen unserer Reisegruppe wacht sie mit Adleraugen über ihren Stimmzettel, damit ich den kurzen waagrechten Strich nicht an der falschen Stelle mache. Wir kennen das Ergebnis.

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Dieter Jepsen-Föge, DeutschlandRadio

Pappbecher, aber trotzdem Kultur

Das war es? Beide Zeigefinger auf den Scanner legen und einmal in die Kamera blicken. So what? Wenn diese Datenspeicherung der Sicherheit dient, worin liegt das Problem? Warum ist in Deutschland und der Europäischen Union nicht möglich, was in Amerika problemlos angewendet wird? Das Gefühl der Bedrohung und die Entschlossenheit im Kampf gegen Terrorgefahren unterscheiden die beiden Partner diesseits und jenseits des Atlantiks.

Frühstück beim Begrüßungstreffen im Hotel und Arbeitsfrühstück im Büro von RTNDF: Freundlich, locker, professionell, Du-Kollegialität. Aber warum um Himmels willen diese Pappbecher-Unkultur?! Warum muss ich mit Messer und Gabel aus dünnem Plastik essen? Das dient nicht der Sicherheit und nicht dem Frieden mit der Natur! Und das in dem Land, das zwar nicht immer geschmackssicher, aber konsequent die Kultur feiert und fördert und oft sogar Maßstäbe setzt, zum Beispiel mit der Architektur und der Sammlung des Moma in New York!

Apropos Museen: An der Mall hat die Kette der Smithonian Institutions nun auch ein Haus für die Darstellung der Indianischen Geschichte und Kultur erhalten. Auch jedes andere der Museen, ob der Verfassungsgeschichte, der Technikgeschichte, der Malerei oder der Raumfahrt gewidmet, lohnt immer wieder einen Besuch. Überhaupt der Umgang mit der eigenen (kurzen) Geschichte ist eindrucksvoll. Steinerne und gestaltete Erinnerungen an den Zweiten Weltkrieg, den Krieg in Korea und in Vietnam und an den New Deal des Präsidenten FD Roosevelt, der länger regiert hat als jeder seiner Vorgänger und Nachfolger. Angesichts dieser Erfahrungen mit Erinnerungsstätten überrascht es dann nicht, dass das Holocaust Mahnmal in Berlin — neben der künftigen US Botschaft — von einem Amerikaner, Peter Eisenman, konzipiert wurde.

New York und Washington sind nicht die USA. Banal und keine neue Erkenntnis. Das Ergebnis der Präsidentenwahl liefert nur einen besonders anschaulichen Beleg. Mehr als 90 Prozent der Stimmen im „District of Columbia“ gingen an den Wahlverlierer Kerry und seine Demokraten. Aber die Analytiker, ob Korrespondenten oder Wissenschaftler, vermögen klar zwischen Analyse und eigenem Kommentar zu trennen. Wo deutsche Journalisten immer häufiger Bekenntnisse ablegen, liefern unsere amerikanischen Kollegen Fakten und Hintergründe. Wo in deutschen Talkrunden Betroffenheit gestammelt wird und sich moralinsaure Gutmenschen Sorgen machen — vor allem über die Bush-Administration — wird in der öffentlichen Fernsehrunde bei CNN und anderswo ebenso wie in kleiner Runde mit Witz und Ironie die brillante Analyse gewürzt. Auch wer das amerikanische Fernsehen eher für ein Auswanderungsargument hält, kommt nicht umhin, die hohe Interview- und Diskussionskultur und die Kunst der Recherche zu preisen.

Der Tenor der deutschen Kommentare zur Präsidentenwahl in den USA war einhellig. Bei voller Meinungsfreiheit. Das Beste, was deutschen Kommentatoren über Bush einfällt, ist, dass das Feindbild nicht abgeräumt und ersetzt werden muss. Bei Kerry hätten viele umdenken müssen. Das wäre anstrengend. Und nun soll sogar Frau Rice neue Außenministerin werden. Ein Verrat an der Sache der Frauen und der Schwarzen! Eine „Erfüllungsgehilfin“ (Korrespondenten O-Ton) des verhassten Mannes im Weißen Haus. Die Berichterstattung sagt mehr über den Zustand des deutschen Journalismus als über die Qualität des Präsidenten im Weißen Haus aus.

Deshalb: Noch mehr Austausch über den Atlantik hinweg! Nur eigene Urteile vermögen Vorurteile zu verdrängen.

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Ingo Lamberty, Westdeutscher Rundfunk

Von Stahlarbeitern und Wahlmaschinen

Was hat das Weiße Haus in Washington mit der Versammlungshalle der Stahlarbeitergewerkschaft in Baltimore zu tun? Die Antwort ist eindeutig und lapidar: Nichts. Das Spektrum könnte kaum größer sein: Hier Sicherheitsbestimmungen der Stufe 1a — dort darf jeder rein. Hier smarte Menschen in gut sitzenden Anzügen, die auf die Aura der Macht achten — dort Männer und Frauen mit Übergewicht, die Fransenjacken oder alte Baseballkappen tragen. Hier auf Fotos im Kreise seiner Familie ein Präsident, der wieder gewählt werden möchte — und dort Rentner, die Aufkleber mit dem Satz: „Vote-the-son-of-a-Bush-out“ verteilen.

In diesen Zeiten ist viel zu lesen von dem Land, welches gespalten ist. Und die RIAS-Kommission hat uns einen intensiven Blick in dieses Land ermöglicht. Einen Blick, der vertiefend war, der überraschend daher kam und uns gleichzeitig die Möglichkeit gegeben hat, diesen Blick noch um eigene Perspektiven zu erweitern oder zu überdenken.

Schon allein der Zeitpunkt der Reise hätte kaum besser sein können. Das Wahlkampffieber erreichte Temperaturen, die normalerweise nur noch in einer Intensivstation zu ertragen waren, wenngleich sich Washington, D.C. selber in diesem Wahlkampf durchaus distanziert anfühlte. Wer wollte, konnte sich aber ins Feuer begeben. Die RIAS-Kommission hat unkompliziert einigen Teilnehmern ermöglicht, Flüge zu verschieben, um so auf eigene Faust das aktuelle Amerikabild zu würzen.

Ich persönlich habe mich sozusagen als Einstimmung für Washington eine Woche in New Orleans, Louisiana und Mississippi umgesehen. Dort wird in Radioprogrammen schon mal um Gottes Segen nicht für Amerika, sondern für die Regierung Bush gebeten. Das „wahre Amerika“ ist ja bekanntermaßen immer da, wo man gerade ist, solange man sich von der Ost- und der Westküste entfernt. Also bin ich da hingefahren, wo ich vorher noch nie war.
Washington relativierte sich dann und gleichzeitig stieg der Wert der Informationen. Die Erfahrung aus dem „Bible Belt“ beispielsweise wurde durch den Termin beim „Pew Forum on Religion and Public Life“ auf eindrucksvolle Weise ergänzt und eingeordnet. Und wenn es jetzt, nach der Wahl, heißt: „Es war die Moral, Dummkopf!“ dann wussten wir es dank der RIAS-Kommission schon vorher.

Die Rolle der „think tanks“ oder die der Korrespondenten im Weißen Haus haben dazu beigetragen, weitere Wissenslücken zu schließen — etwa über die wahre Wahlbeteiligung — oder Einschätzungen zu revidieren — etwa über die Persönlichkeit des inzwischen wieder gewählten Präsidenten.

Es war eine intensive Woche in Washington und sie war erstklassig organisiert. Das Programm war sehr gut aufeinander abgestimmt, aber es ließ durchaus Lücken, die wir auf eigene Faust schließen konnten, was die meisten Teilnehmer des Programms auch taten. Die Museen und Sehenswürdigkeiten in der amerikanischen Hauptstadt hatten in dieser Woche einige Besucher, die sich etwa im „Museum of American History“ mit besonderem Interesse die Sonderausstellung der unterschiedlichen Wahlmaschinen angesehen haben. Dafür an dieser Stelle noch einmal ausdrücklich ein dickes Dankeschön an Margaret Ershler für ihre kenntnisreiche und auch fürsorgliche Betreuung. Das war einfach Klasse.

Der unmittelbare Einfluss dieses Redakteursprogramms auf die Berichterstattung des ARD-Morgenmagazin konnte natürlich noch nicht sehr intensiv sein, denn die Vorbereitungen für die Wahlsendewoche waren weitgehend abgeschlossen. Aber es wurde die eine oder andere Einschätzung korrigiert oder hier und da ein anderer Akzent gesetzt. Die längerfristigen Auswirkungen werden aber größer sein. Denn traditionell legt das ARD-Morgenmagazin besonders großen Wert auf die Berichterstattung aus und über die USA. Und mich darum zu kümmern, das ist eine meiner Aufgaben. Und da hilft es ungemein, die Telefonnummer eines deutschsprachigen Forschers der „Brookings Institution“ jetzt griffbereit zu haben.

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Petra Neubauer, Zweites Deutsches Fersehen

Das Timing für das Herbstprogramm der Rias Berlin Kommission hätte nicht besser sein können: ein Aufenthalt im amerikanischen Zentrum der Macht zu einer absolut spannenden und hochinteressanten Zeit, kurz vor den Präsidentenwahlen. Seit Wochen schon hatte ich mich, wie die anderen Kollegen sicherlich auch, immer wieder mit diesem Thema beschäftigt. Allerdings eben „nur“ aus der Sicht einer Journalistin im weit entfernten Deutschland. Einschätzungen, Entscheidungen und Ansichten der US-Amerikaner waren für mich oft ein Buch mit — wenn nicht sieben, dann aber zumindest drei Siegeln.

Aber — konnte eine Woche Washington mehr Klarheit bringen? Helfen, die US-Amerikaner und ihre Entscheidungen besser zu verstehen? Was mich angeht, hat es das sehr wohl getan. Da waren die Gespräche mit den unterschiedlichsten Leuten aus Politik, den Medien und der Wirtschaft, die Diskussionen mit unserer „guten Seele“ Margaret Ershler, ihrer Bekannten Roxanne und deren Gästen, die Seminare und Vorträge zu allen möglichen Themen und nicht zu vergessen die Stadtführung mit Norma, die uns einige der interessantesten Ecken Washingtons und vor allem auch deren Geschichte näher brachte.

Ein „Ranking“ der einzelnen Ereignisse ist außerordentlich schwer, denn all unsere „Dates“ brachten jede Menge Neuigkeiten. Mit jedem Meeting wurde der amerikanische Wähler für uns verständlicher. So habe ich zum Beispiel mit großem Interesse dem Korrespondenten des Weißen Hauses, Bob Deans, und dem deutschen Botschafter in den USA, Wolfgang Ischinger, gelauscht, als sie von George W. Bush berichteten. Episoden und Anekdoten, die auch Bush-Kritikern etwas klarer gemacht haben, warum so viele US-Amerikaner diesen Mann unterstützen.

Spannend auch der Besuch beim PEW Forum, das sich vor allem mit der Rolle der Religion im Leben der Menschen in den USA beschäftigt. Natürlich hat man schon gehört, dass Religion, Moral und Glauben wichtig sind. Aber erst während dieser Woche wurde mir richtig bewusst, wie hoch tatsächlich der Stellenwert der Religion in der Gesellschaft und wie hoch auch deren Einfluss auf die politischen Entscheidungen der Menschen ist.

Vor allem bei Themen wie der Gesundheitspolitik und dem Irak-Konflikt wurde sehr deutlich, wie unterschiedlich die Denkweise der Menschen im „alten Europa“ und in den USA ist. Faszinierend war für mich auch die amerikanische Diskussionskultur (ein sehr höfliches, aber dennoch sehr bestimmtes Auseinandersetzen mit dem jeweiligen Gesprächspartner), die wir bei einem Vortrag über die Wirtschaft und auch bei einem Treffen mit zwei ehemaligen Senatoren (einer Demokratin und einem Republikaner) miterleben konnten.

Kleiner und feiner Höhepunkt — natürlich neben dem Besuch im Weißen Haus — ein Ausflug nach Baltimore zu einer Wahlkampfveranstaltung der Demokraten. Dort lernten wir Senatorin Barbara Mikulksi kennen und ihre Art, Wähler zu begeistern.

Überhaupt, Wahlkampf auf amerikanisch, das — so habe ich gelernt — bedeutet: fast in jedem Garten, an jedem Haus ein Fähnchen für Bush, Kerry oder den jeweiligen Kongress-Kandidaten, Straßenpartys der etwas ausgefalleneren Art, Sticker mit den Kandidaten ergänzt mit mehr oder weniger netten Sprüchen. Welch gewaltiger Unterschied zum Wahlkampf in Deutschland!

Trotz eines ziemlich gefüllten Terminkalenders blieb aber auch Zeit, einige der vielen kulturellen Highlights in Washington zu besuchen, z.B. das „Holocaust-Museum“, das „Museum of Natural History“ oder das „Museum of American History“.

Am Ende der Woche habe ich eigentlich nur eines bedauert: Dass das Programm nicht noch zwei Tage länger gedauert hatte und wir die Wahlen „live“ in Washington miterleben konnten. Das wäre letztendlich der krönende Abschluss dieses aufregenden und hochinteressanten Studienprogramms gewesen.
Unterm Strich gesehen, hat mir diese Woche in Washington weitaus mehr gebracht als das Studieren unzähliger USA-Bücher. Denn durch die vielen Gespräche haben wir nicht nur etliches an Fakten mitbekommen, sondern vor allem vieles von den Gefühlen und Einschätzungen der Menschen. Und das wiederum wird mir helfen, die Politik und Entscheidungen der US-Amerikaner besser zu verstehen.

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Jürgen Osterhage, Erstes Deutsches Fernsehen

Erfahrungen, Begegnungen, Eindrücke — oder: AMERIKA NEU VERSTEHEN

1. Bei einem Gespräch an der Bar lerne ich einen Amerikaner kennen. Er will für Bush stimmen. Obwohl er den Irak-Krieg für einen schlimmen Fehler hält. Obwohl er findet, dass Amerika im Ausland seine „Rechte übertritt“. Obwohl er sich um die Zukunft seiner Enkelkinder sorgt. Er will für Bush stimmen, weil er seinen Werten näher steht: Familie, Patriotismus, Tradition, Stolz, der Glaube an Gott. „Ich fühle mich mit dem Mann verbunden“, sagt er.

2. Ich lese John Winthrop, der erste Gouverneur von Massachusetts. Er beschrieb sein Land 1630 als symbolische „Stadt auf dem Hügel“, auf der „die Augen der Welt“ lägen. Wie denkt George W. Bush? Er sagt:“ Unsere Nation ist von Gott auserwählt und von der Geschichte beauftragt, ein Modell für die Welt zu sein“.

3. Noch einmal George W. Bush: „Die Freiheit ist ein Geschenk Gottes an alle Menschen. Nur der Mut der USA hat die Wahlen in Afghanistan und den geplanten Urnengang im Irak möglich gemacht. Wenn Amerika Schwäche zeigt, steuert die ganze Welt auf eine Tragödie zu. Das werde ich nicht zulassen“.

4. Im dritten TV-Duell mit Kerry spricht Bush sechsmal von „Werten“, viermal von „Gott“. „Glaube“ und „Gebet“ nennt er zweimal. Einmal beschreibt er Amerika als „auserwählt“.

5. Kommentar eines deutschen Amerikakorrespondenten: Die Wähler wollen Klarheit, Stärke, Standhaftigkeit und religiös-konservative Werte. Bush-Wähler sehen die Welt nicht in einem Geflecht aus Abhängigkeiten und in einem Wust von Problemen verstrickt — sie sehen Amerika als Führungsnation, die entscheiden und gestalten muss.

6. Immanuel Wallerstein, Professor der Yale Universität, schreibt zum Thema „Den 11. September verstehen“ : Kein westliches Land ist so eifrig und so nachdrücklich damit beschäftigt, seinen Glauben an sich selbst der Welt als Norm zu verordnen und nötigenfalls mit militärischen Mitteln durchzusetzen. Diese Haltung wurzelt in dem religiösen Ur-Glauben, von Gott durch Reichtum belohnt zu werden. Der Reichtum an ökonomischer Macht und politischem Gewicht gilt als Zeichen der Vorsehung: Wir sind besser, wir waren besser, wir müssen besser sein.

7. Analyse eines deutschen Wahlbeobachters: Die Bedeutung des Mittleren Westens wird unterschätzt. Kaum ein Europäer kann die Weite der Landstriche zwischen Florida und Dakota ermessen. In dieser Gegend ist der Horizont immer gerade, der Himmel ein hohes Gewölbe und Gott niemals fern. Hier sind die zu Hause, auf deren Mission Bush seine Wahlkampfkampagne aufgebaut hat. Amerikas gläubiger, traditionsbewusster Mittlerer Westen — das Herz des Landes — formt Amerikas Werte, Politik, Kultur. Die liberalen, demokratisch wählenden Bundesstaaten im Nordosten verlieren seit Jahren an Bevölkerung und damit an Wählern, Geld und Einfluss.

8. Schlagzeile: Bush und Kerry — das ist der Kampf eines einfach denkenden, aber entschiedenen Führers gegen den intellektuellen, aber unentschlossenen Berufspolitiker.

9. Fazit 1: Die amerikanische Gesellschaft ist konservativer und religiöser geworden. Ein Blut- und Beten-Epos wie Mel Gibsons „Passion Christi“ wäre in den 70er Jahren sicherlich verachtet worden. Das Thema schwuler Ehen hätte vermutlich früher nie soviel Leidenschaften ausgelöst, dass — wie jetzt — elf Bundesstaaten solche Lebensgemeinschaften per Verfassung verbieten lassen. Und: Erstmals zeigen Umfragen knappe Mehrheiten für Abtreibungsgegner.

10. Fazit 2: Amerika ist seit dem 11. September 2001 ein anderes Land. Es ist aufgewühlt, es politisiert wie seit Vietnam nicht mehr. Es geht wählen wie lange nicht mehr. Es sehnt sich nach einem Leader, der in Zeiten der Angst mit klarer Sprache einen klaren Weg vorgibt und diesen auch geht, selbst wenn er sich später als falsch herausstellen sollte.

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Christian Radler, Norddeutscher Rundfunk

Bush und die religiöse Rechte

Sie waren Bushs sichere Bank im Rennen ums Weiße Haus: Millionen US-Bürger, die Anhänger der Evangelikalen Glaubensrichtung sind. Der politische Einfluss dieser „Wiedergeborenen Christen“ ist in den letzten Jahren sprunghaft gestiegen.

Auf seiner ersten Pressekonferenz im Weißen Haus nach der Wiederwahl musste der Gewinner einen Moment nach der richtigen Formulierung suchen, als es um „nichtgläubige“ Bush-Wähler ging: „Ich freue mich auch über Stimmen von nicht-spirituellen Wählern.“ George W. Bush geht offensiv mit dem um, was er als seinen religiösen Glauben ausgibt. Seine häufigen Glaubensbekenntnisse brachten ihm am 2. November auch die Stimmen gläubiger Nichtchristen ein. „Bushs demonstrative Gottesfurcht überbrückt auch Glaubensgrenzen“, sagt Luis Lugo vom Pew Forum on Religion and Public Life, einem christlichen Think Tank. „Tiefe Religiosität ist ein klarer Vorteil, wenn man US-Präsident werden will.“ Den Wahlerfolg habe Bush aber großteils den Mobilisierungskampagnen zu verdanken, die evangelikale Gemeinden in den Monaten vor der Wahl starteten und gegen Ende des Rennens ums Weiße Haus noch einmal intensivierten, so Lugo. Diese Leute sind Bushs Basis.“

Religion war schon immer wichtiger

In US-Medien war sogar von evangelikalen „Greiftrupps“ die Rede, die am 2. November systematisch Wähler zu Hause abholten, um sie an die Urne zu bringen. Zum Bush-Wählen, versteht sich. Eine religiöse Gemeinschaft, die aktiv in den Wahlkampf eingreift, erscheint Nichtamerikanern ungewöhnlich. Lugo stellt aber klar, „dass Religion schon immer eine größere Rolle in unserer Gesellschaft gespielt hat als in anderen. Einerseits stehen die Amerikaner zwar hinter der Trennung von Staat und Religion, andererseits aber soll Religion in moralischer Hinsicht Leitlinie für Politik und soziales Leben sein“. Moral und religiös geprägte Weltsicht seien für 70 Prozent der US-Bürger identisch, zitiert Lugo aus einer Pew-Studie.

Die schöne Geschichte vom geläuterten Bush

George W. Bush — der mächtigste Staatsmann der Welt — ist seit mehr als 20 Jahren Mitglied bei den Evangelikalen, die auch als „Wiedergeborene Christen“ bekannt sind. Zeitgleich mit seinem Eintritt bei den Evangelikalen hörte Bush mit dem Trinken auf. Sein Abschied vom Alkohol ist in seiner Biographie verbunden mit einem spirituellen Erweckungserlebnis. Präsident Bush sagt über sich selbst: „Der einzige Grund, warum ich im Oval Office sitze und nicht in der Bar, ist, dass ich Gott gefunden habe.“

Wer aber sind die Evangelikalen, denen Bush „Wiedergeburt“ und — wie es scheint — Wiederwahl verdankt? Und wie ist diese Gruppe, die vor drei Jahren etwa 100 Millionen Menschen zählte, so einflussreich geworden? „Die Evangelikalen sind seit den 80ern verstärkt sozial und politisch aktiv. Sie gründen Kindergärten, Schulen, Krankenhäuser und Altenheime“, sagt Lugo. Das sei eigentlich nichts Ungewöhnliches für die USA. „Das haben Kirchen hier immer schon getan. Die Wiedergeborenen Christen sind nur sehr spät dazu gekommen.“ Dennoch: Das massive Auftreten der Kongregation und ihre guten Verbindungen in die Geschäftswelt sind einzigartig in der jüngeren US-Geschichte.

Geballte Medienmacht im Namen des Herrn

Ebenso einmalig ist das Mediennetzwerk, das die religiöse Rechte in den letzten vier Jahrzehnten aufbaute. Das „Christian Broadcasting Network“ (CBN) wurde 1960 von Pat Robertson, dem Gründer der „Christian Coalition“, ins Leben gerufen. Heute sendet es in 50 Sprachen und in 90 Länder. Der christliche „Family Channel“ wird in über 10.000 Kabelsysteme eingespeist und erreicht mehr als 59 Millionen Haushalte. 14,5 Millionen Menschen können theoretisch Rush Limbaughs konservativ-christliche Radio-Programme hören.

Auch im Verlagswesen sind die Evangelikalen erfolgreich: Die apokalyptische Schriftenreihe „Left Behind“ mit mehr als 40 Millionen Exemplaren und zehn Millionen Kinderbüchern lohnt einen genaueren Blick, besonders wegen ihres mutmaßlichen Einflusses auf die politische Einstellung der Evangelikalen. Im ersten Buch übernimmt der Antichrist die Regierungsinstitutionen einschließlich der Uno. Der Teufel schickt Blauhelme in den Irak, um eine Weltregierung zu erzwingen. Dieser Plot ist nur eine Etappe des endgültigen Leidens, nach dem die Gläubigen zur zweiten Wiederkehr Christi in den Himmel auffahren dürfen. Praktisch für die Evangelikalen: Auffahren darf nur, wer ihren Glauben hat.

Viele Passagen aus „Left Behind“ beruhen auf biblischen Offenbarungen, von denen 59 Prozent der Amerikaner glauben, dass sie eintreten werden. Im Jahr 1993 glaubten 20 Prozent der Amerikaner, dass die Wiederkehr Christi im Jahr 2000 stattfinden würde. Heute glauben 25 Prozent, dass die Bibel die Anschläge vom 11. September 2001 vorhergesagt habe. Der Glaube an das Endzeitszenario nährt eine Weltsicht, der zufolge eine Vielzahl von politischen und wirtschaftlichen Schwierigkeiten anzeigen, dass die Zeit der Not und des Kampfes gegen den Antichristen begonnen hat.

Outsourcing als Werk des Antichristen

Auch wirtschaftliche Faktoren unserer Zeit werden in dieser christlich-fundamentalistischen Kultur problemlos integriert: Die Arbeitslosigkeit als Begleiterscheinung der Automatisierung und die Verlagerung von amerikanischen Arbeitsplätzen ins Ausland werden als das Werk der „antichristlichen“ Institutionen gedeutet: der Welthandelsorganisation, der transnationalen Unternehmen — und der EU.

Bush unterstützt Agenda der Fundamentalchristen

Trennung von Staat und Kirche oder nicht — Bush unterstützte in seiner ersten Amtszeit, wo immer möglich, die Agenda der religiösen Rechten: In Schulen soll wieder verbindlich gebetet, Darwins Evolutionslehre nicht mehr unterrichtet werden. Stattdessen soll die Schöpfungsgeschichte aus dem Buch Genesis auf den Lehrplan.

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Ulrike Römer, Westdeutscher Rundfunk

Ich bin mit Kaugummi, Cola und Rockmusik aufgewachsen, mithin in dem Glauben, die Vereinigten Staaten von Amerika zu kennen. Zum ersten Mal wurde diese Annahme Mitte der 90er Jahre erschüttert, als ich für sechs Wochen durch das Land reiste und anschließend feststellen musste: Ich weiß wenig und habe nicht mal ein Promille des Landes gesehen und „erfühlt.“

Zum zweiten Mal wurde meine Annahme dann mithilfe der RIAS Kommission in diesem Herbst erschüttert: tiefer und endgültiger als nach meiner ersten USA-Reise. Das ist vielleicht die wichtigste Erkenntnis dieses Stipendiums. Ich habe erkannt, dass die USA uns — „im alten Europa“ zumal — viel ferner sind, als viele von uns wahrnehmen. In meinem Fall ist deshalb die selbstverständliche Nähe zu den USA einer neugierigen Distanz gewichen. Und ich stelle, zweite Erkenntnis, erfreut fest: Diese Distanz erlaubt das Nachfragen, schafft einen neuen, frischeren Blick auf die Dinge.

Abgesehen davon hätte es natürlich keinen besseren Termin für diese Reise geben können: die Vereinigten Staaten am Ende eines langen Wahl-Marathons erleben zu können, zu sehen, wie sehr Politik die Menschen dort berührt, aufrührt und entzweit, das war eine großartige Gelegenheit — die sich außerdem nach der Rückkehr in Deutschland sehr gut verwerten ließ.

Insofern hatte das Stipendium in diesem Jahr womöglich stärkeren Einfluss auf die USA-Berichterstattung der Teilnehmer als viele Stipendien zuvor. Wahl- und Nachwahlberichterstattung hat mich jedenfalls mehr als eine Woche lang in Form von Interviews, Kommentaren und Sondersendungen im WDR reichlich (und mit großer Freude) beschäftigt.

Aber konkret zum Programm in Washington: Um es gleich vorweg zu nehmen, ein „low light“ kann ich beim besten Willen nicht benennen! Ein „high light“ zu nennen, fällt allerdings ebenfalls schwer. Vielleicht lohnt es, mit meiner größten Verblüffung anzufangen: Die verbindet sich mit der Gesprächsrunde beim „Pew Forum on Religion and Public Life“. Ich habe diesem Termin einigermaßen argwöhnisch entgegengesehen, erhielt dann aber Einblicke in einen Wesenszug der Vereinigten Staaten, der mir völlig fremd war: Bis zu dieser Diskussion und diesem Nachmittag hatte ich völlig unterschätzt, wie christlich die Staaten tatsächlich sind, wie stark Religion den Alltag der Bürger prägt, welche Auswirkung die starke Orientierung an moralischen Standards auf einen möglichen Wahlausgang haben kann. Ich habe dort eine Lektion gelernt, denke ich, die am Wahltag dafür gesorgt hat, dass sich meine Überraschung über den Bush-Sieg doch sehr in Grenzen hielt.

Dankbar bin ich übrigens auch, dass ich nun mit dem in Deutschland gepflegten Modewort „think tank“ tatsächlich zwei Erfahrungen verbinden kann: Das Wort ist entzaubert. Ich habe andererseits aber großen Respekt vor der Leistung dieser Institute (und nicht nur das, sondern auch wunderbare Mitarbeiterverzeichnisse und so mögliche Interviewpartner). Allerdings, das muss ich zugeben: morgens um 8 Uhr einen Vortrag über Makro- und Mikroökonomie verabreicht zu bekommen, das war schon „hartes Brot“ (aber das soll ja bekanntlich sehr gesund sein, weshalb ich mich durchgebissen habe).

Und damit an dieser Stelle gar nicht erst ein Missverständnis aufkommt: Das Besuchsprogramm war sehr gut, sehr logisch und sehr harmonisch aufgebaut. Ein Hoch auf Margaret und diese logistische Meisterleistung! Denn ein Besuch im „Weißen Haus“ oder eine abendliche Einladung zur befreundeten Kollegin sind ganz wunderbare Ergänzungen zu den „offiziellen“ Gesprächsrunden gewesen! Davon abgesehen ließ die Terminliste gerade genug Zeit, um Washington (und seine Museen) auch noch auf eigene Faust zu ergründen — keine Minute verschenkt, möchte ich sagen.

Und damit noch ein Wort zur Vorbereitung der Reise: Ich fand die Lese- und link-Hinweise von Margaret sehr hilfreich, ebenso das begleitende Material, das sie uns während (und nach!) der Reise nachreichte.

Was also anders oder gar besser machen? Was fehlte? Mehr wäre kaum möglich gewesen. Aber wenn man diese Tatsache für einen Moment außer acht lässt, dann hätte ich einen kurzen Besuch in den Studios der deutschen Kollegen in Washington sehr vermisst, wenn ich ihn mir nicht selbst organisiert hätte. Ich hätte außerdem gern einen Blick in die publizistischen Institute der hervorragenden Universitäten der Stadt geworfen.

Und natürlich bot auch dieses Stipendium mehr als ein bloßes Besuchsprogramm: Es diente im besten Sinne der „Netzwerkbildung“; was vor allem der sehr fruchtbaren Tatsache geschuldet ist, dass unsere Gruppe sehr heterogen zusammengesetzt war. Kontakte gelangen aber nicht nur im deutschen Kollegenkreis, sondern auch nach Übersee: zu Kollegen in den Staaten, zu Gesprächspartnern, die man auch von Deutschland aus zu Themen befragen kann (in der angenehmen Gewissheit, sie schon mal gehört, gesehen, mit ihnen gesprochen zu haben).

Abschließend noch eine Erfahrung, die nur mittelbar mit dem Stipendium zu tun hat: Vor Beginn des offiziellen Programms ergab sich die Möglichkeit, eine Woche lang privat durch die Gegend rund um New Orleans zu reisen. Der Eindruck, den ich von dieser Reise mitnehme, ist die sichere Erkenntnis, dass „Amerika, Land“ wirklich nichts, gar nichts, mit „Amerika, Stadt“ gemein hat. Es handelt sich um ein Parallel-Universum. Ich hoffe, ich werde, zurück in Europa, nie mehr Washington oder Los Angeles mit Amerika verwechseln. Das Land, und das, was seine Seele ausmacht, liegt dazwischen. Das habe ich erfahren — und auch deshalb war mein Kater am Wahlmorgen nicht so groß, wie er zweifellos ohne das RIAS-Stipendium gewesen wäre.

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Mario Turic, RTL

Der Start — gelungen! Für Washington-Einsteiger, wie mich, ein perfekter Auftakt. Eine Bustour zur Orientierung. Die Stadt ist nicht so groß, wie ich sie mir vorgestellt habe. Das Gleiche gilt fürs Weiße Haus. Doch der äußere Eindruck täuscht. Davon konnten wir uns dann bei der White-House-Tour durch den Ostflügel überzeugen. Innen erzeugt das Haus des mächtigsten Mannes der Welt den repräsentativen Eindruck, den man erwartet.

Die ganze Woche würde ich überschreiben mit dem Satz: Die Mischung hat gestimmt. Wer Washington nicht kennt, wer die Arbeitsweise, die hinter der US-Politik steckt, nicht kennt, der bekommt einen ersten, kleinen Eindruck von all dem, was da Tag für Tag passiert. Da ist eine Begegnung mit Karlyn Bowman vom American Enterprise Institut wertvoll. Sie hat acht Tage vor der Präsidentschaftswahl die letzten Zahlen der Meinungsforscher und natürlich die passenden Interpretationen dazu.

Genauso wertvoll und fesselnd ist aber das Treffen mit Bob Deans, dem White House Correspondent von Cox Newspaper. Der bringt zwar keine Zahlen mit, hat aber dafür viel Atmosphärisches aus dem Weißen Haus. Übrigens sagte er den Rücktritt von Außenminister Powell voraus (wobei man dazu wahrscheinlich kein Korrespondent im Weißen Haus sein muss).

Spannend auch die Einschätzung des deutschen Botschafters in Washington zum deutsch-amerikanischen Verhältnis. Nun ist es ja so nicht gekommen — und doch war Wolfgang Ischingers Einschätzung neu für mich, Kerry würde als US-Präsident nicht viel mehr Engagement von Deutschland im Irak verlangen, als die Bush-Administration von Berlin bisher erwarten konnte.

Genauso spannend aber war das „casual supper“ bei Roxanne Russel zu Hause. Vor allem deshalb, weil man dort etwas über die tägliche Arbeit einer amerikanischen TV Senior Producerin erfährt. Ein Job, der nichts mit den Producern in meinem Sender zu tun hat. Roxanne ist vielmehr Redakteurin mit täglichen politischen Beiträgen für CBS News. Und es waren weitere US-Journalisten da — Erfahrungsaustausch mit Kollegen aus Übersee (natürlich ging es in erster Linie um die anstehenden US-Präsidentschaftswahlen).

Ganz wichtig — es blieb auch genügend „nicht verplante“ Zeit. So konnte ich mir noch das eine oder andere Museum ansehen (gefallen hat mir vor allem das National Museum of American History) oder Kollegen besuchen (n-tv, DW). Für einen Abstecher ins ARD-Studio nach Georgetown blieb ebenso Zeit wie für einen Besuch auf dem Soldatenfriedhof Arlington.

Fazit: die perfekte Einstimmung auf die US-Wahlen in der darauf folgenden Woche. Dabei war es vor allem die Vielfalt der Personen / Themen, die wir ge- und besprochen haben. Ganz praktisch konnten meine RTL-Kollegen und ich auch einige der Zahlen und Aussagen in unseren Berichten über die Wahlen nutzen — Zahlen und Aussagen, die mir die Woche mit der RIAS Berlin Kommission in Washington geboten hatte.

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Marco Vollmar, Deutsche Welle-TV

Four more years!

Four more years. Das gilt wohl hoffentlich auch für das Senior Editor Programm der RIAS Kommission. Denn eins hat die einwöchige Reise von 13 hoch motivierten und gut gelaunten Redakteuren aus öffentlich-rechtlichen und privaten Sendern wieder einmal bewiesen. Der Austausch von Informationen, Meinungen, Stimmungen und Gefühlen über den Atlantik hinweg ist so wichtig wie nie zuvor. Nur wer sich kennt, kann Vertrauen aufbauen und für seine Argumente werben. ”Allies will be better persuaded by the power of American arguments than by the argument of American power“ schreibt der frühere Sicherheitsberater Sandy Berger völlig zurecht. Auch aus diesem Grund führten die RIAS-Fellows in der Woche vor der Präsidentschaftswahl Gespräche und Diskussionen mit unterschiedlichsten Gruppen und Vertretern der amerikanischen Gesellschaft.

In allen Gesprächen wurde sehr schnell eines klar: die USA sind gespalten, zwei Lager stehen sich nahezu unversöhnlich gegenüber. Kein Demoskop traute sich mit einer eindeutigen Vorhersage aus der Deckung. Für viele daher überraschend, dass das Ergebnis am Ende so deutlich zu Gunsten von George W. Bush ausgefallen ist.

Für die Hersteller sogenannter Halloween-Masken jedoch nicht. Denn der Verkaufsindikator von Halloween-Monstermasken hat in den vergangenen Jahren zuverlässig den Ausgang der Wahl vorhergesagt. So auch in diesem Jahr. 53% zu 47% für Bush hieß es noch am Tag vor der Wahl. Die Mehrheit der Amerikaner hatte zu Halloween eine Monstermaske mit dem Konterfei des amtierenden Präsidenten gekauft. Seit 1980 konnte nach Angaben der Hersteller der spätere Wahlsieger jeweils höhere Verkaufszahlen für sich verbuchen. Wieder einmal bildete der Indikator das Meinungsbild und spätere Wahlergebnis in den USA zutreffend ab. Vielleicht sollte aus diesem Grund ein Besuch bei einem Maskenhersteller in das Programm der Senior Editor aufgenommen werden. Zurück zum RIAS-Programm 2004.

Warum sind die USA derart gespalten? Kein Wunder, sagte uns Karlyn Bowman vom konservativen Think Tank American Enterprise Institute (AEI), denn die klassischen Wählergruppen seien nicht mehr so homogen wie früher. Zwar gelte nach wie vor, dass George W. Bush vor allem auf dem Land und bei den Kirchen erfolgreich sei und John F. Kerry besser in den Städten und bei den Gewerkschaften ankomme, aber die politischen Lager seien von einem durchgreifenden Generationswandel erfasst, der auch vor einzelnen Familien nicht halt mache. Sie kenne Fälle, in denen der Vater bis zum Wahltag kaum mehr ein Wort mit seiner Tochter spreche, so tief sitze das politische Zerwürfnis.

George W. Bush ist der bessere Babysitter

Bush stehe bei seinen Anhängern, so Karlyn Bowman, für Sicherheit, Führungs- und Charakterstärke, Moral und eigenverantwortliches Handeln. Auch die Religion habe in diesem Wahlkampf eine stärkere Rolle gespielt, wusste Luis Lugo vom Pew Forum on Religion. In einer aktuellen Erhebung wollten 72% der Befragten, dass der amerikanische Präsident einen starken, religiösen Glauben habe. Außerdem habe George W. Bush in Umfragen des Gallup-Institutes die besseren persönlichen und emotionalen Werte erreicht. So glaubt eine Mehrheit der Amerikaner, dass George W. ein besserer Babysitter als John F. Kerry sei.

Dagegen stehen die, meint Thomas E. Mann vom demokratischen Think Tank Brookings Institution, die nur eines wollen: einen anderen Präsidenten als George W. Bush. John F. Kerry hat gekämpft, aber vergeblich. Die TV-Duelle hatte der Endspurter zu seinen Gunsten entschieden, sein Image als wankelmütiger Flip-Flopper ohne eigenen Standpunkt scheinbar abgelegt und in den Hauptthemen des Wahlkampfs (Irak, Terrorbekämpfung und Wirtschaftsaufschwung) gepunktet. Er wollte den rabiaten Politikstil der vergangenen vier Jahre verändern und die Partner in Europa stärker politisch und finanziell oder militärisch in die Verantwortung nehmen. Aber die Mehrheit der amerikanischen Wähler hat ihn nicht gewollt.

Problematisch: Die Ergebnisse der Meinungsforscher waren so wechselhaft und unzuverlässig wie die Wettervorhersage. Jeden Tag lieferte AEI eine Zusammenstellung der neuesten und wichtigsten Umfrageergebnisse der renommierten Institute, um die Unterschiede und politischen Interessen einzelner Ergebnisse deutlich zu machen. Hauptgrund für die schlechte Vorhersehbarkeit des Wahlergebnisses sei das veraltete und unzureichende Befragungssystem, meinte Karlyn Bowman. Junge Menschen würden in den Erhebungen kaum erfasst, da die Umfragen telefonisch im Festnetz und nicht über das Mobiltelefon durchgeführt worden seien.

Alle Gesprächspartner waren sich in einem einig: Bloß keine Hängepartie, bei der Anwälte wochenlang die Wahlen anfechten, sagte Thomas E. Mann. Das wäre nicht gut für die USA und die Welt. Immerhin: Ein schnelles und vor allem eindeutiges Ergebnis hat Amerika nach einer langen Wahlnacht bekommen. Und die dreizehn Teilnehmer haben persönlich und für ihre Arbeit wichtige Eindrücke und Informationen über die Amerikaner, ihr Selbstverständnis und ihre Art zu handeln mit nach Hause nehmen können. Vertrauen bilden durch Begegnungen und persönliche Kontakte. Der richtige Weg für ein entspanntes transatlantisches Verhältnis. Hierzu hat das Programm der RIAS-Kommission einen wesentlichen Beitrag leisten können.