DUKE UNIVERSITY MEDIA FELLOWSHIPS PROGRAMM 2008
Vierwöchiges Besuchsprogramm an der Duke Universität in Durham, North Carolina, für Journalisten aus den USA und aller Welt (3 Termine mit je 2 bis 4 Teilnehmern)
TEILNEHMERBERICHTE
Heidi Bruns, Norddeutscher Rundfunk, Hamburg
Wendy’s, Denny’s, Arby’s, Hardee’s — es ist mein erster Besuch in den USA, und daher auch meine erste Begegnung mit diesen Namen. Nein, keine Media-Fellows aus den USA — Burger-Restaurants. Als Frühstücks- oder Lunch-Cafés getarnt. Sie wurden zu treuen Begleitern. Egal, welche Highway-Abfahrt ich während meiner Ausflüge in North Carolina und Umgebung genommen habe, einer von ihnen war immer schon da, manchmal auch alle gemeinsam. Aber dazu später mehr…
Zunächst einmal bin ich froh, als ich bei Eric, dem Fahrer, im Auto sitze, der mich nach ich weiß nicht wie langer Reisezeit am Flughafen abholt und zur Appartmentanlage “The Forest” fährt. Seine interessierten Fragen nach der politischen Stimmung in Deutschland und den Herausforderungen im TV-Journalismus würde ich zu gerne ausführlich beantworten, leider muss ich all meine Kraft und Konzentration darauf verwenden, meine Augen offenzuhalten. Tut mir leid, Eric!
„If you don’t want to work hard — don’t start working as a journalist.” — Dieser Satz fällt am ersten Tag an der Duke University. Und gesagt hat ihn Len Downie, ehemaliger Chefredakteur der “Washington Post”. Ich werde diesen Satz in veränderter Form immer wieder hören — in Gesprächen mit Journalisten, wenn es um die Arbeitsbedingungen und das Pensum geht, das Journalisten in den USA zu bewältigen haben. Len Downie gibt uns in kleiner Runde einen guten Eindruck davon, wie sich die Situation für Printmedien in den USA in den vergangenen Jahren verändert hat. Wie viel wichtiger Online-Journalismus wird, wie man versucht, auch mit weniger Geld Qualitätsjournalismus zu machen — also alles Dinge, die sich auch in den Köpfen deutscher Journalisten abspielen, aber in den USA bereits extreme Auswirkungen haben.
Ein Hochkaräter des politischen Journalismus wie Len Downie gleich am ersten Tag — das war bezeichnend für die hervorragende Organisation des Duke-Programms, die wir Laurie Bley, der Leiterin des Programmes, zu verdanken hatten. Sie stellte uns Gesprächsrunden, gemeinsame Mittagessen und Veranstaltungen zusammen mit Akteuren, die sich wirklich sehen lassen konnten. Kleine Auswahl gefällig?
Thomas L. Friedman, New-York-Times-Kolumnist, Pulitzerpreisträger und Bestsellerautor, den wir zunächst in kleinerer Runde und dann in einer großen Vorlesung erleben durften. Und der uns einen guten Einblick verschaffte, in das Selbstbild Amerikas in diesen Wochen und Monaten. Ach so, und der natürlich sein neues Buch vorgestellt, hat, in dem es um Klimaschutz geht.
Jay Hamilton, Leiter des DeWitt Wallace Center for Media and Democracy (das Institut, an dem die „media fellows“ angesiedelt sind). Selber kein Journalist, sondern Harvard-studierter Ökonom, war seine Herangehensweise an Nachrichten — „News that’s fit to sell“, „news for the consumer“ und „market first“ — für mich gewöhnungsbedürftig, die Diskussion mit ihm darüber war aber umso spannender.
Pamela Stone, Buchautorin und Soziologie-Professorin aus New York, die sich mit dem Thema Karrierefrauen und Familie beschäftigt hat und mit der wir in sehr netter Atmosphäre über die Schwierigkeiten gesprochen haben, die Frauen in höheren beruflichen Positionen in unserer Gesellschaft noch immer haben, wenn sie auch eine Familie wollen.
David Zucchino, Pulitzerpreisträger und Auslandskorrespondent der „Los Angeles Times“, den wir bei einem netten Empfang an der Nachbar-Universität Chapel Hill kennenlernten, und der von seiner Zeit als „embedded journalist“ im Irak und in Afghanistan erzählte.
Ron Nessen, Journalist im Brookings Institute, einem der großen „Think tanks“ in Washington. Mit ihm sprachen wir über den Einfluss, den solche Institute auf die Politik nehmen können, dürfen. Außerdem hat er uns aus seinem sehr spannend klingenden Leben berichtet, aus seiner Zeit als Reporter in Vietnam, als Pressesprecher von Präsident Ford usw.
Die Veranstaltungen, die Laurie uns darüberhinaus vorgeschlagen hat, gaben uns auch die Möglichkeit, mal über den Tellerrand hinauszublicken — in eher „fachfremde“ Bereiche. Besonders spannend fand ich dabei eine Vorlesung von Julian Savulescu, Philosophie- und Bioethik-Professor aus dem britischen Oxford. Savulescu, der schon vor Jahren Eltern vorgeschlagen hatte, sich der Gentechnologie zu bedienen, um das bestmögliche Kind zu bekommen. Savulescu, der sich vor kurzem für eine völlige Freigabe von Doping-Mitteln für Sportler ausgesprochen hat. Mit solch krassen Thesen (die sicherlich in dieser Form stark verkürzt dargestellt werden müssen) macht man sich in einem Raum voller Akademiker nicht nur Freunde, um es mal gelinde zu sagen… Eine überaus interessante Diskussion, die sich da im Anschluss an die Vorlesung entwickelte!
Bei diesem straffen Programm blieb nicht mehr soviel Zeit für reguläre Veranstaltungen und Vorlesungen an der Duke Universität, wie ich gerne gehabt hätte. Aber die, die ich besucht habe, haben sich gelohnt. Schwer beeindruckt von dem Niveau und der Qualität des Unterrichts war ich zum Beispiel in den Kursen von David Schanzer („9/11 and its aftermath“) und Stephen Smith („Democracy in Africa“). Das hatte mit dem, was ich aus meiner Unizeit erinnere, nicht das geringste zu tun. Kein Frontalunterricht, keine typische Vorlesung mit Tafelbildern oder Folien, keine gelangweilten Studenten, die Notizen machen — sondern eine lebhafte Diskussion zwischen Lehrenden und Studenten, auf allerhöchstem Niveau. Was gelernt werden musste, wird zu Hause vorbereitet — und dann im Klassengespräch angewendet. Im Klassengespräch — oder — wie in David Schanzers Kurs — auch mal, indem die Nationale Sicherheitskonferenz am 12. September 2001 in Washington mit verteilten Rollen nachgespielt wird. Und zwar fast zwei Stunden lang, und ohne, dass auch nur ein Student in der Zeit seine Rolle verlassen hätte. Das hat mich sehr beeindruckt.
Beeindruckend waren auch die Lebenswege und beruflichen Herausforderungen der anderen Media Fellows, die wir in den sogenannten „challenges sessions“ kennen lernten. Jeder spricht eine halbe Stunde über seinen Job — und diskutiert dann mit den anderen darüber. Dabei habe ich von unserem südkoreanischen Fellow Yang Ha erfahren, dass FERNSEH-Nachrichten in der Medienlandschaft in Südkorea nur noch eine untergeordnete Rolle spielen. Alles spielt sich stattdessen auf dem Mobiltelefon unterwegs ab.
Auch der Spruch „If you don’t want to work hard…!“ usw. begegnete mir hier wieder, nämlich als Amanda, eine Printkollegin aus Wilmington, erzählte, dass sie eigentlich drei Jobs auf einmal macht. Als sogenannter „MoJo“ — „mobile journalist,“ oder auch als „Rucksack-Journalistin“, hat sie bei Terminen immer ein sendefähiges Radiomikro, eine kleine Kamera für Fotos und bewegte Bilder und ein Laptop dabei (in ihrem Rucksack…), um sofort an Ort und Stelle die Geschichte online zu stellen, einen Podcast oder videoblog zu machen, bevor sie dann ihre eigentliche Aufgabe erfüllt, nämlich den Artikel für die Zeitungsausgabe am nächsten Tag zu schreiben. Das alles für dasselbe Gehalt wie früher, versteht sich. Und wer aufmuckt, muss um seine Stelle fürchten. Willkommen in der heutigen Printmedien-Industrie in den USA! Da wurde uns öffentlich-rechtlich „abgesicherten“ Deutschen doch etwas mulmig zumute, also mir zumindest…
Ein ähnliches Gefühl beschlich uns alle bei einem Besuch beim „News and Observer“, einer regionalen Tageszeitung in der Nachbarstadt Raleigh. Die Stimmung in der Tageskonferenz, an der wir teilnehmen durften, schwankte zwischen Depression und Zynismus. Erst bei einem Gespräch im Anschluss haben wir erfahren, dass gerade in dieser Woche Dutzende Mitarbeiter entlassen worden waren, weitere sollten folgen. Hier hatte die Finanzkrise schon voll zugeschlagen — das Anzeigengeschäft am Boden, Alternativen nicht sofort greifbar.
Apropos Finanzkrise — deren Höhepunkt haben wir live und in Farbe während unseres Aufenthalts mitbekommen. In fast jedem Gespräch, bei fast jeder Veranstaltung wurde die Wirtschaftslage thematisiert, im amerikanischen Fernsehen sowieso. Unvergesslich — das gemeinsame Verfolgen der TV-Präsidentschaftsdebatten im Vorfeld der U.S.-Wahl. In den Gesprächen mit den amerikanischen Fellows an diesen Abenden habe ich mehr über das Land und seine Leute erfahren als in allen Zeitungsartikeln und Dokumentationen zuvor.
Ebenso unvergesslich — der mehrtägige Aufenthalt in Washington, und da insbesondere der Besuch im Pentagon. Wir durften eine Stunde lang zwei Generälen durchaus kritische Fragen zum U.S.-Militär und den aktuellen Kriegseinsätzen stellen, bevor es dann zu einer Tour durch das streng bewachte Fünfeck ging. Meine Hochachtung noch einmal vor unserem jungen Tourguide, der den gesamten Weg und all seine Erklärungen im permanenten Rückwärtsgang durch die Flure und Gänge des Riesengebäudes abspulte (wo übt man so etwas..?)
Neben den offiziellen Terminen blieb immer genügend Zeit, auch in der Freizeit noch die Gegend zu erkunden. Ich bin mit einer deutschen Kollegin zum Beispiel an einem Wochenende in die Blueridge Mountains gefahren. Nur etwa drei Stunden von Durham entfernt, haben wir in der traumhaften Stadt Asheville gewohnt und tagsüber kleine Wanderungen und Touren in den Bergen unternommen. Unglaublich, wie vielfältig dieses North Carolina ist. Allerdings — und da kommen jetzt wieder Wendy, Denny, Hardee usw. ins Spiel — an der Wegverpflegung an den Highway-Abfahrten kann ich leider kein gutes Haar lassen. Wer schon öfter in den .A. war, sollte diesen Absatz vielleicht einfach übersprigen. Wer noch nie dort war: Lasst Euch nicht von den heimeligen Namen und Lichtern der Restaurants in die Irre führen! Auch was auf den ersten Blick wie ein gemütliches Café mit Apfelstrudel und Vanilleeis aussieht — es ist ein BURGER-Restaurant! Immer. Und egal um welche Uhrzeit!
Nicht komplett unerwähnt bleiben sollten auch die von unserer Gruppe privat organisierten Events — unser Besuch im Halbaffen-Center zum Beispiel, oder die kleine Einführung ins Swing Dancing; und natürlich das „Synchron-Wellen-Springen“ am wunderschönen Strand von Carolina Beach…
Bleibt mir noch, DANKE zu sagen:
- der RIAS Berlin Kommission, die mir diesen wunderschönen Aufenthalt ermöglicht hat, die Chance, einmal für vier Wochen dem Redaktionsalltag zu entfliehen und einen Blick von außen auf das zu werfen, was man jeden Tag so tut;
- der tollen Organisation an der Duke-University, insbesondere von Laurie Bley, die für uns ihr Herzblut in diese Zeit investiert hat;
- den anderen Media-Fellows. So eine Zeit steht und fällt mit den Leuten, die dabei sind, und wir hatten eine tolle Gruppe! Ich hoffe, dass der Kontakt zu den meisten von ihnen bestehen bleiben wird.
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Andreas Franz, Mitteldeutscher Rundfunk, Leipzig
Eine Reise zwischen „Obamania“, altem Rassismus und historischem Wandel
Schon der Flug in die USA beginnt mit einer Überraschung. Auf die Frage, warum bei einem Interkontinental Flug von United das Bier zum Essen 5 $ kostet, antwortet der Steward: „Weil sich Glenn, unser Vorstandsvorsitzender, jedes Jahr einen 40 Mio. $ Bonus gönnt.“ Erstaunlich, wie offen ein Mitarbeiter der Fluggesellschaft über seinen obersten Boss plaudert. „So sind wir Amerikaner nun mal.“ Bitte bleiben sie angeschnallt, schon auf dem Flug Richtung Amerika gehen Vorurteile über Bord. Nach der Landung zeigt mir der Steward noch stolz sein Armband auf dem in breiten Lettern steht: „Glenn’s gotta go!“
Es sollte nicht die Letzte von einigen unerwarteten Wendungen bleiben, mit der diese Reise durch die amerikanische Politik- und Seelenlandschaft aufwartete.
„Ok, dass er über Wasser laufen kann, wissen wir schon! Aber wie wird er regieren?“
Dass diese Wahl historische Dimensionen hat, das konnten wir an jeder Straßenecke spüren.
Tief sind die Gräben zwischen Republikanern und Demokraten. Fest sitzt bei vielen die Überzeugung, die andere Seite ist der Leibhaftige in Person. Und das ist, wie sich noch zeigen sollte, manchmal wörtlich zu nehmen. Bei den Anhängern der Demokraten schien die Begeisterung oft grenzenlos. So gab es T-Shirts am Straßenrand, die Obama als Superman zeigen.
Hier ist eine ganze Generation junger Wähler elektrisiert, aber damit nicht unbedingt auch politisiert worden. Manchen treibt allein die schiere Begeisterung über einen möglichen Wandel zu den Wahlveranstaltungen. Auch generationsübergreifend. Gleich am ersten Programmtag sehe ich im Lokalfernsehen die Ankündigung, dass James Taylor, amerikanische Musikerlegende, gleich um die Ecke in Raleigh, ein Konzert zugunsten Obamas gibt. Also, nichts wie hin! Das Publikum ist eine bunte Mischung aus jungen Volunteers und junggebliebenen Alt-68ern. „Meine Mutter war mal mit dem Vater von James Taylor zusammen“, verrät mir eine von ihnen. Sie selbst ist Immobilienmaklerin und von der Vision und dem Elan des Kandidaten fasziniert. So schnell sind wir also mitten drin in diesen bewegten Zeiten. Alle Obama-Anhänger , und das ist in den nächsten 4 Wochen immer wieder zu hören, eint die Hoffnung auf ein sich selbst erneuerndes Amerika und die Überzeugung, 2 Amtszeiten eines der schlechtesten amerikanischen Präsidenten erlebt zu haben.
Was haben wir für ein Glück, dass wir gerade in diesem „defining moment in history“ einen Monat in den USA verbringen können. Und dann sitzen wir mit North Carolina auch noch mitten drin, in einem der wichtigen „Swing States“.
Von Biden über Palin, von McCain zu Obama, wir konnten sie alle live aus nächster Nähe erleben, denn die Kandidaten besuchen North Carolina mehrfach in den letzten Wochen vor der Wahl.
ABC’s Good Morning America: a green Moment!
Der Gott der kleinen Dinge. Geschichte kommt manchmal in einer Nussschale daher oder in einer kleinen Kolumne im Frühstücksfernsehen. „A green moment” will den Zuschauern von ABC’s „Good Morning America“ Umweltbewusstsein beibringen. Und so wird in einem kurzen Beitrag ein neuer Apparat vorgestellt, der Warmwasser nur dann bereitstellt, wenn man es wirklich braucht. Eine technische Sensation: ein Durchlauferhitzer! In manchen Dingen ist der Weg noch weit. Das zeigt sich auch an unseren Apartments. Wie vor 30 Jahren sind sie schlecht isoliert und werden mit einer scheppernden Klimaanlage geheizt oder gekühlt. Die Fenster sind einzeln verglast, schließen schlecht und die Wände bestehen aus Holz und Pappe. Dafür sind Kühlschrank, Waschmaschine und Trockner überdimensioniert, wie eh und je.
Der Geruch von Pizza, Bier und Lynchjustiz in den Blue Ridge Mountains!
Eines unserer Wochenenden verbringen wir in Asheville in den Blue Ridge Mountains. Und dort — ein weiterer glücklicher Zufall — wird Sarah Palin am Sonntagabend auftreten. Das Kongresszentrum ist schon am Nachmittag umzingelt von Republikanern, die auf den Einlass warten. Auf der anderen Straßenseite haben sich Obama Anhänger aufgestellt, die Stimmung gegen Palin machen. Es kommt zu einigen hässlichen verbalen Attacken von beiden Seiten, aber sonst bleibt es friedlich.
Asheville ist eine Stadt mit einer reichhaltigen Musik- und Künstlerszene und liberalem Flair. Aber ab und an kommen auch die „countryfied people“ aus den Kleinstädten wegen einer Landwirtschaftsmesse vorbei. Und so ein Paar treffen wir an einem Abend an der Bar in einer Pizzeria. Wir kommen ins Gespräch, über den Wahlkampf und Obama und im Laufe des Abends hören wir ungefilterten Redneck O-Ton von bestechender Logik. Eins, so erzählt uns die Lady, sei sowieso schon mal klar, Obama könnten sie auf gar keinen Fall wählen. Weil es in ihrer Stadt gar keine „colored people“ gäbe. Und für sie sei Obama sowieso der Anti-Christ. Ihr Begleiter gibt sich moderater und findet Obamas Programm sogar richtig gut, aber egal was er macht, egal was er sagt, „I don’t trust him.“ Dass das allein an der Hautfarbe liegt schwingt hier deutlich mit. Und die Dame sekundiert mit einem „I hope he gets shot!“ Auch das sind immer noch die USA. Pizza, Bier und eine heftige Dosis Rassismus, der offensichtlich in Small Town America noch tief verwurzelt ist. Da kommt die Information, dass es in ihrer Stadt immer noch eine Sektion des Ku-Klux-Clans gibt, nicht mehr überraschend… Ein Literaturnobelpreisträger trinkt bei Starbucks „kein Spülwasser“ mehr und Beschwerden mit Südstaaten-Akzent landen im Call-Center-Nirvana
Viel feiner verlaufen die Grenzlinien in einigen der Seminare, die wir an der Duke Universität besuchen können. Hier wird deutlich, welche Spuren der 11. September in der amerikanischen Gesellschaft hinterlassen hat. Es gibt Studenten, die im Namen der Nationalen Sicherheit auch Folter für durchaus legitim halten und solche, die vehement dagegen sind und für die dadurch amerikanische Werte unterminiert werden.
Im Universitäts- und Wissenschaftsdreieck Durham, Raleigh und Chapel Hill geben sich Weltstars der Wissenschaft und Kultur die Klinke in die Hand. Gerade Duke bietet seinen Studenten für die opulenten Gebühren auch ein opulentes Programm. Allein in den vier Wochen, abzüglich einer Woche Washington, hören wir einen Vortrag von Oliver Sacks, eine Rede von Literaturnobelpreisträger Wole Soyinka mit interessanten Erkenntnissen zur Globalisierung, sehen zwei der führenden politischen TV-Analysten im Streitgespräch und haben die Ehre den legendären Coach K beim Training des Duke Basketball-Teams zu beobachten. Inklusive einer kurzen Einführung in seine Lebensweisheiten. (Soyinka gibt zu bedenken, dass die Geschichte der Menschheit, geprägt von Handel und Wandel immer auch eine Geschichte der Globalisierung gewesen sei, ganz davon abgesehen, dass er es sehr zu schätzen gelernt hat, an vielen Straßenecken dieser Welt einen guten Kaffee zu bekommen, wenn auch nicht mehr bei Starbucks; s.o.). Lebensweisheiten der ganz anderen Art werden uns in unserem Sanford Institute von einem der führenden internationalen Karikaturisten KAL und zwei Mitarbeitern von „Jon Stewards Daily Show“ präsentiert. Auch dies ist ein „denkwürdiger“ Abend. Berauschend ist das Niveau, auf dem im amerikanischen Fernsehen Comedy gemacht wird. Ernüchternd das Niveau, auf dem sich das Lokalfernsehen bewegt. Da ist mancher Offene Kanal in Deutschland handwerklich besser produziert. Interessant auch die Runden mit amerikanischen Kollegen, wie dem ehemaligen Washington Post Reporter Ted Gupp und dem Ombudsman des „Raleigh News Observer“, Ted Vaden. Tragikomisch und bezeichnend für den Niedergang der amerikanischen Zeitungen ist die Tatsache, dass die Service Abteilung des „News Observer“ inzwischen nach Singapur ausgelagert wurde. Ein Leser, der die Hotline der Zeitung anruft, landet also auf der anderen Seite des Globus, wo die Call-Center Mitarbeiter ein vom Fernsehen geprägtes Englisch sprechen. Dumm nur, dass man damit den für North Carolina typischen Südstaaten-Akzent nicht versteht. Globale Sprachlosigkeit in Zeiten der Globalisierung.
A drive down memory lane and thanks again
An dieser Stelle ein großes Dankeschön und ein Kompliment an die Organisatoren des RIAS-Berlin-Programms. Allen voran, Laurie Bley, die uns tatkräftig unterstützt hat und auch neuen, spontanen Ideen mit großer Begeisterung begegnet ist. So konnten wir den Wahlkampf problemlos in das Programm integrieren und diese einmalige Chance, „History in the making“ zu erleben, optimal nutzen. Es ging nie darum, die sicherlich mit viel Mühe vorbereiteten Programmpunkte abzuhaken. Dass das den Rahmen nicht gesprengt hat, zeigt die Bandbreite und Flexibilität, die das Programm bietet. Deshalb auch einen großes Dankeschön an die Organisatoren in Berlin, Rainer Hasters und Sandra Fettke und alle, die dieses Programm möglich machen.
Für mich war es auch ein „drive down memory lane“. In den 70ern habe ich fünf Jahre in Washington gelebt und dort die Deutsche Schule besucht. Auch damals waren es ausgesprochen turbulente politische Zeiten. Nixon stand wegen der Watergate-Affäre kurz davor, aus dem Amt gejagt zu werden. Viele Autos hatten „bumper stickers“ an den Stoßstangen, auf denen „Impeach Nixon“ stand. Und ich erinnere mich noch gut, wie erschrocken ich damals war, als auf einem Parkplatz in McLean ein weißer älterer Herr meinte, mich ungefragt über den verdorbenen Charakter „der Schwarzen“ aufklären zu müssen. Auch das macht deutlich, welchen historischen Schritt Amerika mit der Wahl Obamas gegangen ist. Dies mittendrin miterlebt zu haben, war schlicht und einfach grandios! Um auch einmal ein bisschen amerikanisches Pathos zu bemühen. Ok, es war nicht ganz der Mauerfall in Berlin, but very close. Thanks.
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Dr. Michael Groth, Deutschlandradio Kultur, Berlin
Welch ein Luxus! Vier Wochen an einer renommierten Universität in den USA. Kein Pflichtprogramm, dafür eine Kür, die Ihresgleichen suchen dürfte. Und als „Sahnehäubchen“ die Wahl des 44. Präsidenten (4.11.) mittendrin. Mit Obama begann es dann auch. Gleich am zweiten Tag, noch vor dem offiziellen Programmbeginn, ein Auftritt des Kandidaten in Fayetteville, ca. 2 Autostunden entfernt. Nichts wie hin dachten wir uns: deutsche Journalisten als Zeitzeugen, „history in the making“. Da North Carolina ein „battleground state“ ist, geben sich die Kandidaten hier die Klinke in die Hand. Wir haben sie alle gesehen in und um Raleigh/Durham herum, die McCains und Palins, die Obamas und Bidens, manche mehrfach.
Dann die Wahlwoche in Washington, D. C. : ein besserer Zeitpunkt für den Hauptstadtbesuch ist schwer vorstellbar. Den Wahltag zum Teil im „Foreign Press Center“ verbracht. Analysen, Erklärungen, erste Hochrechnungen. Am Abend dann Wahlparty an der Johns Hopkins Universität. Freibier, Pizza, und — je länger der Abend — desto mehr Jubel. Freude über den Ausgang bei der großen Mehrheit der Amerikaner, mit denen wir sprachen, in Washington, wie an der Uni in North Carolina. Am Tag danach Lunch im „National Press Club“, mit Reden der demokratischen und republikanischen Parteivorsitzenden Dean und Duncan. Der eine euphorisch, der andere bedrückt, natürlich. Besuche im Pentagon, bei „National Public Radio“ und im neuen „Newseum“ rundeten den gelungenen Ausflug ab.
Vor und nach Washington Fortbildung im besten Sinn. Das gilt für die Qualität der Vorträge, wie für die Seminare, die wir — nach Belieben und Interesse — jederzeit besuchen durften. Im Folgenden nur ein „Best of“: Der nigerianische Literaturnobelpreisträger Wole Soyinka erklärte die Welt, umfassend, anspruchsvoll, auf sprachlich hohem Niveau- ein Vormittag, den man nicht vergisst. Ted Gup, U.S.-„Enthüllungsjournalist”, zählte lieber kleinere Münzen. Nicht weniger interessant indes unsere „lunchdiskussion“ über die Geheimnisse der CIA und darüber, was der Staat seinen Bürgern verschweigt.
Natürlich zog sich die aktuelle Wirtschaftskrise wie ein roter Faden durch viele Veranstaltungen. Eine etwas andere Sicht zu diesem Thema bot der Wirtschaftsberater des russischen Präsidenten Medwedew, der in der Business School sprach.
Ebenfalls auf Einladung der Business School schließlich die Gelegenheit, ein öffentliches Training der Duke-Basketballmannschaft zu erleben. (Die Spiele selbst sind auf Jahre ausverkauft.) Das die Uni über eines der besten Teams des Landes verfügt, hat sie auch „Coach K“ zu verdanken. Mike Kryzschewski — übrigens auch Trainer der U.S.-Goldjungen von Peking — gilt in Durham als eine Art Beckenbauer des Basketballs. Den Startrainer bei der Arbeit mit den jungen Spielern zu beobachten war schon ein besonderes Erlebnis.
Breiten Raum in der politischen Debatte nimmt nach wie vor der 11. September und seine Folgen ein. Der stellvertretende Sicherheitsberater George W. Bushs zog eine wenig selbstkritische Bilanz. Engagiert und kontrovers dagegen die Debatte im Kurs von David Schanzer. Bei den Themen „Rendition“ (geheime Verbringung mutmaßlicher Terroristen in Drittländer) sowie Telefonüberwachung war die deutsche Debatte sehr nah. Ebenso beim Seminar „American Grand Strategy“. Ein Deja Vu-Erlebnis bei der Sitzung zu den 70er und 80er Jahren — wer erinnert sich noch an das Iran-Abenteuer Jimmy Carters oder die Rüstungspolitik des frühen Präsidenten Reagan? Oder Widerspruch bei der Erörterung des Irakkrieges: zumindest in diesem Seminar, das weitgehend der Argumentation der Administration folgte und Unverständnis über die europäischen „Weicheier“ äußerte.
Das alles ergänzt durch Spaziergänge über den weitläufigen neo-gothisch dominierten Campus: bei fast ununterbrochenem Sonnenschein. In den herrlichen „Duke-Gardens“ konnte man sich sogar noch im T-Shirt sonnen!
Laurie Bley, unsere „gute Seele“ am Sanford Institute, sorgte schließlich für einen gemeinsamen Ausflug. Asheville am Fuße der „BlueRidge Mountains“ ist genau das Richtige für deutsche Journalisten, die nach Tagen spannender intellektueller Herausforderungen mal einfach Musik in der Kneipe hören wollen, oder während eines Waldspazierganges die prächtige Färbung des herbstlichen Laubes bewundern.
Vielen Dank für das Alles und mehr.
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Uli Hesse, Bayerischer Rundfunk, München
Das RIAS-DUKE-Abenteuer beginnt noch vor der Passkontrolle. Die Computer der Einwanderungs-Behörde sind zusammengebrochen. U.S. Amerikaner schlängeln sich durch, wir „Aliens“ warten in der Zwischenwelt, einer Betonhalle. Romane werden herausgekramt, Essen angeboten. Duke-Organisatorin Laurie Bley hat uns gewarnt vor unfreundlichen Grenzbeamten und langen Prozeduren, doch dann geht es ganz schnell: Zwei, drei Witze, Fingerabdrücke rechts links und ein Kompliment zum Abschied — das war’s. Eine Stunde später stehe ich in einem Kurdorf im Wald. Links das Fitness-Häuschen und der Pool, rechts genießen ältere Herrschaften auf der Veranda ihren Eistee. Meine Heimat für die nächsten vier Wochen!
Bei Eis aus der Pumpe und einer Auswahl an 203 regionalen Biersorten lerne ich abends „die Anderen“ kennen: drei deutsche RIAS-Fellows und zwei Amerikanerinnen. Letztere arbeiten beide fulltime als Print- und Onlinejournalisten, und von ihnen lerne ich am meisten, was der amerikanische Traum im Alltag bedeutet: Beide haben extrem Angst um ihre Jobs, denn davon hängen die Krankenversicherungen von Ehemann und Kindern ab. Nachts zappe ich mich durch mindestens 183 Fernsehkanäle. Eine erste Lektion in amerikanischem Kapitalismus…
PLAYMOBIL-BURG DUKE
Am nächsten Morgen weiht Laurie uns in „The Duke Way of Life“ ein. Keine verrückten Haarfarben, dunkle Raucherecken oder eine runtergekommene 70er Jahre Mensa. Stattdessen Terrassen mit Sonnenliegen, Wifi und Riesen-Leinwände um Baseball zu gucken, und allein in der Politik-Fakultät etwa 83 Sofas auf jeder Ebene — für Diskussionen und das Nickerchen zwischen Vorlesungen. Künstliche Nebelschwaden ziehen aus dem Boden der Grand Piazza um erschöpfte Studenten zu kühlen, die in den luxuriösen Gartenschaukeln abhängen. In jeder Ecke stehen Drucker und Computer, um schnell zwischendurch Emails abzufragen oder Seminarpapiere auszudrucken. Die Erwartungen sind hoch, und Hausaufgaben werden tatsächlich abgefragt.
Der Campus ist eine kleine Stadt für sich. Für alles ist gesorgt, Studenten können hier ihre gesamtes Studium verbringen, ohne das Gelände auch nur einmal zu verlassen. Die Fakultäten sind großzügig zwischen Parks und Wäldchen versteckt; die Studentenwohnheime sind eine Hollywood-Version aus Oxford, und dahinter liegen kitschige Ritterburgen, weiße Villen mit Schaukelstühlen auf der Veranda und sogar ein majestätitscher Abklatsch des Kölner Doms. Obama-Flaggen hängen aus den Fenstern. Wir sind mitten im Wahlkampf, und die Fernsehauftritte von John McCain, Barrack Obama, Sarah Palin und Joe Biden sorgen in den nächsten vier Wochen für Spannung. Und der Credit Crunch: Aktien beginnen zu fallen, und mehr und mehr Nachbarn in unserer kleinen Wohnanlage sorgen sich um ihre Altersvorsorge: Viele haben alles in Aktien angelegt, und genau diese Firmen gehen gerade pleite…
KAFFEEKLATSCH MIT DER ELITE
DUKE und RIAS Organisatorin Laurie Bley lädt die amerikanische Medien-Prominenz für Hintergrundgespräche ein, zum Beispiel Leonard Downie, den früheren Chefredakteur der Washington Post. Er verteidigt seine Meinung, dass man als Journalist so unparteiisch sein muss, dass man noch nicht mal wählen darf. Als einer der einflussreichsten investigativen Journalisten war er an der Aufdeckung von Watergate beteiligt. Nun wirbt er dafür, dass gemeinnützige Organisationen diese Rolle übernehmen und Recherchen finanzieren. In den Gesprächen wird klar: Eine Lehr-Tätigkeit an der Duke ist für viele unserer Gäste ein Sprungbrett in die Politik. Akademiker erforschen Medienwirkung und schreiben Bücher über konservative Einflussnahme auf die Medien um den Demokraten zu helfen — und einen Job in der neuen Regierung zu ergattern. Und Starjournalist und NY Times Kolumnist Thomas L. Friedman führt die grüne Revolution in den USA an.
RECIPES FOR DISASTER
Das Angebot an Seminaren und Vorlesungen ist überwältigend, vor allem in Politik. Doch mein Lieblingskurs an der Duke hat mehr mit Basteln zu tun: Bleichen, schnibbeln, kleben und experimentieren mit 16mm Film. Auf dem Ost Campus haben die Filmer ein kleines Refugium — eine angebaute Mini-Villa mit modernsten Schnittplätzen und einem Lager mit einer Auswahl an Kameras von dem jede Filmschule nur träumen kann. Hier wird mir erst richtig klar, wie viel Geld die Duke Unviersity hat. Ein Traum!
HOT DOGS UND DAS WEISSE HAUS
Schließlich Washington. Im Pentagon tanzt der Fuehrer rückwärts vor uns her, damit er uns immer im Auge hat. Beim Foreign Press Centre lernen wir die Dos and Don’ts für den Umgang mit den Türstehern zur Macht. Und: Klauen von einheimischen Medien gilt nicht! Mittags ruhen wir uns auf ein paar Bollern in einer Seitenstrasse aus und schnabulieren Hot Dogs… und entdecken Stunden später, dass wir direkt vor dem Weißen Haus saßen!
Ein riesiges Dankeschön an Master-Organisatorin Laurie Bley und RIAS Berlin, die dieses wunderbare Abenteuer und diesen Einblick in die Seele der USA ermöglicht haben. Es war ein Traum! Danke!
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Stefanie Laaser, Westdeutscher Rundfunk, Köln
Vier Wochen Duke Media Fellow — vier Wochen geschenkte Zeit mitten im Berufsleben. Was bleibt? Hüpfen über Riesenpfützen auf dem morgendlichen Weg vom Apartment zu den Mietautos, vor denen schon die Fellows warten. Programmdirektorin Lauries Begrüßung, freudestrahlend. Opulente Lunches mit Gastredner. 25 aufgeklappte identische Apples in einem Journalistikseminar, deren Besitzer ungestört im internet surfen und gleichzeitig kluge Fragen stellen. Kartenspielen nach obskuren südafrikanischen Regeln im Wochenendhaus am Strand. Das Logo des Full Frame Documentary Festival auf der Leinwand, unmittelbar vor Filmbeginn, 16mal an vier Tagen. Abendrot mit kreuzender Rehfamilie beim Joggen in „The Forest.“ Plastiktüten für Regenschirme statt Schirmständer im Nasher Museum. Prächtige Bauten und Bäume auf dem weitläufigen Campus, von der Frühlingssonne beschienen. Das kathedralenartige Café der Uni-Bibliothek. Studenten, Gewaltmärsche zwischen zwei Vorlesungen zurücklegend. Basketball-Übertragungen in jeder Bar zwischen Durham und Chapel Hill. Regelmäßiges Verfahren auf dem Weg zum Supermarkt oder in die Stadt, trotz liebevoll gestalteter Karten von Laurie.
Und vor allem: Gespräche. Mit Studenten, Professoren, Gastrednern, und am allermeisten mit den Media Fellows. Wir waren zu elft — Journalisten aus Deutschland, Frankreich, Südafrika, Georgien und den USA. Das macht das Duke-Programm so reizvoll: die Möglichkeit, Kollegen aus anderen Ländern zu treffen, eine Vorstellung von ihrem Arbeitsalltag zu bekommen, einmal mit ihren Augen auf den Sinn und Zweck unserer Zunft zu blicken. Wer dem 26 Jahre alten TV-Reporter Tommy aus Johannesburg zuhört, wenn er von den täglichen Belastungen und Gefahren in seinem Job erzählt, dem wird klar, wie komfortabel wir deutschen Journalisten es haben. Es ist faszinierend, sich mit den beiden Kollegen von der Washington Post über unterschiedliche Philosophien des Storytelling zu unterhalten, und lehrreich, einen Film über die Tamile Tigers in Sri Lanka zusammen mit Vincent anzuschauen, der seit 18 Jahren als Kriegsberichterstatter für das französische Nachrichtenmagazin „L’Express“ arbeitet. Nicht nur bei den offiziellen Terminen, auch bei abendlichen Barbesuchen, bei ausgedehnten Autofahrten, beim gemeinsamen Wandern oder an unserem Strandwochenende in Topsail Beach haben wir uns sehr gut kennen gelernt und werden hoffentlich Kontakt halten.
Das Programm, das Laurie Bley für unsere Gruppe zusammengestellt hatte, war hochspannend. Wir haben Persönlichkeiten getroffen wie Ellen Mickiewicz, die Direktorin des DeWitt Wallace Center, mit der wir über Medien und Demokratieverständnis in Russland sowie die Faszination der derzeitigen „Obamania“ in den USA diskutierten, oder Stephen Labaton von der New York Times, der einen Vortrag über die Auswirkungen des Internet auf den investigativen Journalismus hielt. Daneben blieb Zeit, auf eigene Faust Kontakte zu knüpfen. Dieses Angebot ist gar nicht hoch genug zu schätzen: Als Media Fellow hat man Zugang zu jeder Vorlesung und jedem Seminar egal welcher Fakultät der Duke University, die zu den Top Ten der Eliteunis in den USA zählt. Die meisten Professoren sind interessiert an den ausländischen Journalisten, nehmen sich ausgiebig Zeit und laden sie gelegentlich auch zu kleinen Vorträgen vor den Studenten ein. Es tut unglaublich gut, wieder zu studieren, neues Wissen aufzunehmen, etwas dazuzulernen, anstatt immer nur output zu liefern. Man bekommt Lust, sich wieder einmal wissenschaftlich mit einem Thema auseinanderzusetzen oder bei einer Recherche wirklich in die Tiefe zu gehen. Leider bleibt in den vier Wochen nicht genug Zeit, um direkt loszulegen. Aber der Aufenthalt kann den Anstoß dazu geben, vielleicht entwickeln sich auch erste Ideen für ein längerfristiges Projekt. Überhaupt bringt dieses Programm fast jeden zum Nachdenken über sein Berufsleben. Man beschäftigt sich als Media Fellow zwar ständig mit Journalismus, aber immer aus ungewohnten Perspektiven.
Und so bekommt man den nötigen Abstand zur Alltagsroutine und kann klarer erkennen, worauf es einem selbst im Job eigentlich ankommt und wo man sich mit Nebensächlichkeiten aufhält.
Wer im Frühling am Programm teilnimmt, bekommt als Sahnehäubchen noch das Full Frame Festival serviert, ein kleines, aber äußerst erlesenes internationales Dokumentarfilmfestival. Einmal im Jahr reist zu diesem Anlass eine eingeschworene Fangemeinde aus den ganzen USA nach Durham. Als Media Fellows hatten wir Zugang zu allen Filmen sowie zu den meisten Empfängen und Parties — eine Gelegenheit zu spannenden Unterhaltungen mit Filmemachern, Journalisten und Besuchern. Ich habe mir ausgezeichnete Produktionen vor allem aus den USA angesehen, die mich noch mal neu über die Faszination, aber auch die Untiefen und Ungereimtheiten dieses Landes nachdenken ließen, das ich nach zwei Studienjahren und zahlreichen Reisen eigentlich schon recht gut zu kennen glaubte.
All das hätte ohne das Engagement und Herzblut der Programmdirektorin Laurie Bley so nicht stattgefunden. Sie hat ein großartiges, abwechslungsreiches Programm für die Gruppe auf die Beine gestellt und es daneben noch mit viel Geduld geschafft, die Bedürfnisse und Wünsche jedes einzelnen zu berücksichtigen. Dafür noch mal meinen wärmsten Dank!
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Christiane Lelgemann, Westdeutscher Rundfunk, Köln
Eric, der Taxifahrer
Als ich nach 14 Stunden Reise in Raleigh/Durham landete, empfing mich am Flughafen eine schwüle Hitze — und Eric, der Taxifahrer. Ich war auf Smalltalk eingestellt und fand mich doch sofort in einer politischen Debatte: Wie sehen wir Deutschen Barack Obama, wie zufrieden sind wir mit Angela Merkel, wie funktioniert in Deutschland die Integration von Ausländern? Erics pointierte Fragen nach Europa hatte ich nicht erwartet. Wo waren die Amerikaner, die sich für nichts außerhalb ihrer Landesgrenzen interessierten? Hier jedenfalls nicht. Eric verriet mir auch gleich, welches Thema die Präsidentschaftswahlen entscheiden würde: „Bildung“, sagte er. „Die Leute wollen wissen, wie sie ihre Kinder aufs College schicken können.“ Da war es Mitte September und die Finanzkrise lag noch vor uns.
Die Duke
Wer seine Kinder auf die Duke University in North Carolina schicken möchte, braucht schlaue Sprösslinge und 50 000 Dollar im Jahr. Dafür bekommen die Studenten dann Topdozenten, einen Campus wie bei Harry Potter, kleine Seminare und fast alle Lehrmittel per Computer. Traumbedingungen für die, die es sich leisten können. Hier vier Wochen einzutauchen, ist eines der Privilegien der RIAS-Stipendiaten. Neben den Uni-Seminaren organisiert Laurie Bley, Programmdirektorin und „gute Seele“ in Personalunion, Diskussionsrunden nur für die „Media Fellows“. „Es ist wie ein großes Buffet,“ kommentierte meine Kollegin Demetria, „an dem man sich bedienen kann.“ Ein Buffet, auf dem eindeutig mehr Lachsschnittchen als Mettbrötchen angeboten werden.
Gut ist es, sich schon vor der Anreise ein Bild von dem riesigen Angebot zu machen, sonst geht die erste Woche schnell vorbei, ohne dass man sich auch nur für ein Seminar entschieden hat.
Uni-Seminare
Höhepunkt der Uni-Seminare war für mich David Schanzers Kurs „9/11 And Its Aftermath“. Das hohe Niveau, auf dem Studentinnen und Studenten über Terrorabwehr, Einschränkungen von Freiheiten und außenpolitische Konsequenzen der Bush Doctrine diskutierten, hat mich nachhaltig beeindruckt. Amerikaner Anfang 20, die in Zeiten des „Krieges gegen den Terror“ aufgewachsen sind, hinterfragten hier kritisch, aber mit ihrer eigenen amerikanischen Sichtweise die Außen- und Innenpolitik ihres Landes. Und sie haben mich als Außenstehende manchmal ins Grübeln gebracht über das eindeutige „richtig“ oder „falsch“ politischer Entscheidungen. Ein wunderbarer, leider zu kurzer Einblick in das Selbstverständnis junger Amerikaner, von denen sicherlich viele nach ihrem Studium die Politik und Gesellschaft der USA mitbestimmen werden.
Wer Seminare mit offenem Diskussionsklima schätzt, sollte auch die Kurse des ehemaligen „Le Monde“-Korrespondenten in Afrika, Stephen Smith, besuchen. Wie bei Schanzer kann man sich bei Smith abgucken, wie gute Lehre aussieht: Studenten fordern und fördern und sich selbst nicht als oberste Instanz des Wissens darstellen.
Das Programm der Media Fellows
Doch allein das Programm, das Laurie Bley nur für die Stipendiaten zusammenstrickt, ist schon bemerkenswert: Diskussionsrunden mit Chefredakteuren und Professoren der Uni, Besuche bei Zeitungen etc. Hinzu kommen optionale Angebote wie Gastvorträge oder Filme. Und mittlerweile weiß ich sogar einiges über Lemuren, die wir dank meines Mit-Stipendiaten Carsten im unieigenen Primate Centre besucht haben. Langweilig wird es in den vier Wochen also nie!
Besonders gut fand ich das Spektrum der ausgewählten Redner und ihrer Themen:
Len Downie, ehemaliger Chefredakteur der Washington Post, dessen rigoroser Ansatz der Objektivität beim Schreiben von Nachrichten mich fasziniert hat und der gleichzeitig die Vorzüge von „embedded journalists“ lobte. Soziologin Pamela Stone, die eine Studie vorstellte, warum viele gut ausgebildete Amerikanerinnen ihren Beruf aufgeben, wenn sie Kinder bekommen. Oder Gastprofessor Robert Entman mit seiner These, dass objektive Berichterstattung — DAS ethische Prinzip amerikanischer Zeitungsjournalisten — eine Illusion ist.
Die ökologische Zukunft
In unserer Zeit an der Duke war Thomas L. Friedman, Kolumnist der New York Times, zu Gast. Friedmans jüngstes Buch „Hot, Flat and Crowded“ war zu der Zeit ein Renner in der Bestseller-Liste und ist ein Manifest für ein umweltfreundlicheres Amerika. Friedman wurde an der Duke gefeiert wie ein kleiner Al Gore. Für Deutsche sind seine Maßnahmen für eine grünere Zukunft nicht wirklich neu. Ungewohnt war aber seine charismatische Art, Menschen mit einem Vortrag über Ökologie zu begeistern. Ökotechnologie ist für Friedman der Weg, die Rolle der USA in der Welt neu zu definieren und eine wirtschaftliche Vormachtstellung zu erlangen. Friedman packt seine Landsleute beim Nationalstolz und beim Geldbeutel: Amerika soll als leuchtendes Beispiel der Welt die Zukunft weisen, und die Amerikaner werden finanziell davon profitieren. Wenn sich die richtigen Kreise Amerikas für diesen Weg begeistern lassen, wird sich Deutschland beim Export von Umwelttechnologie noch umschauen.
Washington D.C.
Fährt man von North Carolina nach Washington D.C., wird klar, warum sich viele Amerikaner bisher noch keine großen Gedanken über Umweltpolitik machen. Wälder rechts und links der Fahrbahn, bis man irgendwann nach Stunden die Zivilisation wieder entdeckt. Washington D.C. ist dann nach zwei, drei Wochen Durham fast eine architektonische und kulturelle Offenbarung. Gott sei Dank gab es genug Zeit zum Sightseeing. Und Laurie Bleys Bildungsprogramm verschaffte uns dann noch Zutritt zu Orten, die man als Tourist nicht gesehen hätte. Auch wenn das Presse-Briefing im Pentagon ausfiel — das Gespräch mit Presseoffizier Todd Vician war äußerst spannend. Für ihn hatte sich die Zusammenarbeit mit Journalisten verbessert, seitdem es „embedded journalists“ gibt. Auch die Tatsache, dass Journalisten einen ständigen Arbeitsplatz im Pentagon haben, machte mich etwas skeptisch.
Der Besuch im Pentagon lohnt sich übrigens allein für die Tour. Der Kadett, der die Führung macht, läuft 30 Minuten lang rückwärts! Auch unser Besuch bei der „Brookings Institution“ hat sich sehr gelohnt. Ron Nessen erzählte lebhaft aus Geschichte und aktuellen Studien des Think Tanks. Auf seine Biografie aus den 60ern und 70ern, die der ehemalige Vietnam-Reporter und Pressesekretär von Präsident Ford gerade schreibt, freue ich mich jetzt schon.
Die Media Fellows
So gut wie die Programmpunkte des RIAS-Stipendiums auch sind, entscheidend für den Austausch mit Journalisten aus den USA und der Welt ist die Zusammensetzung der Gruppe. Denn am meisten gelernt über den Arbeitsalltag amerikanischer Journalisten habe ich durch meine beiden Mitstipendiatinnen Amanda und Demetria. Wer in Deutschland über die Anforderungen der Bi- oder Trimedialität im Journalismus klagt, sollte bei einer amerikanischen Zeitung reinschnuppern. Da schreiben die Kollegen fürs Blatt, bloggen, holen Audios für das Netz und nehmen ab und an noch die Videokamera mit zum Termin. Natürlich auch eine Folge der Zeitungskrise in den USA. Einblicke gab es auch in die TV-Landschaft Südkoreas durch den Kollegen Yang Ha. Schade, dass die südafrikanischen Stipendiaten während unserer Zeit an der Duke nicht kommen konnten. Denn mehr Nationalitäten sind für den Austausch und verschiedene Blicke auf Journalismus und politische Fragen sicherlich noch interessanter.
Amanda und Demetria — wie auch Organisatorin Laurie Bley — waren vier Wochen lang auch unsere Gradmesser, manchmal Dolmetscher für alles, was anders war in den USA. Wir haben mit ihnen drei Wahlkampfdebatten zwischen McCain und Obama im Fernsehen gesehen, haben diskutiert über den möglichen Wahlausgang und die gesellschaftlich so großen Unterschiede in den USA. Sie haben uns in die Höhepunkte (Was für ein Barbecue am Strand!)) und Niederungen (Bubble Tea) der amerikanischen Küche eingeführt. Wir waren mit ihnen und ziemlich alten Männern Swingtanzen. Und wir haben ihnen fasziniert bei ihrer Karaoke-Performance zugeschaut und uns gefragt, wieso immer alle Nationalitäten singen können außer den Deutschen.
Religion und Finanzkrise
Besonders intensiv war unser Austausch über Religiosität und Religionsgemeinschaften in den USA und Deutschland — nicht zuletzt, weil wir mit Amanda eine Fachjournalistin in der Gruppe hatten. Ich denke, ich habe noch nie zuvor so viel über verschiedenste Glaubensrichtungen und ihre Verwurzelung in der amerikanischen Kultur erfahren wie in diesen vier Wochen. Einen wunderbaren Gospel-Gottesdienst in einer Methodisten-Kirche mitzuerleben und anschließend mit Amanda direkt in Bill Maher’s Satire „Religulous“ zu gehen, war sicherlich kurioser Höhepunkt.
Und dann brach zum Ende unseres Aufenthaltes noch die Finanzkrise aus. Und wieder waren es die amerikanischen Kollegen, die mir deutlich machten, was dieses erst einmal abstrakte Wort bedeuten kann: Sorge um das nächste Gehalt, die Rente, das Haus. Und die Frage, was passiert, wenn man nun ernsthaft krank würde.
Eric, die Zweite
Eric, der Taxifahrer, hat mich am Ende der vier Wochen übrigens wieder zum Flughafen gebracht. Seit 15 Jahren fahre er Akademiker zwischen Uni und Flughafen hin und her, meinte Eric, aber er habe noch nie erlebt, dass sie so sprachlos seien wie jetzt. „Das erste Mal weiß keiner einen Rat, wie wir aus diesem Finanz-Schlamassel wieder rauskommen.“ Es sollte eben doch nicht die Bildung, sondern die Wirtschaft werden, die die Wahl entscheiden würde.
Mein Dank gilt der RIAS BERLIN KOMMISSION, die diese Reise möglich gemacht hat, den tollen „Fellows“ und besonders Laurie Bley, die immer mit Rat und schneller Tat zur Seite stand. Aus vielen Puzzlestücken hat sich bei mir in vier Wochen ein Bild U.S.–amerikanischer Denkarten und Lebensweisen zusammengesetzt, das noch lange nicht vollständig ist, aber neugierig macht auf mehr.
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Christina Libuda, Norddeutscher Rundfunk, Hamburg
Morgen spielt James Taylor für Obama in Raleigh — wer kommt mit?“ — so viele Grammies hat er schon gewonnen und jetzt kommt er in seine Heimat um in einer Kleinstadt zu spielen. Klampfen für ein besseres Amerika; Ich mittendrin, mittags bei strahlendem Sonnenschein Ende Oktober, handgemachte Musik und spannende Gespräche mit vielen Volunteers, den Freiwilligen, die Plakate verteilen, Spenden sammeln, nach der Uni durch die Vorstädte ziehen, von Haustür zu Haustür, um Menschen dazu zu bringen, wählen zu gehen. Obama wählen zu gehen. Den Mann, der bei der ersten Pressekonferenz nach seiner Wahl in zwei Wochen sich selbst als Mischling bezeichnen wird, als er darüber spricht, dass seine Töchter nun einen Hund für das weiße Haus bekommen sollen. Einer aus dem Tierheim sollte es sein, denn dort leben viele Mischlinge, so wie er eben selbst einer sei. Dieser Mann: eine Mischung ist er sicher. Eine Mischung aus Politiker, Popstar und Messias. Die Menschen hier sind elektrisiert. Aber wo sind die anderen — das konservative Amerika? In manchen Vorgärten stehen sie, die McCain-Palin-Schilder. Dieser Aufenthalt in Durham und in Washington wird ein ganz besonderer sein. Im Zeichen der großen Wahl.
Ich sitze in meinem Appartement und gucke die Wahlberichterstattung im Fernsehen. Noch 10 Tage. Obama liegt vorne. McCain holt auf. North Carolina ist einer der Staaten — so scheint es jetzt — in denen die Schlacht geschlagen wird. Ein „battleground-state“. Einer, der nicht traditionell den Demokraten oder den Republikaner zugeordnet werden kann. Der Teppichboden ist flauschig, vor meinem Fenster hängen die bunten Blätter einer Birke — das Appartement mitten im Wald. Ganz in der Nähe gibt es den Eno-River State Park. Ein wunderbarer Ort, um den indian summer für ein paar Stunden zu genießen.
„Early voting“ — auf einem kleinen, genau abgezirkelten Bereich der Universität darf Wahlkampf gemacht werden. Schon drei Wochen vor der Wahl können die Menschen hier ihre Stimme abgeben. Obama-Mania ist auch ein Geschäft: T-Shirts, Button und: ein Skatspiel. Mit den Politikern als Bube, Dame, König, As. Der Campus ist ein Park, mit einer Kirche in der Mitte und den Wohnheimen, die an europäische, mittelalterliche Häuser erinnern sollen. Echt amerikanisch. Echt amerikanisch gastfreundlich und echt wunderbar ist auch unsere Organisatorin Laurie. Sie empfängt uns als Freunde, macht fast alles möglich. Besonders positiv in Erinnerung: Mittagessen mit Ted Gup, einem der berühmtesten investigativen Journalisten der USA — wir sprechen mit ihm über seine Bücher und seine Arbeit, vor allem seine Recherche über die Arbeit der CIA. Ein weiterer Höhepunkt: wir dürfen dem Karikaturisten des „Economist“ Kal Kallaugher bei der Arbeit zusehen. Im Foyer des Instituts hat er einen Arbeitsplatz aufgebaut und werkelt eine Woche lang an einer Obama-Skulptur. Dazwischen beantwortet er stundenlang, geduldig und freundlich die Fragen der Studenten und unsere. Zeichnet, zeigt Filme, spricht über die Schwierigkeiten und die Freuden ein Karikaturist in Amerika zu sein.
Im Shop an der Duke-University in Durham gibt es alles für den wohlhabenden Studenten — von der Zahnbürste mit Duke-Logo, dem Rugby-Helm über die Unterwäsche zum Baby-Schnuller. Die rosa Mütze ist im Sonderangebot. Heute abend sprechen Michael Steele und Harold Ford — der eine Republikaner, der andere Demokrat — vor großen Auditorium. Beide haben sie dunkle Hautfarbe. Einer von vielen spannenden Momenten, die wir miterleben dürfen. Andere sind: Bischof Tutu in einem Radiointerview des National Public Radio in Washington, bei dem wir im Publikum sitzen dürfen. Nobelpreisträger Wole Soykinka spricht über die Globalisierung der Menschenrechte. Der demokratische Politiker Howard Dean freut sich einen Tag nach der Wahl im National Press Club und wird als einer der Minister im Kabinett gehandelt — in meinem Skat-Spiel ist er übrigens der Karo-Bube. Der Gott unter der Basketball-Trainern, Coach „K“, erklärt uns sein Trainingskonzept. Oliver Sacks kommt mit seinem neuen Buch zur Duke-University und spricht über Musik. Der Terminplan ist voller spannender Veranstaltungen.
„Bring mir Converse mit, Größe fünfeinhalb, graue, niedrige“, „mir den 2009- Tischkalender, Din A4 von Barnes & Nobel und, ach ja, von Aveda das Duschgel, Rosmarin und Mint,“„und mir kannste ne Großpackung Aspirin mitbringen“ — alles klar, Schwestern, in Amerika kann man gut shoppen, mein Koffer ist groß und die Kreditkarte funktioniert. Am Samstag geht’s zur Mall. Es gibt kaum eine Innenstadt. Es gibt nur riesige Einkaufszentren. Die Handcreme verspricht samtweiche Haut und außerdem gehen 2 Dollar an die Kampagne gegen Brustkrebs. Na dann.
Noch 7 Tage bis zur Wahl. Alle kommen noch einmal nach North Carolina: Palin, McCain, Biden — und für morgen wird Barack Obama angekündigt. Sein Auftritt ist eine perfekte Inszenierung. Ich stehe neben der Bühne und spreche mit amerikanischen Kollegen. Immer wieder fällt ein Name: „Kennedy“, „so was haben wir zuletzt bei Kennedy erlebt“. Die Menschen warten stundenlang um in der ersten Reihe zu stehen um vielleicht, vielleicht einmal seine Hand schütteln zu können. Alles ist streng durchinszeniert. Die Jubler, die hinter dem Redner stehen, wurden vorher sorgfältig ausgewählt und in Grüppchen von streng schauenden Damen, die dauernd in ihr Walkie-Talkie sprechen und jede Bewegung von mir und allen anderen überwachen, hineingeführt. Der ganze Aufmarsch dauert eineinhalb Stunden. Zum Schluss dürfen die demokratischen Honoratioren der Stadt Platz nehmen. Dann kommt erstmal der Pfarrer: „Gott sei Dank haben wir diese Chance, haben wir diesen Mann!“ — dann gibt’s den Fahnengruß und die Nationalhymne. Dann hält Obama seine Rede. Die Rede, die fast wortgleich schon viele, viele Male gehalten hat und und noch halten wird. Wird er North Carolina auf seine Seite ziehen?
Bei der Exkursion nach Washington erleben wir den entscheidenden Tag, den 4. November. Die Ost-Staaten werden einer nach dem anderen blau eingefärbt, in der Farbe der Demokraten. Das Ergebnis aus North Carolina kommt und kommt nicht. Es ist zu knapp. Aber schon um 23 Uhr ist dann alles klar. Obama gewinnt Ohio — und damit die ganze Wahl. Die Bilder der feiernden Menschen vor dem weißen Haus, das übrigens von schwarzen Sklaven gebaut wurde, gehen um die Welt. Die Washington Post druckt am nächsten Tag drei verschiedene Ausgaben. Vor dem Verlagsgebäude Verkehrschaos: Nur um eine Zeitung bekommen, ein Dokument als Beweis, an diesem Tag tatsächlich in Washington dabei gewesen zu sein, dafür warten die Menschen stundenlang. North Carolina schließlich hat Obama auch noch gewinnen können. Aber das wird erst drei Tage nach der Wahl klar und spielt auf einmal keine Rolle mehr.
Zum Schluss noch ein Wort zu Vorurteilen und Urteilen über die USA und ihre Menschen. Ja, es ist vieles verboten. Zum Beispiel Kaffee trinken in Washington in der U-Bahn. Ja, das Essen. Was hier als Brot verkauft wird, klebt an europäischen Gaumen nach wie vor mit der Konsistenz eines alten Pfannkuchens. Ja, die Häuser hier sind schlecht oder gar nicht isoliert, die Fenster klemmen. Aber das wichtigste: ja, die Menschen hier sind warmherzig, aufgeschlossen und sympathisch. Zum Beispiel Sonntags morgens beim Gospel-Gottesdienst, wo sie mich an der Hand nehmen. Zum Beispiel in der Straße in Washington, wo ein Blick in den Stadtplan reicht, damit jemand anhält, uns seine Hilfe anbietet. Und immer wieder Laurie, die das Wort Gastfreundschaft wörtlich nimmt. Daran werde ich denken, wenn ich mit der rosa Duke University Kappe und den samtweichen Händen daheim Skat spiele. Obama ist übrigens der Kreuz-König als Superman.
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Michael Naumann (20.10.–13.11.2008)
Hope. Action. CHANGE.
Ohnmächtig zu werden, hat nichts Gutes. Eigentlich. Zwei Obama-Anhänger in Raleigh hingegen verdanken einer kleinen Ohmacht ein ganz und gar besonderes Souvenir…
Es ist Donnerstag, der 29.10.2008, mittags, Senator Barack Obama hält in Raleigh eine umjubelte Wahlkampfrede. Tausende hören ihm zu, ein Meer aus Köpfen und Change-Plakaten. Stundenlang haben sie angestanden, gewartet, gefroren für ihren Hoffnungsträger. Scharfschützen stehen auf den Dächern. Obama erklärt seine politischen Pläne — übrigens wesentlich konkreter als sein Kontrahent John McCain auf vergleichbaren Veranstaltungen, dem außer Joe-the-Plumber nicht viel einfiel — als er plötzlich verstummt. Von seiner Bühne aus hat er beobachtet, wie irgendwo im Publikum zwei Zuschauer ohnmächtig geworden sind. Obama stockt, greift unter sein Rednerpult, holt zwei Wasserflaschen hervor und wirft sie souverän in Richtung der Ohnmächtigen: „I know it’s hard to stand for so long. But you must eat and drink before you come here!”
Erst als er die Rettungskräfte vom Mikrofon aus zum Zielort in der Menschenmenge dirigiert hat, fährt Obama mit seiner Rede fort. Jubel. Eine kleine Geste, ein großes Symbol: Obama, der Aufmerksame. Obama, der Leader. Obama, der Heilsbringer. Man hätte es nicht besser inszenieren können.
Am Ende seiner Raleigh-Rede sind die zwei Ohnmächtigen wieder bei Bewusstsein. Und ihre Wasserflaschen tragen fünf Tage später die Fingerabdrücke des ersten afro-amerikanischen U.S.-Präsidenten der Geschichte! Historische Wasserflaschen!
Presidential Elections 08
Für uns Duke-Media-Fellows hätte es keinen besseren Zeitraum geben können, hier in
den Staaten zu sein. Und dann ausgerechnet in North Carolina, einem Bundesstaat im nationalen Fokus: erstmals seit Jahrzehnten war NC wieder Battleground/Swingstate, sprich unentschlossen. Entsprechend präsent waren Barack Obama und John McCain, wie auch ihre beiden Vize-Kandidaten, Joe Biden und Sarah Palin, in unserem unmittelbaren Radius.
So hatten wir die Chance, alle vier Kandidaten live on stage aus nächster Nähe erleben zu dürfen (Presseausweis sei Dank). Und da der spätere Vice-President-elect Joe Biden am 23.10.08 in Raleigh spontan für ein gemeinsames Foto bereit war, hängt über meinem Schreibtisch zuhause bald mein ganz persönliches Souvenir an eine aufregende und erlebnisreiche Zeit.
Die Präsidentschafts-Wahl hat zweifelsohne unserer Reise dominiert. Und die historische Entscheidung am 4.11. zugunsten Barack Obamas und Joe Bidens direkt in Washington D.C. verfolgen zu können, ein absolutes Privileg. Kurz vor 18 Uhr noch selbst ein Wahllokal zu besuchen und dann um 1 Uhr nachts inmitten einer bunten Jubelmenge vor dem Weißen Haus mitzufeiern, was just greeeeaaaaaaattttt! Viele unvergessliche Momente, Begegnungen, Gespräche. Bilder, die sich eingebrannt haben und von denen ich hoffentlich irgendwann mal meinen Enkelkindern erzählen werde.
Durham, Duke und Chapel Hill
Doch auch abseits der U.S.-Wahlen gab es viel zu erkunden, denn als Media-Fellow am Sanford Institute der Duke-Uni hatten wir fantastische Möglichkeiten, in die Lebenswelt amerikanischer Privat-Studenten ($50000 Studiengebühren pro Jahr!) einzutauchen. Und dank unserer wunderbaren Laurie Bley standen uns beinahe alle Türen offen. So hatten wir zum Beispiel die Ehre, dem Literaturnobelpreisträger Wole Soyinka die Hand schütteln zu dürfen, mit dem U.S.-Investigativ-Autoren Ted Gup über die CIA zu diskutieren oder dem weltbekannten Neurologen Oliver Sacks zuzuhören — um aus der Vielzahl unglaublich interessanter Persönlichkeiten nur drei herauszunehmen. Die Bandbreite und Schlagzahl der Begegnungen war enorm.
Aber auch an den beinahe täglichen Kaffee auf der Sonnenterasse vor dem BryanCenter, an die Halloweenparty auf der Franklin Street in Chapel Hill und das ein oder andere Musikkonzert werde ich mich gern erinnern. Genauso wie an die Gastfreundschaft und das Gegeninteresse, die uns Professoren, Studenten, Musiker, Politiker u.a. entgegengebracht haben.
Thank you
Für mich persönlich war es nach einem Studienjahr 2002 in Ohio und New York eine wunderbare Rückkehr in ein großartiges Land. Und hier eine so spannende und historische Zeit vor Ort erlebt haben zu dürfen, ist ein Privileg — ein Privileg, dass nur noch hätte noch besser werden können, wenn unsere Gruppe internationaler gewesen wäre (wir waren vier Deutsche und eine Südafrikanerin), weil dann noch mehr Austausch über die verschiedenen Eindrücke möglich gewesen wäre.
Mein ausgesprochener Dank gilt der RIAS BERLIN KOMMISSION, durch die die beschriebenen Erfahrungen erst möglich geworden sind. Außerdem möchte ich mich beim Sanford Institute (Duke-University) bedanken, allen voran bei Laurie Bley, die uns auf magische Art und Weise jeden Wunsch von den Augen abgelesen und ein tolles Programm zusammengestellt hat.
Und spätestens wenn der große Hoffnungsträger Barack Obama am 20. Januar 2009 in Washington als neuer US-Präsident vereidigt wird, werde ich allen Kollegen, Freunden und Verwandten die Geschichte mit den beiden historischen Wasserflaschen aus Raleigh erzählt haben…
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Steffen Prell, Rundfunk Berlin-Brandenburg, Berlin
Seit jeher habe ich mich über die große Begeisterungsfähigkeit der U.S.-Amerikaner amüsiert — selbst Kleinigkeiten und Selbstverständlichkeiten werden schnell als „fantastic“ und „amazing“ eingeschätzt und auch ein ganz normales Café ist in Windeseile ein „fun place“. Und jetzt, nach einem Monat in den USA mache ich mit und sage: es war „great“ und eine „once in a lifetime experience“. Wann hat man schon einmal die Gelegenheit, einen Monat lang seinen Berufsalltag zu reflektieren, an einem vielseitigen akademischen Programm teilzunehmen, über die Herausforderungen und Probleme des täglichen Geschäfts zu diskutieren, sich mit einer internationalen Gruppe von Journalisten auszutauschen, viel über die USA zu lernen und nebenbei auch noch Spaß zu haben?
Für mich war der Aufenthalt an der Duke University aus zwei Gründen interessant. Ich kannte bis dahin nur New York — im Jahr 2004 hatte ich es mich dort für eine Woche hin verschlagen. Ich war begeistert und wollte gerne mehr sehen von diesem Land. Und dann reizte es mich, einen Einblick in eine U.S.-amerikanische Spitzenuniversität zu bekommen. Als Media Fellows der Duke University konnten wir theoretisch an allen Vorträgen und Seminaren auf dem Campus teilnehmen.
Hauptanlaufpunkt war aber das Terry Sanford Institut, wo die Media Fellows sich täglich trafen. Das Programm am Institut ist breit gefächert — vom Erfolgsrezept der Sesamstraße über Ex-General Zinnis Kritik am Irak-Krieg bis zum an Gehirnwäsche erinnernden Vortrag durch den Pressesprecher des Militärstützpunktes Guantanamo. Ein regelmäßiger Termin waren die Media Challenges: Jeder aus der Fellow-Gruppe referierte über seine Arbeit, über Wohl und Wehe des Journalisten-Daseins. In diesen Vorträgen erfuhren wir viel Spannendes über die Arbeit der Kollegen in anderen Ländern. Und doch stellte sich auch heraus: ob Südafrika oder Frankreich, Tiflis oder Berlin, manche Probleme haben wir alle. Sparzwänge, Stellenabbau, neue Herausforderungen für „alte Medien“ durch das Internet.
Unser Aufenthalt fiel in die Zeit der U.S.-Vorwahlen — auch wenn während dieses Monats keine Abstimmung stattfand, so waren die primaries natürlich das alles bestimmende Thema, in den Medien, aber auch in vielen unserer Diskussionen und in den Seminaren an der Universität. Vor allem unser Aufenthalt in Washington hat mir die aktuellen Geschehnisse noch näher gebracht. Der eloquente Politikwissenschaftler Peter Hart zum Beispiel hat mich mit seiner prägnanten Analyse der einzelnen Kandidaten sehr beeindruckt. Hart nahm aus dem Stegreif eine Bevölkerungsanalyse North Carolinas vor, sagte das Wahlergebnis dort (wie sich zeigen sollte) richtig voraus, skizzierte das Profil der damals noch drei Kandidaten in treffenden Worten — seitdem scheint es mir, als würde ich seinen Bemerkungen in Zeitungen, Radio, Fernsehen immer wieder begegnen. Diese Gespräche mit interessanten Akteuren aus Meinungsforschung und Journalismus — und den damit verbundenen Informationen aus erster Hand — werden mir als besonders spannende Momente in Erinnerung bleiben. Überhaupt Washington: durch diese Stadt nicht nur als Tourist zu laufen, sondern auch die Washington Post oder das Pentagon besuchen zu können — all das waren bereichernde Erfahrungen. Besonders gefallen hat mir der Besuch bei National Public Radio (NPR) — immer wieder hatte ich Sendungen von NPR gehört, nun besichtigten wir die Studios. Ein Spenden finanziertes Programm war mir neu. Auch in Durham hatte vorher das auf Spenden angewiesene Programm WNCU tagelang intensiv um neue Mitglieder geworben. Die sonst üblichen Sendungen liefen nicht mehr, statt dessen folgte ein Spendenaufruf dem nächsten — welch gewaltiger Unterschied zur öffentlich-rechtlichen Welt.
Neben dem Akademischen hat mir der Monat an der Duke University auch neue wertvolle „räumliche“ Erfahrungen über die USA beschert: North Carolina als Gegensatz zu der Metropole New York, die unendliche Weite amerikanischer Landschaften und die überdimensionale Größe von Wohnsiedlungen.
Nach der Fahrt nach Washington besuchten einige von uns Colonial Williamsburg — ein Museumsdorf in Virginia, eine der ersten Siedlungen in den USA. Dieser kurze Besuch hat mir mit ein paar Blicken viel über die USA erklärt. Unendlich lange Straßen, links und rechts weiße Palisadenzäune — auch heute noch sieht es in vielen Wohnorten ähnlich aus. In einem meiner Lieblingsfilme, „Big Fish“ von Tim Burton, ist es das große Ziel des Filmhelden Edward Bloom, seiner Frau ein Holzhaus mit weißem Palisadenzaun zu bauen. Und hier stand ich nun vor der „Mutter dieser Zäune“ — errichtet im Jahr 1607.
Es waren für mich viele dieser kleinen Geschichten, die die Zeit so schön gemacht haben. Zum Beispiel das „all american girl“, das mir in Washington einen Crab Cake servierte. Unbewusst hat es seinen Anteil zur Völkerverständigung beigetragen. Wenn man mit „It’s great to have you here, guys“ begrüßt wird, ist das Mittagessen und der darauf folgende Rest des Tages schon gerettet.
Für mich, der sich in Berlin vor allem mit dem Thema Film befasst, war zudem das „Full Frame Festival“ ein Höhepunkt des USA-Aufenthalts. Ein kleines, feines Festival, bei dem man sehr leicht mit Filmemachern und Produzenten ins Gespräch kam. Viele Filme berichteten über U.S.-Kriegsveteranen, über die Nachwirkungen des Hurrikans „Katrina“, über Verfehlungen der Bush-Regierung. Das Publikum ging immer mit: klatschte, lachte, buhte aus — in Deutschland in diesem Maß eher unüblich. Auf dem Festival ist vor allem ein liberales Ostküsten-Publikum zu Gast. Menschen, die nach acht Jahren Bush so USA-kritisch sind, dass man sie fast schon wieder stoppen möchte. „Ihr wisst in Europa schon, dass wir nicht alle so sind?“, fragt mich eine Festival-Besucherin. Keine Sorge… Ein interessanter Einblick in die Dokumentarfilm-Szene in den USA, mit Filmen, die Deutschland wohl höchstens einmal bei einem Festival erreichen werden.
Vier Wochen Duke University — vier Wochen mit interessanten Vorträgen, Gesprächen, Diskussionen. Aber vor allem vier Wochen um neue Menschen kennenzulernen, vier Wochen für inspirierende Begegnungen. Auch wenn der Alltag einen schneller wieder im Griff hat, als einem lieb ist: ein paar Kontakte werden bestehen bleiben. Und das ist doch wirklich „amazing“.
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Dr. Clas Oliver Richter Fricke, Norddeutscher Rundfunk, Hamburg
Zum ersten Mal habe ich von Laurie an einem norddeutsch-nasskalten Herbst-Tag gehört. Und ich habe gleich einen schweren Fehler begangen, habe Laurie nicht ernst genommen. Habe die gemailten Infos zum bevorstehenden Duke-Programm schnell überlesen, die Anfrage nach persönlichen Angaben erst gar nicht bemerkt und schließlich alles in die E-Mail-Ablage verbannt. Doch da hatte ich die Rechnung ohne den Wirt (oder in diesem Fall — ohne Laurie) gemacht. Keine Woche später die zweite Mail mit dem energischen Hinweis, dass sie doch bitteschön dringend die persönliche Angaben brauche, für all die Vorbereitungen, weil in den USA inzwischen alles so bürokratisch gehandhabt würde, weil die Zeit dränge, und überhaupt…! Ach so, eine Kurz-Biographie tue auch Not, damit alle wissen, mit wem sie es denn eigentlich zu tun bekämen. Huch, erwischt! Also schnell die Passnummer raussuchen, die Angaben zusammenstellen, in das elektronische Formular eintragen — und möglichst viel Positives über mich zusammenschreiben (und doch bei der Wahrheit bleiben, irgendwie…), dann zügig losschicken, damit es nicht noch mehr Beschwerden gibt! Einstweilen scheint Laurie beruhigt, jedenfalls kommen keine weiteren Nachforderungen mehr, zumindest, was die Reisevorbereitungen angeht.
Aber, wir sollten uns schon einmal überlegen, welche Seminare wir besuchen wollten, letztendlich ließe sich zwar alles auch vor Ort klären, aber je früher man sich entscheide, desto besser. Außerdem sei mancher Professor dann doch lieber vorgewarnt… Okay Laurie, verstanden. Die Seminarliste durchlesen — und leider auf den ersten Blick nichts Passendes finden. Aber — was noch nicht ist, kann ja noch werden!
Dann kommen Lauries Einschläge häufiger — und per Post! Eine Broschüre des Terry Sanford-Instituts of Public Policy, eine weitere Seminar-Liste, eine Teilnehmer-Liste mit vielen unbekannten Namen, und dem Hinweis, dass wir am Flughafen abgeholt würden, bevor es in unsere Apartments ginge. In jedem Falle aber sollten wir uns bei ihr melden!
Und übrigens — auf dem Weg vom Flugzeug in die Abfertigungshalle sollten wir irgendwo noch schnell etwas zu essen kaufen, so Lauries Tipp, weil wir am ersten Abend sonst arg am Hungertuch nagen müssten. Laurie hat Recht.
Wir werden tatsächlich am Flugplatz abgeholt. Ich kaufe noch schnell ein viel zu teures Sandwich — im Kühlschrank liegt dann jedoch ein kleines aber feines Überlebenspaket bereit — mit lieben Grüssen von Laurie!
Die ersten Tage an der Duke Universität in Durham/North Carolina erweisen sich als Intensiv-Programm made by Laurie! Wir elf Journalisten aus fünf Ländern diskutieren intensiv über zukünftige Herausforderungen unseres Berufes, diskutieren mit Experten und Professoren über die politische Situation im Wahljahr 2008 — und diskutieren mit Laurie über das geplante Wochenende an der Küste von North Carolina. Wohin wollen wir fahren, ist das Strandhaus geeignet für uns, wie wird das Wetter? Am Ende folgen wir Lauries Ratschlag — und verbringen wunderschöne Tage in Toppsail-Beach!
Gute Organisation ist alles, für Laurie, das lerne ich schnell. Und auf jede — wirklich jede — Frage weiß Laurie eine gute und hilfreiche Antwort. Wo gibt es ordentliches Brot zu kaufen, wie kostenlos auf dem Unigelände parken, wo liegt das nächste Outlet-Center, alles kein Problem, alles lässt sich organisieren.
Laurie organisiert mit Leidenschaft — und leidet an uns Media-Fellows. Ein Grippe-Infekt legt ein Drittel der Gruppe lahm, deshalb fallen wir für eine Willkommens-Party aus. Ein Desaster für Laurie. Nicht, dass sie kranke Fellows auf wilde Partys schicken will. Aber wir verpassen einen wichtigen Termin, da ist sich unsere Programm-Direktorin sicher! Für mich ist die Duke-Universität der akademische Himmel auf Erden. Die Lehr-Einrichtungen sind optimal ausgestattet, die Studenten stehen im Mittelpunkt. Duke verkauft Bildung als hochwertiges Gut für gutes Geld!
Unser Programm wird zum vierwöchigen Workshop, aus dem jeder seinen ganz persönlichen Gewinn zieht — der eine mehr, der andere vielleicht etwas weniger. Neben den Diskussionen in der Gruppe über „Media Challenges“, also die beruflichen Herausforderungen, nehme ich viel aus den Gesprächen mit, die wir mit Lehrenden und Gastprofessoren führen. Eine Stunde mit dem Ex-General und Bush-Kritiker Anthony Zinni erleben wir alle als präzise formulierte vernichtende Analyse der Irak-Krieg-Planungen. Ein Vortrag über John Kerry und die „Swiftboat“-Kampagne aus dem Wahlkampf 2004 zeichnet ein plastisches Sittengemälde des politischen Umgangs zwischen den Demokraten und Republikanern im Kampf um die Macht.
Für fünf Tage geht es dann nach Washington, dort wollen wir uns über das politische Befinden vor der anstehenden Präsidentenwahl informieren. Laurie hat uns tolle Gesprächspartner organisiert. Einen der renommiertesten Wahlforscher im Land zum Beispiel, der kurzweilig zu belegen weiß, was Hillary Clintons großes Problem ist: die weit verbreitete Abneigung gegen ihre Person! Frau Clinton wirkt auf viele Amerikaner unsympathisch, viele Wähler fühlen sich an die eigene Schwiegermutter erinnert. Dann ein Besuch im Brookings—Institut, einem der grossen „Think-Tanks“, ohne die scheinbar in der Hauptstadt keine Politik möglich ist. „Eine Universität ohne störende Studenten“ sei das Brookings-Institute, in dem es nur um die Forschung gehe, lernen wir in einer Gesprächsrunde. Forschung, aus denen später Politik werden soll. Derweil kümmert sich Laurie um einen der Höhepunkte des Programms: Das „Fullframe Documentary-Film-Festival“. Mehr als 100 Dokumentarfilme in vier Tagen stehen auf dem Programm. Und wir elf Media-Fellows sind im Besitz teurer und begehrter Presseakkreditierungen, die den Besuch aller Filme ermöglichen. Danke, Laurie!
Wir geben alles, um möglichst kein dokumentarisches Highlight zu verpassen. Sichern uns auf Vorrat Tickets für den ganzen Tag, auch wenn sich die Termine überschneiden. Und lernen schnell, dass es weiterhin die großen politischen Themen sind, mit denen sich die Dokumentar-Regisseure befassen. Das ergreifende Portrait eines schwer verwundeten Irak-Krieg-Veteranen steht ebenso auf dem Programm wie ein Film über weibliche Soldaten aus Israel, die in den besetzten palästinensischen Gebieten Dienst tun, und für die menschenverachtende Gewalt irgendwann ganz selbstverständlich zum Alltag gehört.
Den Publikumspreis gewinnt am Ende „Man on Wire“. Er erzählt von einem französischen Drahtseil-Künstler, der 1974 in einer Nacht-Nebel-Aktion sein Drahtseil zwischen die beiden Türme des World-Trade-Centers in New York spannt und dann seine Kunst illegal und in luftiger Höhe vorführt. „Man on Wire“ portraitiert nicht nur den Künstler sondern auch die beiden Türmen und ihre symbolhafte Bedeutung für New York und die USA.
Nach vier Tagen in den Kinos von Durham sind unsere Augen schließlich viereckig und wir freuen uns wieder auf frische Luft.
Irgendwann gilt es langsam, sich auf das Ende des Programms und auf den Abschied von Duke und von Durham vorzubereiten. Aber wie die Abreise würdig begehen? Laurie organisiert eine Abschiedsfeier, mit der sie aber nicht ganz zufrieden ist. Das angedachte typische Südstaaten-Dinner haben wir immerhin ja schon einmal erleben dürfen, und das wäre dann ja eine Wiederholung, und ob das denn sinnvoll sein kann, …?? Wir überzeugen unsere Programm-Direktorin, dass wir uns sehr auf ein zweites Südstaaten-Dinner freuen — und erleben schließlich einen wunderschönen stimmungsvollen Abend.
Dann der Abflug, alles funktioniert wie am Schnürchen, die Organisation klappt reibungslos. Nur das inzwischen unvermeidbare Flug-Chaos an der Ostküste sorgt für Verdruß. Aber damit hat Laurie nun wirklich Nichts zu tun!
Was bleibt am Ende von den vier Wochen, als „Visiting-Media-Fellow“ an der Duke-Universität in Durham? Die Diskussionen unter uns Journalisten waren sehr interessant und sehr inspirierend. Ich durfte tolle Menschen kennen lernen und habe sehr viel für den Alltag im Beruf mitgenommen. Die Vorträge und die Gespräche mit den Professoren habe ich als sehr unterhaltsam und gehaltvoll erlebt. Studenten, die sich hier ausbilden lassen können, sind zu beneiden. Zu beneiden auch das Umfeld, das die Duke-Universität bietet.
Dazu als „Zuckerstückchen“ eines der großen Dokumentarfilm-Festivals im Land erleben zu können, hat mich schlicht — begeistert.
Die Reise nach Washington hat uns allen einen aktuellen Einblick ins politische Leben in diesem Wahljahr 2008 beschert. Um zu verstehen, in welcher politischen Gemütslage sich die USA derzeit befinden, war der Trip in die Hauptstadt außerordentlich wichtig und lehrreich.
Schließlich habe ich Laurie getroffen. Laurie hat uns in den vier Wochen fast jeden Wunsch erfüllt, für sie war das Gelingen des Programms und die gute Stimmung in ihrer Gruppe professionelles Anliegen — aber eben auch eine Herzensangelegenheit. Ich habe Laurie kennen gelernt — hoffentlich für länger als vier Wochen!
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Carsten Schroeder, Deutschlandfunk, Köln
Einen Monat lang an einer der U.S.-amerikanischen Elite-Universitäten zu studieren und zu arbeiten, das ist für einen Wissenschaftsjournalisten eine besonders reizvolle Chance und Herausforderung. Längere Zeit an einem einzelnen Ort zu bleiben, dort zu leben und zu arbeiten, ist die intensivste Art, ein Land kennenzulernen.
Zwei Themen waren es, die meinen Monat an der Duke prägten: Auf der einen Seite, gemeinsam mit den anderen Teilnehmern des Programms, die Reflexion über unsere journalistische Arbeit und deren zukünftige Entwicklung, auf der anderen Seite meine persönliche, wissenschaftsjournalistische Auseinandersetzung mit dem Thema Anthropologie, das mich seit einiger Zeit beschäftigt.
Um mit dem Letzteren anzufangen: An der Duke gibt es das größte Primatenzentrum Nordamerikas, das Duke Lemur Center. Dort werden zu Forschungszwecken Lemuren, so werden die auf Madagaskar lebenden Primaten genannt, gehalten, teilweise in Käfigen, teilweise in einem gigantischen, circa 34 Hektar großen, dicht bewaldeten Freigehege. Der Zweck ist die breite Erforschung dieser Primaten, dazu gehört nicht nur ihr Verhalten und ihre biologischen Besonderheiten, sondern auch ihre intellektuellen Fähigkeiten und ihr Sozialverhalten.
Das Duke Lemur Center, oder auch Primate Center, wie es immer noch traditionell genannt wird, ist natürlich kein Zoo, den man einfach besichtigen kann. Dennoch sind die Wissenschaftler und Mitarbeiter stolz, ihre Arbeit zu zeigen. Mit Andrew Garfunkel, der das Duke Lemur Center gegenwärtig leitet, verabredete ich eine Führung für uns Media Fellows, bei der er sehr anschaulich die Besonderheiten der Lemuren und die Arbeit des Centers vorstellte und mir Tips für meine weiteren Recherchen gab.
Das zweite große Thema meines Aufenthaltes an der Duke beschäftigte die gesamte Gruppe der Media Fellows: Die Veränderungen der Medien durch das Internet und die damit verbundenen Auswirkungen auf die Arbeit von uns Journalisten. Sowohl die teilnehmenden amerikanischen und deutschen Media Fellows als auch die amerikanischen Journalisten, die wir während des Aufenthaltes kennenlernten, erfahren diese Veränderungen in ihrer täglichen Arbeit. Der Begriff des Mojos machte die Runde, des „mobile journalist“, der, ausgestattet mit Laptop, Kamera und Video-Recorder, gleichzeitig Beiträge für die Zeitung und das Internet absetzt und Bilder und Filme gleich mitliefert.
Ob und wie tiefgehend die technologischen Möglichkeiten des Internets, vor allem in der jetzigen Ausprägung des sog. „web 2.0“, die Medien verändern werden, ob dies zu einem publizistischen Sprung wie nach dem ersten Seekabel zwischen Nordamerika und Europa führt, oder nur einer technischen Weiterentwicklung wie beim Schritt vom Schwarz-Weiß-Fernsehen zum Farbfernsehen entspricht, wer will das voraussagen? Der Erfahrungs- und Meinungsaustausch mit den Kollegen von beiden Seiten des Atlantiks hat neue Perspektiven für die weitere Diskussion eröffnet.
Ein Aufenthalt an der Duke bleibt nicht nur auf den Campus beschränkt. Das alles beherrschende Thema im September und Oktober 2008 war der Präsidentschaftwahlkampf zwischen Barack Obama und John McCain. Gemeinsam mit neuen Freunden und Bekannten verfolgte die kleine Gruppe der Media Fellows die verschiedenen TV-Duelle; unsere anschließenden Diskussionen zogen sich bis tief hinein in die Nacht, bis irgendwann auch dem Letzten die Augen zuklappten.
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Thomas Siekmann, Freelancer, Frankfurt
Die Ankunft
Das Abenteuer Duke beginnt an einem späten Sonntagabend in North Carolina. Dort wo die Südstaaten beginnen, dort wo „Dirty Dancing“ und „Forrest Gump“ gedreht wurden. Mein Flieger aus Philadelphia hat Verspätung. Aber kein Problem für den Abholservice. Ein Anruf und Gretchen steht wenige Minuten später mit ihrem SUV am Flughafen von Durham. Sie bringt mich in den „Forest“, eine Appartmentanlage in der Nähe der Duke University. Die Wohnungen sind gut ausgestattet, haben Wohn- und Schlafzimmer, Balkon und eine offene Küche. Im Kühlschrank erwartet mich eine Tüte Tomatensuppe, ein Apfel und ein Joghurt. Essen für den ersten Abend. Weit und breit gibt es kein Restaurant, keinen Supermarkt. Die Anlage grenzt an den Duke Forest. Aber es gibt es ein Fitness-Studio, einen Tennisplatz und einen Swimmingpool. Im Fernsehen laufen bekannte Sendungen wie „American Idol“, „America’s Next Topmodel“ und — wer hätte das gedacht — „Tokio Hotel“ als einzige deutsche Band in der Rotation auf MTV America.
Die Duke University
Ohne Auto geht hier gar nichts. Deshalb steht für zwei bis drei Media Fellows jeweils ein Mietwagen bereit. Damit fahren wir zur Duke University, die nur wenige Autominuten entfernt liegt. Dort erwartet uns Laurie Bley. Als Erstes bekommen wir unsere Duke-Ausweise. Dann führt uns die Programmleiterin über den Campus und — über was für einen Campus: Die Gebäude im gotischen Stil erinnern an Oxford. Man spürt überall, dass Duke eine Eliteuniversität ist. Sie ist eine der besten Universitäten der Welt, liegt in sämtlichen Rankings ganz weit vorne. Wer hier zum Beispiel Jura studieren will, muss mit Kosten von rund 57.000 U.S.-Dollar pro Jahr rechnen. Dafür werden exzellente Bedingungen geboten. Eine Bibliothek, die rund um die Uhr geöffnet hat. Und Recherchemöglichkeiten von denen man an deutschen Universitäten nur träumen kann, denn der Jahresetat ist so hoch wie der mancher Staaten. Und das merkt man gleich. In der Duke Law School nimmt jeder Student bereits in einem Leder-Chefsessel Platz. Die Studenten hingegen sind alle locker unterwegs in Jogginghose, T-Shirt und Flip-Flops. Mit dabei immer ein Laptop, das auch in den Vorlesungen und Seminaren genutzt wird. Ein Großteil der Kommunikation wird online abgewickelt mit drahtlosem Zugang zum Internet.
Das Programm
Unsere Stipendiaten-Gruppe ist international, kommt aus Deutschland, Frankreich, Südafrika, Georgien und den USA. Einen Großteil unseres vierwöchigen Aufenthalts verbringen wir Elf im Sanford Institute of Public Policy. Dort berichtet jeder Teilnehmer im Rahmen der Reihe „Media Challenges“ über die größten Herausforderungen in seinem Beruf. Wir diskutieren über die unterschiedlichen Arbeitsbedingungen in den einzelnen Ländern, über Meinungsfreiheit in Südafrika, Entwicklungen in den USA oder über die Kriegs- und Krisen-Einsätze eines französischen Kollegen im Irak.
Laurie Bley hat regelmäßig Gastredner für uns organisiert. Fast jeden Mittag nehmen wir an einem Lunch mit einem Gastdozenten, einem Vortrag eines Politikers oder Wissenschaftlers oder an einer Gesprächsrunde zu einem aktuellen Thema teil. Außerdem können wir alle Vorlesungen und Veranstaltungen der Duke University besuchen. Doch das Programm ist so umfangreich, dass man erst einige Tage braucht, um sich einen Überblick zu verschaffen.
Wir sind auch als Gastredner gefragt. So halte ich zum Beispiel vor Studenten der Duke University Vorträge über meine Arbeit als Fernsehjournalist. Lohnend ist für mich als Wirtschaftsjurist auch der Besuch der Duke Law School und der Fuqua School of Business.
Der Strand
Im Laufe der Zeit lernen wir Media Fellows uns immer besser kennen. Vor allem bei einem Wochenendausflug an die wunderschöne Küste von North Carolina. In Topsail Beach mieten wir ein Strandhaus. Der weiße Sand lädt zum Fußballspielen und zu langen Spaziergängen entlang traumhafter Dünen ein. Die Abende nutzen wir zum gemeinsamen Kochen und zu langen Gesprächen und Diskussionen.
Das Festival
Höhepunkt ist sicherlich das mehrtägige „Full Frame Documentary Film Festival“ in Durham, das nach Sundance das zweitwichtigste Dokumentarfestival der USA ist. Überhaupt ist North Carolina ein wichtiger Markt fürs Filmgeschäft und wegen seiner atemberaubenden Naturkulisse beliebt als Drehort. Nach Hollywood und New York werden hier die meisten Filme der USA gedreht. Zu den Bekanntesten gehören „Forrest Gump“, „Dirty Dancing“, „Der letzte Mohikaner“ und die Kult-Serie „Dawson’s Creek“. Seit 1980 wurden hier mehr als 700 Filme gedreht.
Auf dem Festival können wir uns von morgens bis abends Dokumentarfilme anschauen. Ebenso lohnend ist es, bei den Festival-Partys am Abend dabei zu sein. So komme ich zum Beispiel mit Star-Autor Ariel Dorfman und einigen anderen Filmemachern und Preisträgern ins Gespräch.
Das Fazit
Alles in allem war das Stipendium eine wertvolle Erfahrung, die ich nicht missen möchten. Ich habe viele interessante Journalisten, Professoren und Filmemacher kennen gelernt. Leider ist das vierwöchige Abenteuer Duke viel zu schnell vorbei gegangen. Für die tolle Organisation danke ich Rainer Hasters, dem gesamten RIAS-Team sowie Laurie Bley und der Duke University.
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Dr. Markus Spieker, Erstes Deutsches Fernsehen, Berlin
Die ganze Welt in vier Wochen. Kein ganz bescheidener, aber immer noch der beste Einstieg in die Beschreibung eines Programms, das so tiefgehend und umfassend war wie keine andere Medien-Weiterbildung, an der ich je teilgenommen habe. Nie zuvor habe ich einen so gelungen „Mix“ zwischen akademischem Anspruch und journalistischer Bodenständigkeit erlebt.
Zehn Media Fellows hatten die RIAS Kommission und die Duke University ausgewählt; sie kamen aus sechs Ländern, vier Kontinenten und fünf Jahrzehnten. Für Heterogenität im besten Sinne war also gesorgt. Die Diskussionen und Begegnungen zwischen den Fellows waren das Herzstück des Programms: ich, als politischer Berlin-Korrespondent, erfuhr von medienpolitischen Herausforderungen im georgischen Tiflis, von den Zumutungen, denen ein französischer Afrika-Berichterstatter sowohl in Bürgerkriegsgebieten als auch in der eigenen Redaktion ausgesetzt, von Kriminalitätsberichterstattung in Soweto und von der prekären Marktsituation amerikanischer Nachrichtenflaggschiffe wie der Washington Post.
Das Programm bestach durch eine exklusive Vorauswahl spannender Vorträge und Debatten (etwa mit dem pensionierten Kriegsgeneral Zinni, dem Duke-Vizepräsidenten sowie verschiedenen preisgekrönten amerikanischen „Edelfedern“) aber auch durch Freiräume, in denen nach gusto Universitätsveranstaltungen besucht werden konnten.
So hangelte ich mich von theologischen und philosophischen Ethikseminaren zu politologischen Seminaren über den Zusammenhang von Religion und Politik. Im Rahmen von sogenannten „Interfaith“-Foren loteten jüdische, muslimische und evangelikale Protagonisten Gemeinsamkeiten aus.
Zurück zum Programm: das Herzstück — durchaus im buchstäblichen Sinne — war die fünftägige Exkursion in die Hauptstadt. In den Vorjahren hatte ich Washington D.C. bereits mehrfach besucht, doch die Blickwinkel, die uns jetzt ermöglicht wurden, waren für mich neu. An die Begegnung mit einem führenden Demoskopen und Polit-Analytiker, Peter Hardt, schloss sich ein Besuch im renommierten „Brookings“-Think Tank an. Ferner hatten wir eine Audienz und Führung im Pentagon, machten außerdem Abstecher zur Washington Post und zum öffentlich-rechtlich anmutenden „Kultursender“ NPR. Der Fokus des Interesses lag natürlich auf dem parallel stattfindenden Vorwahlkampf Obama-Clinton.
Die zweite Hälfte des Programms hatte ihren Höhepunkt in dem landesweit bekannten „Full Frame Documentary Festival“. Als Media Fellow kam ich in das Privileg einer „Access (Almost) All Areas Badge“. Von 50 Wettbewerbsbeiträgen sah ich 10, über World-Trade-Center-Hochseilakrobaten, Todestrakt-Priester und verfemte Drehbuchautoren. Einen besseren Einblick in die aktuellen technischen und inhaltlichen Schwerpunkte des Dokumentarfilms hätte ich mir nicht wünschen können.
Natürlich hatten wir auch Gelegenheit, den „Lifestyle“ amerikanischer Elite-Studenten kennenzulernen. In den Vorjahren hatten die Washington Post und das Rolling Stone Magazin in süffisanten Reportagen über die „Hook Up“-Etiketten auf dem Campus berichtet. Ich war kaum eine Woche auf dem Campus, da geriet ich in die Auftaktveranstaltung einer vom Studentenrat iniitierten „Date Week“ (dem Versuch, traditionelle Beziehungsanbahnungs-Rituale wieder aufleben zu lassen). Kaum 18jährige Studentinnen klagten über den enormen Leistungsdruck auf dem Campus, der ein normales „Beziehungsleben“ kaum möglich mache.
Meine Sicht vieler nationaler und internationaler Belange hat sich durch die vier Wochen teilweise erheblich verändert. Unmöglich, das in wenigen Worten auszudrücken. Dafür braucht es ein Buch. Das ich nun schreiben will.
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Dr. Jochen Thies, Deutschlandradio Kultur, Berlin
Der USA-Aufenthalt vom 16.3.08 bis zum 11.4.08 im Rahmen des Media Fellow Programms der RIAS-Kommission ist als voller Erfolg zu werten. Beinahe alle Erwartungen wurden erfüllt. Er lag in einer Phase des aktuellen U.S.-Präsidentschaftswahlkampfs, die eine Fülle von Einsichten in das politische System der USA bot. Dabei war der Eindruck des Beobachters der, dass die USA trotz einer schwierigen aktuellen politischen Lage eine kraftvolle Nation bleiben, deren Bevölkerung auf Veränderungen drängt, enorme Erwartungen an den Wahlsieger im Spätherbst 2008 richtet. Die drei Hauptbewerber überzeugten den Beobachter das eine ums andere Mal aufgrund der Authentizität ihres Auftritts. In besonders eindringlicher Erinnerung bleibt ein im Fernsehen übertragener Besuch von John McCain in seiner ehemaligen Highschool im Großraum Washington. McCain hielt dort vor Schülern und Lehrern eine halbstündige Ansprache, die ein sehr genaues und sympathisches Bild seiner Schulzeit vermittelte. Anschließend stellte er sich den Fragen des Plenums und glänzte mit schneller Reaktion und gutem Mutterwitz. Gleiches ließe sich von Hillary Clinton und Barack Obama berichten, was zu dem Gesamteindruck führt, dass die USA ein radikaldemokratisches Auswahlverfahren haben, von dem die Bundesrepublik nur träumen kann. Politikverdrossenheit war jedenfalls nicht zu beobachten. Der Ausgang der Wahl schien offen.
Unter diesen Umständen war es besonders wichtig, einige Tage mit der Gruppe auch in Washington zu verbringen. Die Termine waren gut durchdacht und führten den Besucher an einige Brennpunkte des politischen Geschehens. Dabei war für mich die Visite im Pentagon von besonderer Bedeutung. Zu meiner Überraschung gibt es auch dort — wie im Weißen Haus — eine Gruppe von Kollegen, die ihren Arbeitsplatz mitten im Verteidigungsministerium haben und über die militärischen Aktivitäten der Supermacht gewissermaßen aus ihrem Nervenzentrum berichten — für mich ein Hinweis auf das Selbstbewusstsein einer sehr großen Macht, die sich „gläsern“ präsentieren möchte, es aber am Ende natürlich nicht tut, weil kein einziger Journalist in der Lage sein dürfte, diesen riesigen Apparat zu über- geschweige denn zu durchblicken. Es bleibt aber ein erstaunliches Angebot und auch eine Chance für Journalisten, die es im Pentagon in der Hand haben, enge Kontakte zu Entscheidern und ihren Beratern aufzubauen und somit dem Land ein realitätsnahes Bild von seiner Sicherheitspolitik zu vermitteln.
Beim Besuch der Washington Post bestätigten sich dann jene Eindrücke über den amerikanischen Journalismus, die auch in Duke gewonnen werden konnten, da es in unserer Gruppe zwei Kollegen gab, die Redakteure bei der Post sind. Der amerikanische Journalismus ist hochprofessionell. Zumindest die beiden großen Blätter des Landes, die New York Times und die Washington Post, verfügen über Mitarbeiterstäbe, die in Breite, Qualität und absoluter Spitze beeindrucken. Die moralischen, ethischen und fachlichen Standards der Kollegen sind hoch, auch wenn sie — und hier typisch angelsächsisch — nicht immer so grundsätzlich argumentieren, wie es die Deutschen so gerne tun.
Die gleiche Einschätzung gilt für Fernsehen und Radio. Wenn man die beinahe 200 Programmangebote studiert, die im Kabel der Wohnanlage, in der wir lebten, angeboten wurden, kommt man zu einfachen Feststellungen. Vieles ist trash und vieles ist Wiederholung. Aber es gibt auch ein paar sehr sehenswerte politische Programme wie die Lehrer-hour oder Übertragungen aus dem Kongress. Und es gibt Unterhaltungssendungen wie ‚The American Idol’ bei Fox, die man sich unbedingt einmal anschauen sollte.
Denn sie vermitteln auf ihre Weise einen Eindruck von der Vitalität des Landes, von der musikalischen Begabung der Afro-Amerikaner und Amerikaner irischer Abstammung, von den ungeheuren kreativen Potentialen, die in diesem Land stecken. Nimmt man die Moderatoren und Entertainer hinzu, deren Bewegung, Tempo und Schlagfertigkeit beeindrucken, hat man es mit einer Medienszene zu tun, die auch in Zukunft weltweit den Ton angeben dürfte. Fast alles, was im Unterhaltungsbereich in Deutschland angeboten wird, entpuppt sich bei einem längeren U.S.-Aufenthalt als Replik.
Natürlich ist auch in den USA die Entwicklung bei den Medien krisenhaft, verlieren vor allem die großen Zeitungen nach wie vor in hohem Tempo ihre Leser. Aber es wird auch über Wege aus der Gefahr nachgedacht, und als Leuchtturm besonderer Qualität bleibt mir der Besuch beim National Public Radio in Washington in Erinnerung. Anders als im Fernsehen neigen die Amerikaner beim Qualitätsradio anscheinend zu einem konservativen Verhalten. Die Jingles klingen alt, fast ein wenig verstaubt. Aber die im Radio auftretenden haben etwas zu sagen. In der Eingangshalle des Gebäudes läuft ein vielleicht halbstündiger Trailer, der die Gesichter derer zeigt, die das NPR prägen. Sie sind nicht so glatt und so gefönt wie die Fernsehgesichter. Aber es sind Persönlichkeiten, große Persönlichkeiten, Köpfe mit Ecken und Kanten. In den USA ist das Qualitätsradio nicht tot, sondern erreicht im Gegenteil die Menschen. Offen ist lediglich, ob die mit Lizenzen betriebenen, über das ganze Land verteilten Stationen im Wettlauf der technischen Neuigkeiten mithalten können. Die Macher des NPR zeigen sich jedoch optimistisch.
Der abendliche Fernsehkonsum, der Zwang, sich selbst versorgen zu müssen sowie die Ausflüge nach Washington und an einem zweiten Wochenende mit der Gruppe an die Atlantikküste, nicht zuletzt auch der Besuch des Dokumentarfilmfestivals in Durham, führten dazu, dass man auch einen Eindruck vom Land, vom Bundesstaat North Carolina gewann. Er ist auf der einen Seite ein Südstaat mit erheblichem afro-amerikanischem Anteil, in der Fläche konservativ, auf der anderen Seite im Triangle von Durham, Raleigh und Chapel Hill ein Hochtechnologierstandort, der äußerst interessanten Leute anzieht.Unübersehbar war auch, dass die Mittelschicht und obere Mittelschicht wie in Deutschland große Mühe hat, im Globalisierungsprozesss mitzuhalten. Der amerikanische Alltag hat Freundlichkeiten, aber auch viele Härten.
Spätestens jetzt sind wir somit in Duke, wo die von der RIAS-Kommission entsandte Gruppe vom Sandford Institute mit offenen Armen aufgenommen wurde. Es wäre jedoch gut gewesen, wenn die Professoren und Assistenten uns in der Anfangsphase stärker in ihre Arbeit eingebunden hätten. Zwar wurden wir mit Vorträgen überhäuft. Aber es fehlte ein wenig an der Teilnahme am laufenden Seminarbetrieb. Vielleicht hat man in Duke die Sorge, dass die Sprachkenntnisse bei den Deutschen nicht immer ausreichen. Richtig ist, dass man sehr gute Englischkenntnisse benötigt, um im Programm klarzukommen. Sofern man eigene Initiativen ergreift, läuft alles wunderbar, bekommt man Termine und Möglichkeiten, an Lehrveranstaltungen teilzunehmen. Die Atmosphäre im Hause ist entspannt und konzentriert zugleich.
Ein Glücksfall für den Aufenthalt war das Verständnis und der Zusammenhalt der aus Deutschland kommenden Gruppe, aber auch der aus den USA, Frankreich, Südafrika, Georgien und Südkorea kommenden anderen Teilnehmer. Der Erfahrungsaustausch mit den Kollegen aus dem In- und Ausland war wichtig für die Einschätzung der eigenen Lage, aber auch hinsichtlich der Zukunftsperspektiven im Journalismus.
Ein Sonderlob gebührt am Ende der amerikanischen Programmkoordinatorin Laurie Bley. Laurie war unermüdlich, buchstäblich Tag und Nacht, am Wohlergehen der Gruppe interessiert.
Mit ihrer ansteckenden Fröhlichkeit, mit ihrem Optimismus, riss sie die Beteiligten förmlich mit und führte die Gruppe dennoch mit einer diskreten Strategie aus dem Hintergrund. Mit ihr, so hat es den Anschein, steht und fällt das Programm bei Duke, einer amerikanischen Eliteuniversität, deren Studenten und akademische Lehrer um ihre Sonderstellung wissen.
Besonders danken möchte ich der RIAS-Kommission am Ende dafür, dass meine Frau während der ersten beiden Wochen an dem Programm teilnehme durfte. Von nun an wird es nicht nur einen Austausch auf der journalistischen Ebene zwischen Berlin und Duke geben, sondern auch — wie es den Anschein hat — einen Austausch von Lehrern.